Nervenheilkunde 2021; 40(03): 197
DOI: 10.1055/a-1298-0344
Gesellschaftsnachrichten

Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie e. V.

Tom Bschor
,
Anja M. Bauer

Mini-Weiterbildung: 5 Tipps zur praktischen Lithiumtherapie

Mit Online-Vorträgen konnte die BGPN in das neue Jahr starten. Im vergangenen Jahr mussten leider pandemiebedingt mehrere Vortragsveranstaltungen ausfallen. Als kleinen Ersatz bietet die BGPN an dieser Stelle eine Mini-Weiterbildung zu einem der wichtigsten psychiatrischen Medikamente.

Wofür kann Li eingesetzt werden und wofür nicht?

Lithium (Li) ist das Medikament der ersten Wahl (einzige A-Empfehlung in der S3-Leitlinie Bipolare Störungen) zur langfristigen phasenprophylaktischen Behandlung bipolar affektiver Erkrankungen und als einziges Medikament hierfür ohne Einschränkungen zugelassen. Auch zur Rezidivprophylaxe unipolarer Depressionen kann es als Alternative zu einer Antidepressiva-Langzeitmedikation verordnet werden. Ferner ist Li zugelassen zur Akutbehandlung von Manien und in der Akutbehandlung von (unipolaren) Depressionen zur Augmentation eines allein nicht ausreichend wirksamen Antidepressivums. Im Unterschied zu Antidepressiva verhindert Li (im Vergleich zu Placebo) Suizidversuche und Suizide. Aufgrund fehlenden Wirksamkeitsnachweises rät die S3-Leitlinie Bipolare Störungen ab, eine akute bipolare Depression mit einer Li-Monotherapie zu behandeln.

Wie gebe ich die Dosis an? Welche Bedeutung haben die unterschiedlichen Salze?

Vorzugsweise nicht in mg/Tag, sondern in mmol/Tag. Wirksam ist der molare Li-Aanteil. Li kommt stabil nur als Li-Salz vor. Die Salze (Li-carbonat, -acetat, -sulfat etc.) haben ein unterschiedliches Gewicht, weswegen sie in ihrer mg-Dosis nicht miteinander verglichen werden können! Am gebräuchlichsten ist Li-carbonat, da es eine retardierte Wirkung aufweist. Es verursacht häufiger Diarrhoen, dann ist ein anderes Salz empfehlenswert ([ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Lithiumsalze im Vergleich

Präparat

Dosis (mmol) pro Tbl.

mg Li-Salz pro Tbl.

Lithium-Carbonat

Hypnorex retard®

10,8

400

Quilonum retard®

12,2

450

Lithium-Sulfat

Lithiofor®

12

660

Wie starte ich eine Medikation? Wie oft Blut abnehmen?

Bei Patienten ohne schwerwiegende Niereninsuffizienz kann mit 12 bis 18 mmol/d begonnen werden (verteilt auf 1 oder 2 Gaben am Tag). Nach ca. 5 Tagen sollte die erste Blutkontrolle erfolgen, in der Regel ist danach eine Dosiserhöhung notwendig (thera. Bereich). Hierbei gilt ungefähr eine lineare Beziehung: eine Verdopplung der Dosis bewirkt in etwa eine Verdoppelung des Spiegels. Achtung: Der steady state ist 4 bis 7 Tagen nach der letzten Dosisänderung erreicht. Wird früher kontrolliert, ist auch ohne Dosiserhöhung mit einem Anstieg des Spiegels zu rechnen. Ungefähr 5 Tage nach jeder Dosisänderung sollte eine Serumspiegelkontrolle erfolgen. Bei stabiler Dosis können die Blutentnahmeintervalle zunehmend gestreckt werden, auf bis zu 1x/Vierteljahr. Grundsätzlich sollten bei jeder Blutentnahme Kreatinin (+ errechnete GFR) und die Elektrolyte (inkl. Ca) mitbestimmt werden, gelegentlich auch TSH. Patienten sollten einen Li-Pass (mit Dosierungen, Serumspiegeln und Kreatinin/GFR) und einen Stimmungskalender führen.

Wo sollte der Spiegel liegen?

In der Regel zwischen 0,6 und 1,0 mmol/l; bei Langzeitverordnung nicht über 0,8 oder 0,9. Wichtig: Erste Maßnahme bei unzureichendem prophylaktischem Erfolg ist die Anhebung des Serumspiegels innerhalb des therapeutischen Bereichs, bei Nebenwirkungen ein Absenken. Nur zur akut antimanischen Behandlung sind höhere Serumspiegel bis 1,0/1,2 mmol/l indiziert. Über 1,2 sollte der Spiegel nicht liegen, weil eine Intoxikation mit dem Risiko dauerhafter Schäden (Niere, Kleinhirn) resultieren könnte.

Zoom Image
Die International Group for The Study of Lithium Treated Patients besuchte 2018 die chilenische Atacama-Wüste, in der Lithium abgebaut wird. (Quelle: © T. Bschor, Berlin)

Muss ich Angst vor einer Li-Therapie haben?

Nein! Die Li-Behandlung ist erlern- und sicher durchführbar. Während Antidepressiva und Neuroleptika sehr ähnliche pharmakologische Wirkungen haben, bietet Li den Patienten eine neue Option und führt häufig zu einem sehr eindeutigen Ansprechen. Psychiater sollten stolz darauf sein, die Kunst der Li-Therapie zu beherrschen. Die Risiken einer Li-Therapie wurden in zurückliegenden Jahren von verschiedenen Stellen übertrieben, was nicht dazu führen darf, Patienten mit rezidivierender bipolarer Erkrankung oder therapieresistenter Depression diese Chance vorzuenthalten.

Prof. Dr. Tom Bschor, Berlin



Publication History

Article published online:
09 March 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany