Zeitschrift für Palliativmedizin 2020; 21(06): 296-299
DOI: 10.1055/a-1272-9039
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Doppelkopf: Christian Junghanß und Carolin Schneider

Christian Junghanß

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Zur Person

Christian Junghanß, geboren am 27.04.1969 als das mittlere von drei Kindern. Geboren in Schwaben, hat seine Familie in seiner kleinsten Kindheit in München gewohnt, um dann über Karlsruhe nach Norddeutschland (Ganderkesee, Niedersachsen, ab dem 6. Lj.) umzuziehen. Er bezeichnet sich daher als „Norddeutscher“. Es folgte das Medizinstudium an der Medizinischen Hochschule Hannover (1988–1994), welches u. a. durch verschiedene Auslandsaufenthalte flankiert wurde. Besonders prägend war das Praktische Jahr an einem der weltgrößten Krebszentren (Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York), da er in dieser Zeit viel Kontakt mit unheilbar kranken Krebspatienten hatte. Sein Handeln ist wesentlich durch den frühen Tod der beiden Eltern beeinflusst. Seit 1995 erfolgte die Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin in Rostock, unterbrochen durch einen DFG-Forschungsaufenthalt am Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle (USA). Es folgten Positionen als Oberarzt, Juniorprofessor, W2-Professor und seit 2015 als Direktor der Klinik für Innere Medizin III (Hämatologie und Onkologie und Palliativmedizin) – allesamt an einer der ältesten Nordeuropäischen Universitäten in Rostock (1419 gegründet). Er war wesentlich an der Implementierung der palliativmedizinischen Lehre im Jahr 2006 und an der Gründung der Palliativstation im Jahr 2009 an der Universitätsmedizin Rostock beteiligt. Er ist begeisterter Hochschullehrer und freut sich sowohl über die tollen Medizinstudenten als auch über die anderen Auszubildenden, die an der Universitätsklinik tätig sind. Christian Junghanß hat Funktionen in verschiedenen Fachgesellschaften (DGHO, DGP, Ostdeutsche Studiengruppe für Hämatologie und Onkologie, Krebsgesellschaft) inne.

Er lebt mit seiner Familie in der wunderschönen Hansestadt Rostock, hat eine wunderbare Ehefrau und 3 Kinder (16, 16, 20). Während die älteste Tochter schon studiert, stellt die gegenwärtige Pubertät der Zwillinge seine Ehefrau und ihn täglich vor neue Herausforderungen …

Wie kamen Sie in Ihr jetziges Tätigkeitsfeld?

Ich denke durch eine Reihe von glücklichen Zufällen. Es hat sich eigentlich schon im Verlauf des Studiums herauskristallisiert. Mir war sehr schnell klar, dass ich gerne im Bereich der „sprechenden Medizin“ tätig werden würde. Ich hatte dann im Untersuchungskurs einen sehr guten Lehrer (Prof. Dr. Freund), der mich für das Fach der Inneren Medizin begeistert hat. Krebserkrankungen und Sterben haben in meiner Familie eine besondere Bedeutung. So habe ich in der Folge zunächst eine Doktorarbeit im Bereich der Onkologie begonnen. Einen Teil meines praktischen Jahrs habe ich dann an einer großen Krebsklinik (MSKCC) in New York absolviert und das hat mich in meinem Wunsch bestärkt, Onkologe zu werden. Ich habe dann meine klinische Weiterbildung in Rostock absolviert. Im Verlauf der Jahre ist mir das Mangelangebot an palliativmedizinischen Leistungen und fehlendes Wissen diesbezüglich in der modernen Medizin immer deutlicher bewusst geworden. Wir haben dann begonnen, zunächst palliativmedizinische Vorlesungen für die Studenten zu implementieren und später auch eine eigene universitäre Palliativstation aufzubauen. Zusammenfassend hat sich eigentlich alles immer so zusammengefügt und mein jetziges Tätigkeitsfeld ist mein eigentliches Wunschfeld.

Was wäre für Sie die berufliche Alternative?

Ich war bisher in meinem Berufsleben jeden Tag glücklich mit dem, was ich mache. Insofern denke ich, dass eine berufliche Alternative fast nicht existiert. Das Einzige, was ich mir vorstellen könnte, wäre Bergführer zu sein. Obwohl die höchste Erhebung Mecklenburg-Vorpommerns nur 84 m ist, bin ich als geborener Süddeutscher trotzdem den Bergen sehr verbunden. Ich bin ein begeisterter Skitourengeher und auch im Sommer sehr gerne in den Bergen. Natürlich müsste ich mich sehr stark weiterbilden, aber es wäre für mich beruflich eine Alternative, da ein Bergführer eine optimale Arbeitsplatzbeschreibung hat: Man ist sehr viel an der frischen Luft, hat Raum für Gedanken, lernt neue Menschen und Umgebungen kennen und setzt sich mit den Gefahren sowie den verschiedenen Aspekten der Berge auseinander …

Wie beginnen Sie Ihren Tag?

In der Regel sehr früh und gut gelaunt. Ich stehe um 6:00 Uhr auf, dann gibt es zunächst einen Milchkaffee. Anschließend werden die noch im Haus verbliebenen Jugendlichen – die Zwillinge – geweckt, um dann bei Müsli und dem digitalen Zeitunglesen den Tag zu beginnen. Anschließend geht es per Fahrrad zur Arbeit, egal wie das Wetter ist. In der Klinik probiere ich dann zunächst erstmal, 30 Minuten Mails zu beantworten, um dann in die ersten klinischen Treffen zu gehen. Aber immer öfter laufen die Tage ganz anders ab als geplant.

Leben bedeutet für mich …

… jede Minute bewusst und in Demut wahrzunehmen – den Blick auch für „Alltäglichkeiten“ bzw. „Selbstverständlichkeiten“ zu haben.

Sterben bedeutet für mich …

… das Ende eines Abschnitts und die Hoffnung, dass vielleicht danach noch etwas kommt.

Welches Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?

Ich setze mir eigentlich im Leben keine unbedingten Ziele, sondern bin eher ein „80 %-Mensch“. Ich freue mich, wenn 80 % meiner Ziele eintreten.Privat würde ich mich sehr freuen, wenn ich meine Kinder überzeugen könnte, mich einmal auf eine Himalaya-Trekkingtour zu begleiten. Eine Alpenquerung mit dem Mountainbike wäre ebenfalls sehr schön. Beruflich würde ich mich sehr freuen, wenn aller unnötiger Stress vonseiten der Verwaltung etc. von meinem Team ferngehalten werden würde – genauso wie andere unnütze Stressoren.

Meine bisher wichtigste Lernerfahrung im Leben ist …

…, dass es immer weitergeht, man lebenslang lernen kann und jeder nur mit Wasser kocht. Außerdem: Mit Lachen und Humor geht alles leichter.Oft erfährt man Hilfe aus Bereichen, von denen man keine Hilfe erwartet hat. Das ist besonders in komplexen Situationen erfreulich. Auch wenn alles, was man versucht hat, nicht erfolgreich war, so kann man aus dem Geschehenen lernen, wenn auch manchmal erst mit einem gewissen Abstand. Eine wichtige Lernerfahrung in meinem Leben ist auch, dass nicht jeder vermeintlich Offensichtliches wahrnimmt, und selbst wenn man auf Verborgenes hinweist, nicht jeder dieses wahrnehmen kann oder möchte.

Was würden Sie gerne noch lernen?

Das musische Verständnis. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich irgendwann einmal ein guter Tangotänzer würde. Insgesamt gibt es viele Dinge, die ich gerne noch lernen würde. Von Kleinigkeiten bis zu ganz großen Dingen.

Woraus schöpfen Sie Kraft für Ihre Arbeit?

Die größte Kraft schöpfe ich aus meinem Umfeld – den Menschen um mich herum. Ich freue mich sehr, wenn ich realisiere, dass Situationen, die wir einmal durchdacht, und Handlungen, die wir bewusst implementiert haben, funktionieren. Es gibt mir ferner viel Kraft, wenn ich sehe, dass sich Personen aus meinem Umfeld weiterentwickeln.Ich schöpfe viel Kraft aus meiner Familie und meinen Tätigkeiten außerhalb der Klinik. So genieße ich verschiedene sportliche Aktivitäten (aktiv oder passiv), aber auch das Zusammensein mit Freunden.

Mit wem aus der Welt oder Medizingeschichte würden Sie gerne einmal einen Abend verbringen?

Hermann Hesse. Er hat in seinen Erzählungen sehr viel Platz für Interpretationen gelassen und ich würde mich darüber gerne mit ihm unterhalten. Ich glaube, dass mich das Lesen seiner Bücher, speziell in meiner Jugendzeit, unbewusst sehr geprägt hat.Als Person der Gegenwart würde ich sehr gerne einmal einen Abend mit Donald Trump verbringen, am besten ohne Teleprompter, um zu erkunden, ob er wirklich so ist, wie man meint, dass er ist. (Ich habe schlimmste Ängste.) Wahrscheinlich wäre der erste Abschnitt des Abends sehr kurz, dann können wir uns dem Thema Umweltschutz widmen.

Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich …

… mich gerne in der Mitte einer italienischen Piazza aufhalten und einfach nur Leute beobachten.

Wie können Sie Frau Schneider beschreiben?

Carolin Schneider (Caro) habe ich kennengelernt, als ich mich gegen den Widerstand des Pflegevorstandes mit in die Bewerbungsgespräche für die neu zu gründende Palliativstation der Universitätsmedizin Rostock hineingesetzt habe. Das war damals als übergriffig empfunden worden. Caro überzeugte im Gespräch und seither täglich. Sie war damals eine junge Schwester, die u. a. durch eine extreme Strukturiertheit auffiel. Sowohl wir Ärzte, aber auch die Zivis und andere Pflegende hatten und haben in ihrer freundlichen Art immer wieder eine Stütze und bekommen ferner genaue Hinweise. Sie ist eine extrem lebensfreudige Person, die eine positive Stimmung ausstrahlt. Sie ist sehr offen gegenüber neuen Dingen und sehr transparent in ihrem Vorgehen und hat ein großes Vertrauen, das sie ihrem Umfeld entgegenbringt. Das schafft Sicherheit und macht sie zu einem ganz besonderen Menschen. In jüngster Zeit hat mich die Tatsache begeistert, dass sie sich mit großem Enthusiasmus der Forschung in der Palliativpflege gewidmet hat. Sie ist ein Mensch mit Humor, vielen versteckten Seiten, Pflichtbewusstsein und ist eine Person, mit der man über vieles sprechen kann.

Wie beenden Sie Ihren Tag?

In der Regel lasse ich den Tag mit meiner Familie ausklingen. Da die Kinder nunmehr Jugendliche (Zwillinge) bzw. Erwachsene sind und soziale Medien manchmal gegenüber den elterlichen Gesprächen bevorzugen, beenden wir den Tag häufig in Zweisamkeit bzw. mit Freunden. Ich freue mich, beim Kochen zu entspannen.

Gibt es etwas, das Sie gerne gefragt worden wären oder noch nie gefragt worden sind?

Ja.



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Article published online:
27 October 2020

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