Erfahrungsheilkunde 2021; 70(01): 2
DOI: 10.1055/a-1253-4901
Editorial

Der Mensch ist so alt wie seine Gelenke

Peter W. Gündling

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Leserinnen, liebe Leser,

mehr als 10 Jahre sind mittlerweile vergangen, seit ich diese Überschrift schon einmal über mein Editorial gesetzt habe. Mehr als 10 Jahre, in denen nicht nur die Gelenke der Herausgeber, der Autoren und des Redaktionsteams dieses Heftes – dem ich bei dieser Gelegenheit einmal ganz herzlich für ihre unermüdliche Arbeit danken möchte – um mehr als ein Jahrzehnt gealtert sind, sondern auch die des Großteils unserer Leser. Ob nur chronologisch oder auch biologisch-funktionell, muss ein jeder für sich beurteilen.

Weniger aktuell ist das Thema seitdem jedenfalls nicht geworden. Denn Vieles von dem, was ich damals geschrieben habe, hat sich bis heute nicht geändert: Nach wie vor bevölkern Scharen von Patienten mit Gelenk- und Rückenschmerzen unsere Praxen. Nach wie vor wird orthopädischerseits versucht, diesen Beschwerden mit Schmerzmitteln und Operationen, Steroiden und Gelenkersatz Herr zu werden. Und nach wie vor werden Naturheilverfahren stiefmütterlich behandelt.

Was sich seitdem geändert hat ist, dass Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems bei der Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage nicht mehr auf Platz 1, sondern nur noch auf Platz 2 der Krankheitsstatistiken stehen [1]. Sie wurden mittlerweile von den Depressionen überholt. Ein eher zweifelhafter Erfolg, wie ich finde. Bei der Häufigkeit der Krankschreibungen haben sie im Übrigen ihren 2. Platz verteidigt.

Was sich jedoch ebenfalls geändert – genauer gesagt verbessert – hat, sind die wissenschaftlichen Nachweise zur Wirksamkeit von Naturheilverfahren. Mittlerweile sind es nicht mehr nur Studien zur Akupunktur, die überzeugende Ergebnisse präsentieren, sondern z. B. auch eine ganze Reihe von Untersuchungen zur Effektivität von ausleitenden Verfahren, wie zur Wirksamkeit von Blutegeln, Cantharidenpflastern und speziellen Wickeln – auf die wir auch in diesem Heft eingehen.

Selbst bewegungstherapeutische Verfahren wie die Therapie nach Liebscher & Bracht und die Myoreflextherapie konnten ihre guten Erfahrungen in den letzten Jahren durch kontrollierte Untersuchungen unter Beweis stellen. Und auch davon – und anderen neuen Verfahren wie der Goldimplantation – berichten wir in diesem Heft.

Zusätzlich verändert hat sich aber auch die Anzahl der Sporttreibenden. Laut Statistischem Bundesamt ist die Anzahl der Fitnessstudios in Deutschland von 2009–2019 von 5888 auf 9669 gestiegen. Gleichzeitig sind die Mitgliederzahlen auf ca. 11,7 Mio. angestiegen. Und davon trainieren immerhin 4,4 Mio. Personen mehrmals pro Woche.

Und auch der Trend zum Nordic Walking und zum Joggen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Das zeigen sowohl die Begegnungen in Wald und Flur als auch die Teilnehmerzahlen der großen Volksläufe – zumindest bis vor dem Corona-Lockdown. Wollen wir hoffen, dass sich diese positiven Entwicklungen nicht durch die aktuelle Misere bremsen lassen. Denn körperliche Aktivität ist die Grundvoraussetzung für gesunde und gut funktionierende Gelenke.

Doch nicht nur ganz aktuelle Therapieverfahren und deren Ergebnisse, sondern auch Altbewährtes wie die Homöopathie, Akupunktur und Neuraltherapie und Erfahrungen damit sind Bestandteil der folgenden Seiten.

Wie schon vor 10 Jahren wünsche ich Ihnen auch heute, dass Sie wieder viele wertvolle Anregungen finden, um Ihre Gelenkpatienten in Zukunft noch erfolgreicher behandeln zu können.

Herzlichst Ihr
Peter W. Gündling



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Article published online:
19 February 2021

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