Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2020; 27(05): 243-246
DOI: 10.1055/a-1231-3194
Gesellschaft
DFR
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsche Fachgesellschaft für Reisemedizin e. V.

Burkhard Rieke
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
26. Oktober 2020 (online)

23. Jahrestagung der DFR in Coburg

Eine Jahrestagung im Coronajahr – das bedarf der Begründung, wie der Präsident in seiner Eröffnungsansprache betonte. Die wesentlichen Argumente für eine Präsenzveranstaltung, die erste auch im Kongresshaus Coburg nach Monaten der Pause, waren vor allem die folgenden Überlegungen:

  • Wir sind überzeugt, dass diszipliniert durchgehaltene Schutzmaßnahmen auch wirken.

  • Gerade die Erfahrung zahlreicher Onlinemeetings und -seminare hat uns gezeigt, wieviel Mehrwert durch persönliche Treffen und durch Austausch am Rande des offiziellen Programms entsteht.

  • Veranstaltungshaus, Hotels und Restaurants, unsere Vertragspartner, können sich bemühen, wie sie wollen, sie hören zurzeit nur noch das Wort Stornierung. Hier ist auch eine gewisse Solidarität gefragt.

Und so fand denn die Jahrestagung mit Einbahnregelungen, nummerierten Plätzen und begrenzter Teilnehmerzahl (daher Warteliste!) statt – aber sie fand statt ([ Abb. 1–4 ])! Besonders gefreut hat uns die große Zahl studentischer Teilnehmer und die erneut gut besetzte Posterpräsentation.

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Abb. 1–4 Die 23. DFR-Jahrestagung im Kongresshaus Rosengarten, Coburg, unter Beachtung der Coronaregeln: Fachlicher und privater Small Talk bei herrlichstem Wetter in den Pausen, Teilnehmer in den Vorträgen des Hauptprogramms sowie beim Stadtrundgang im Rahmen des Gesellschaftsabends.
Quellen: DFR

Workshops für Ärzte und Studierende

Dem Hauptprogramm voraus gingen wieder die interaktiven Workshops für Ärzte bzw. Studierende, die in bewährter Weise von den Kollegen Klinsing (Frankfurt) und Wallacher (Ludwigshafen) bzw. Prof. Küpper (Aachen/Düsseldorf) gestaltet wurden ([ Abb. 5, 6 ]).

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Abb. 5, 6 Aufmerksame Teilnehmer des Studentenseminars (oben) und des interaktiven Workshops für Ärztinnen und Ärzte (unten).
Quellen: DFR

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Hauptprogramm

Onkologische Patienten auf Reisen

Erster Referent war dann erneut Herr Wallacher mit einem Beitrag zu onkologischen Patienten auf Reisen, die – neben offensichtlichen Besonderheiten im Versorgungsbedarf – ein sehr unterschiedliches Spektrum an Reisemotiven haben, unerfüllte Wünsche, Stationen der eigenen Biografie oder andere Sehnsuchtsorte. Reisen bedeuten hier unmittelbar auch Lebensqualität, oft eben für einen letzten Lebensabschnitt.


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Weltseuchenlage

Prof. Haditsch (Leonding/Hannover) sprach dann zu einigen wesentlichen Aspekten der Weltseuchenlage, erläuterte Implausibilitäten im Umgang mit COVID-19 und in den Statistiken dazu, kritisierte den Umgang mit den Testverfahren und ging auf Ebola, Tollwut, MERS-CoV und Leptospiren als weitere Erkrankungen mit besonderem Bedrohungspotenzial ein. Kurze Berichte gab er auch zu aktuellen FSME-Fallzahlen, der Ausweitung von CHIK, WNV und anderen.


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Arzneimittelinteraktionen, Einfluss zirkadianer Rhythmen

Viel Interesse weckte auch der Beitrag von Prof. Voigt, Göttingen, zu Arzneimittelinteraktionen. Neben der Erläuterung klassischer Interaktionen (Sildenafil/Nitrate, ß-Blocker/Ca-Antagonisten, Doxy/Ca++) und einem Experiment mit Promethazin im Tee resümierte er die Funktionsweisen und Störungen von P-gp und Cyp 3A4 und verwies auf Internetseiten und Apps, mit denen ein rascher Abgleich möglich ist.


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Schnelltests auf CoV-2-Antigene

Herr Rieke (Düsseldorf) ging dann auf die mögliche Rolle von Schnelltests auf SARS-CoV-2-Antigene im Abstrich ein. PCR-Tests sind teuer, dauern einschließlich Proben- und Ergebnislogistik lange und reagieren auch auf irrelevant niedrige RNA-Mengen. Wenn in Zukunft Tests als Voraussetzung für Langstreckenflüge oder Theaterbesuche verlangt werden, so könnten Schnelltests wie die 4 vorgestellten dabei trotz Grenzen der Sensitivität eine Rolle spielen.


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Aktuelles zu reisemedizinisch relevanten Impfungen, Malariachemoprophylaxe

Auch der Samstag wurde von Herrn Rieke eröffnet, mit dem Versuch, in Kürze die wesentlichen Neuigkeiten rund um Impfungen und die Malariaprophylaxe zusammenzufassen. Dabei ging es um die in Entwicklung befindlichen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, Dengue und Zika, vor allem aber um STIKO-Änderungen, die GKV-Kostenübernahme für dienstliche Reiseimpfungen, die Lage bei Polio und FSME und die Malariasituation. Tafenoquin ist eine in den USA zur Prophylaxe zugelassene neuere Substanz. Die Entstehung von Malariakarten und die Grundannahmen in Prophylaxeempfehlungen wurden angesprochen.


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Reisemedizinisch relevante Parasitosen in der Hausarztpraxis erkennen und behandeln

Frau Jordan (Hamburg) rekapitulierte Parasitosen vom Sandfloh bis zur Hautleishmaniose, wie sie sich in der Praxis darstellen können und die zur Differenzierung sinnvollen Tests. Neue Entwicklungen gibt es bei der Behandlung resistenter, meist südasiatischer Lamblien mit Quinacrine. Sie schloss mit dem tragischen Fall einer Patientin, die ihre empfohlene und rezeptierte Malariaprophylaxe aus Sorge vor Nebenwirkungen nicht genommen und durch eine sogenannte homöopathische Prophylaxe ersetzt hatte – sie starb nach Rückkehr aus Togo an einer fulminanten Malaria tropica.


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Diabetes und Kraftverkehr

Im anschließenden Beitrag von Herrn Rinnert, Köln, ging es um die Sicherheit eines Diabetikers als Fahrer eines Kfz. Unfallgefahren sind vor allem nach Hypoglykämien und bei Hypowahrnehmungsstörungen beschrieben. Ein Training dieser Wahrnehmung ist in Grenzen möglich. Somit ist eine Protokollierung des BZ und der Insulindosierung auch für die Klärung einer Unfallverantwortung sinnvoll. Neuere technische Hilfen zur Pumpensteuerung durch einen Glukosesensor („closed loop“) und die Beurteilung der Einstellungsgüte durch Apps, die den Sensor-Messwertverlauf auswerten, wurden detailliert angesprochen.

PREISE UND EHRUNGEN

Preisverleihungen


Ein besonderer Höhepunkt der DFR-Jahrestagung waren die Verleihung der Posterpreise ([ Abb. 7–9 ]) und des Erich-Kröger- und Klaus-Jörg-Volkmer-Preises ([ Abb. 10 ]).

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Abb. 7–9 Prof. Küpper übergibt die Posterpreise an Fr. Dr. M. Konner, Bergisch-Gladbach (oben links) und an Fr. Ch. Saretzki, Aachen (oben rechts), Preisträgerinnen der gut besetzten Posterpräsentation (unten).
Quellen: DFR
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Abb. 10 Dr. Rieke überreicht den Kröger-Volkmer-Preis 2020 an Fr. Ch. Saretzki, Aachen.
Quelle: DFR

Ehrenvorsitz


Prof. Robert Steffen, Zürich, der neue Ehrenvorsitzende der DFR, wurde geehrt ([ Abb. 11, 12 ]). Prof. Küpper hielt die sehr persönliche Laudatio auf ein grandioses Lebenswerk.

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Abb. 11, 12 Der neue Ehrenpräsident Prof. Dr. R. Steffen, Zürich, bei seinem Dank an die Gesellschaft. Präsident (Dr. Rieke, rechts) und der Vizepräsident (Prof. Dr. Küpper, Mitte) gratulieren Prof. Dr. R. Steffen zur Ehrenpräsidentschaft.
Quellen: DFR

1000. DFR-Mitglied


Die Anzahl der DFR-Mitglieder ist weiter gewachsen und ist nun 4-stellig. Das 1000. Mitglied der DFR wurde im Rahmen der Jahrestagung begrüßt ([ Abb. 13 ]).

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Abb. 13 Dr. Rieke begrüßt das 1000. Mitglied der DFR: Dr. Martina Tüxen-Mengedoht.
Quelle: DFR

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Notfälle bei Erwachsenen an Bord eines Flugzeugs

Notfälle im Flugzeug behandelte anschließend Prof. Hinkelbein, Köln, und ging von den Statistiken aus. Wer 24 Interkontinentalflügen macht, ist mit 95 %-Sicherheit mit einem Notfall an Bord konfrontiert. Zwei Drittel sind Verschlechterungen vorbekannter Erkrankungen. In 80 % der Fälle ist bei europäischen Luftlinien ein Arzt an Bord, aber nur in ein Drittel der Fälle ist die Ausstattung für eine CPR dabei, die an Bord wegen Enge, schlechtem Licht und Geräuschkulisse ohnehin schwerfällt. Ein AED ist nicht verpflichtend, ohnehin gibt es über Minimalstandards hinaus große Ausstattungsunterschiede. Der Referent wies auf Haftungsrisiken bei Airlines aus anderen Ländern und bei Medikamenten unklarer Provenienz besonders hin.


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Seroepidemiologie von Chikungunyainfektionen

Frau Saretzki, Aachen, Preisträgerin des Erich-Kröger- und Klaus-Jörg-Volkmer-Preises, berichtete über ihre Forschungen zur Seroepidemiologie der Chikungunyainfektion in Vanuatu und auf den Cook-Inseln. Die Unterschiede sind auf den Vektor, das Siedlungsverhalten der Bevölkerung, die touristischen Außenkontakte und schließlich den zirkulierenden Virussubtyp zurückzuführen und haben Implikationen für die Krankheitsbekämpfung und die Reiseberatung.


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Kreuzfahrten in Zeiten von COVID-19

Prof. Petutschnigg, Graz, referierte anschließend zu den Rahmenbedingungen von Kreuzfahrten in Zeiten von COVID-19. Er erläuterte die Maßnahmen der Branche und insbesondere von TUI Cruises zur Vermeidung von Infektionen an Bord. Gesundheitsfragebögen, Temperaturmessungen, Abstand durch Minderauslastung und besondere Regelungen in Restaurants, Sauna und Fitnesscenter gehören zu den Vorkehrungen. Aktuell gibt es keine Landausflüge, die Möglichkeit dafür am Golf wird gegenwärtig geprüft. Seit dem 04.09.2020 ist ein negativer Corona-PCR-Test Voraussetzung für die Mitfahrt.


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Aktuelles aus der reisemedizinischen Forschung

„Aktuelles aus der reisemedizinischen Forschung“ hieß dann das Referat unseres neuen Ehrenvorsitzenden Prof. Steffen. Er stellte die gegenwärtigen und neuen Optionen zur Behandlung der Reisediarrhö vor dem Hintergrund einer zunehmenden mikrobiellen Multiresistenz zusammen, wobei die Zeit des Ciprofloxacin abgelaufen ist, ging auf die divergierenden Befunde und Ratschläge zum Coronaschutz auf Reisen ein und empfahl eine Kombination aus Vorsicht und Ermutigung als den Mittelweg. Die Diskussion um einen „game changer“ für COVID-19 ist im Gange, Impfungen können ein Weg sein, Immunitätsnachweise sind es nicht. Der Tollwutschutz vor Reise und ggf. dann eine Denguevakzine könnten die Hepatitis A in ihrer Bedeutung bald ablösen.


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Pandemien – sind wir ausreichend vorbereitet?

Prof. Küpper stellte den bisherigen Verlauf der COVID-19-Pandemie zusammen und verwies auf die deutlich verspätete und teils denkbar schlechte Reaktion auf das Bekanntwerden der ersten Infektionen. Aber es gab auch pragmatische Reaktionen wie die Open-source-Pläne für ein einfaches Beatmungsgerät aus dem 3D-Drucker, die Aachener Studenten entwickelten, oder die Selbstherstellung von Desinfektionsmitteln.


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Einladung DFR-Tagung 2021

Unter ungewöhnlichen Rahmenbedingungen ergab sich so ein rundes Themenspektrum, für dessen Zusammenstellung Prof. Schmolz, Prof. Küpper und den Konferenzorganisatorinnen herzlich gedankt wurde ([ Abb. 14 ] , [ 15 ]). Die Veranstaltung macht jedenfalls Lust auf die 24. DFR-Jahrestagung in Bremerhaven, die am 17. und 18.09.2021 stattfinden soll.

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Abb. 14 „Drei gute Feen“ bieten besten Service am Conference Desk.
Quelle: DFR
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Abb. 15 Der Präsident dankt allen Mitarbeiterinnen der Konferenzorganisation für ihre engagierte Arbeit (v.l.n.r.: Dr. Rieke, Fr. Bergmann, Fr. Führer, Fr. Braun).
Quelle: DFR

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