Sportphysio 2020; 08(04): 164-168
DOI: 10.1055/a-1203-7150
Research

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Erhöhtes Verletzungsrisiko nach Corona-Pause bei Kontaktsportarten

Die derzeitige COVID-19-Pandemie hat in vielen Sportarten zu Trainingsunterbrechungen geführt. Es ist unwahrscheinlich, dass Athleten in dieser Zeit in irgendeiner Form gemeinsam als Mannschaft trainieren konnten, Zugang zu Trainingseinrichtungen oder öffentlichen Turnhallen hatten oder routinemäßig auf Trainer-, Fitness- und medizinisches Personal zurückgreifen konnten. Das Hauptproblem bestand und besteht darin, wichtige körperliche, spielspezifische- und Entscheidungsfähigkeiten zu trainieren, um die Leistung hoch und das Verletzungsrisiko bei der Wiederaufnahme von Training und Wettkampf gering zu halten.

Mit dem Schwerpunkt auf Rugby war es daher das Ziel dieses Reviews, die verfügbaren Erkenntnisse in Bezug auf mögliche Veränderungen der körperlichen Fähigkeiten und Funktionen, Strategien zur Begrenzung dieses Funktionsverlusts, Übertragung der Ergebnisse auf andere Kollisionssportarten zusammenzufassen und praktische Empfehlungen, die sich auf die Wiederaufnahme dieser Sportarten nach einer längeren Trainingspause konzentrieren, zu geben. Herausforderungen und praktische Empfehlungen der Autoren für den Sport während und nach COVID-19 fasst [ Tab. 1 ] zusammen.

Tab. 1

Herausforderungen und Empfehlungen für den Sport während und nach COVID-19 (nach Stokes et al. 2020).

Schwerpunktbereich

Herausforderungen als Folge der Trainingsbeschränkung

Praktische Empfehlungen

KG = Körpergewicht, RTP = Return to Play

Körperliche Fähigkeiten

  • variabler Zugang zu Trainingseinrichtungen (Ausrüstung und/oder Raum)

  • Fähigkeit, unter schweren Bedingungen zu trainieren

  • Kraftrückgang bei Einschränkungen, >12 Wochen

  • geringere Belastbarkeit bei bestimmten Aktivitäten

  • periodisierte und geplante Trainings durchführen und Hochgeschwindigkeitsläufe und Sprints beibehalten

  • Training bis zum Muskelversagen mit geringeren Gewichten

  • exzentrische Muskelaktionen und plyometrisches Training, um neuromuskuläre Leistung zu erhalten und zu verbessern

  • Schwächen identifizieren und korrigieren, um Verletzungsrisiko zu verringern

  • frühestmögliche Aufnahme des Krafttrainings im Fitnessstudio

  • Hypertrophietraining bei signifikanten Muskelmasseverlusten

Durchführung von Fertigkeiten und sportspezifischen Aktionen

  • Mangel an bewusster oder individueller fähigkeitsbasierter Praxis

  • mangelnder Wettbewerbsdruck

  • kognitivgestützte Techniken (mentale Bilder und videobasierte Beobachtungen)

  • technisch fokussiertes Training

  • Weiterentwicklung aller Schlüsselaktivitäten von geplanten/vorhersehbaren zu reaktiven Übungen

Psychologisches Wohlergehen und mentale Stärke

  • Isolation und „Eingeschlossensein“

  • psychologische Auswirkungen der Dekonditionierung

  • immunsuppressive Wirkung von chronischem Stress

  • Betreuungsnetzwerke zur Verfügung stellen, die Athleten helfen, mit möglichen negativen psychologischen Erfahrungen während und nach einer Isolationszeit umzugehen

  • Teambuilding und sozialen Aktivitäten

  • Einbau von Ruhezeiten in die Trainingsroutine

Ernährung

  • reduzierter/veränderter Energieverbrauch

  • Notwendigkeit der Ernährung zur Unterstützung der Immunfunktion

  • Beibehaltung sportartspezifischer Körperkompositionen

  • Beurteilung des täglichen Energieverbrauchs und bei Bedarf Ernährungsumstellung

  • Periodisierung der Kohlenhydrate (und damit der Kalorien)

  • proteinreiche, leucinreiche Ernährung (0,4 g/kg KG pro Mahlzeit regelmäßig über den Tag verteilt)

  • Sonnenlicht oder Supplementation von 1000–4000 Einheiten pro Tag Vitamin D3

  • Supplementation mit 500–1000 mg Vitamin C erwägen sowie Probiotika zur Unterstützung bei Immunresistenz und -toleranz

Management des Verletzungsrisikos

  • verminderte schützende Kraftqualität und Leistungsfähigkeit

  • reduzierte Trainingsintensität und -umfang

  • weniger Möglichkeiten für strukturierte und angeleitete Prähabilitations- und Rehabilitationsprogramme

  • Konzentration auf bekannte Schwächen (körperliche und/oder technische)

  • Einsatz von physischen und psychologischen Screening-Instrumenten, um individuelles Trainingsprogramm bereitzustellen

  • Hochgeschwindigkeitsläufe

  • Trainingsbelastungen schrittweise erhöhen und Belastungsspitzen vermeiden

  • 6-wöchiger Trainingsblock ist für professionelle Rugbyspieler wahrscheinlich ausreichend, um physiologische Anpassungen durch Dekonditionierung wieder rückgängig zu machen.

Management von Verdachtsfällen

  • hohes Übertragungsrisiko

  • Mangel an verfügbaren wissenschaftlichen Beweisen und Verständnis des neuartigen Virus

  • Risikostratifizierung bei den Spielern und individuell abgestufte Rückkehr zur Aktivität/zum Spiel

  • physiologische Marker und andere Indikatoren für eine reduzierte kardiopulmonale Funktion bewerten und überwachen

  • Athleten mit bestätigter oder vermuteter COVID-19-Infektion sollten 7 Tage lang symptomfrei sein, RTP frühestens am 10. Tag danach.

  • kardiologische Untersuchung vor RTP in Betracht ziehen

FAZIT

Wegen der Corona-Pandemie können ohne gezielte Intervention, tiefgreifende Veränderungen auftreten. Es gibt jedoch Strategien, die potenziellen Leistungsverluste drastisch zu mindern. Angesichts der Herausforderungen, die mit der Isolation und einer Änderung der regelmäßigen Trainingsroutine verbunden sind, benötigen Athleten möglicherweise auch psychologische Unterstützung. Erfreulicherweise dürfte eine Vorbereitungszeit von etwa 6 Wochen für die meisten Athleten ausreichen, um wieder wettkampffähig zu werden, obwohl dies letztlich von der Dauer der Isolation abhängt.

AUF EINEN BLICK

Design: Systematisches Review

Teilnehmer: Profi-Rugby-Spieler (und andere Athleten aus dem Bereich der Kollisionssportarten), die aufgrund der COVID-19-Pandemie keinen bzw. wenig Zugang zu ihrer herkömmlichen Trainingspraxis hatten und nun zum Sport/Wettkampf zurückkehren

Parameter: personen- und umweltbezogene Faktoren

Resultate: Der Rückgang physischer und psychischer Eigenschaften kann sich auf die Leistung und das Verletzungsrisiko bei der Wiederaufnahme von Training und Wettkampf negativ auswirken; bei entsprechendem Management ist es jedoch möglich, von einer seltenen Gelegenheit zur längeren Erholung zu profitieren und den Athleten die Möglichkeit zu geben, viele Aspekte der physischen und psychischen Funktion zu erhalten und sogar zu entwickeln.

Katrin Veit

Stokes KA, Jones B, Bennett M et al. Returning to Play after prolonged training restrictions in professional collision sports. Int J Sports Med. 2020; doi:10.1055/a-1180–3692

LINK ZUR STUDIE

Unter folgendem Link finden Sie die Studie: https://bit.ly/RTP_Rugby



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. September 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York