Nervenheilkunde 2020; 39(12): 780-790
DOI: 10.1055/a-1193-8611
Editorial

Eine Gesundheit

Manfred Spitzer

One Health („eine Gesundheit“) ist eine von der Vereinigung amerikanischer Tierärzte (American Veterinary Medical Association, AVMA) im Jahr 2008 ins Leben gerufene Initiative [32], deren Ziel es ist, die Gesundheit der Menschen, der Tiere und des Planeten Erde multidisziplinär und mit einem alle 3 Bereiche zugleich umfassenden Blick zu betrachten. Das ist beispielsweise bei Krankheiten sehr sinnvoll, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden – man nennt sie seit Mitte des vorletzten Jahrhunderts mit Rudolf Virchow Zoonosen. Wenn man zusätzlich zu den Infektionswegen, der Biochemie und den unterschiedlichen Lebensphasen vieler Krankheitserreger noch deren Lebensräume (irgendwo auf der Welt) und unseren Lebensraum (überall auf der Erde) mit in Betracht zieht, dann folgt der Grundgedanke von One Health fast schon mit zwingender Logik: Mensch, Tierwelt und Lebensraum Erde hängen zusammen.

Daher ist dieser Grundgedanke auch nicht auf die USA beschränkt geblieben. Vielmehr haben sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organization, FAO) und die Weltorganisation für Tiergesundheit (World Organisation for Animal Health, OIE) diesen Gedanken zu eigen gemacht ([ Tab. 1 ]). Auch die US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und das Deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) haben One Health jeweils zu einem ihrer Leitthemen gemacht ([ Abb. 1 ], [ Abb. 2 ]). Die zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IMBES) geht nicht zuletzt auf die Gründer von One Health und deren Idee zurück.

Tab. 1

Wichtige Organisationen und Einrichtungen für den One-Health-Gedanken, der auf den Homepages der Institutionen prominent vertreten wird.

Wer

Gründung

Sitz

Mitgliedsstaaten

Besonderes

WHO

7.4.1948

Genf

194

Weltgesundheitsorganisation, (WHO, World Health Organization), Organ der vereinten Nationen (UN) für weltweite Gesundheit.

FAO

16.10.1945

Rom

194

Weltweite Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (Food and Agriculture Organization) der UN, im deutschen Sprachraum als Welternährungsorganisation bezeichnet.

OIE

25.1.1924

Paris

182

Der ursprüngliche Name war Office International des Epizooties (französisch), 2003 umbenannt in World Organization for Animal Health; das alte Akronym und der Sitz in Paris wurden beibehalten.

CDC

1.7.1946

Atlanta1

USA

Centers for Disease Control and Prevention, Gesundheitsbehörde der USA, ursprünglich als Office of National Defense Malaria Control Activities gegründet, umbenannt am 27.10.1992.

RKI

1.7.1891

Berlin

Deutschland

Das Robert-Koch-Institut wurde als Königlich Preußisches Institut für Infektionskrankheiten gegründet und die ersten 13 Jahre von Robert Koch geleitet. Im Jahr 1912 erhielt es (zum 30. Jahrestag der Entdeckung des Tuberkel-Bazillus) den Namenszusatz „Robert Koch“, nach dem Ersten Weltkrieg verschwand „Königlich“ aus dem Namen und im Jahr 1942 als selbstständige „Reichsanstalt“ den heutigen Namen.

IPBES

21.4.2012

Bonn

136

Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES), zu Deutsch: Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen, auch Weltbiodiversitätsrat oder Weltrat für Biologische Vielfalt genannt. Die Organisation unter dem Dach der UN hat 136 Mitgliedsstaaten. Ihre Aufgabe ist die wissenschaftliche Politikberatung in Sachen Nachhaltigkeit, biologische Vielfalt und „Ökosystemdienstleistungen“.

IUCN

5.10.1948

Gland

208

International Union for Conservation of Nature (IUCN), zu deutsch: Internationale Union zur Bewahrung der Natur. Die IUCN ist eine zwischenstaatliche Organisation, die sich sowohl aus staatlichen als auch zivilgesellschaftlichen Mitgliedsorganisationen zusammensetzt. Sie macht sich die Erfahrung, die Ressourcen und die Reichweite ihrer mehr als 1400 Mitgliedsorganisationen und den Input von mehr als 17000 Experten zunutze. Diese Vielfalt und das große Fachwissen machen die IUCN zur weltweiten Autorität für den Status der natürlichen Welt und die zu ihrem Schutz erforderlichen Maßnahmen.

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Abb. 1 Faksimile (Screenshot) eines Ausschnitts der Webseite des CDC zum Thema One Health (https://www.cdc.gov/onehealth/what-we-do/zoonotic-disease-prioritization/fact-sheet.html; abgerufen am 10.10.2020).
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Abb. 2 Faksimile (Screenshot) eines Ausschnitts der Webseite des RKI zum Thema One Health (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Antibiotikaresistenz/One-Health/One_Health-Konzept.html; abgerufen am 10.10.2020)

Aufgrund der Ausweitung des globalen Reiseverkehrs [9], [12], [39] und Handels [10], [20] wird die Gesundheit zu einem Problem, das sich ebenfalls nur global lösen lässt. Daher sind Zusammenarbeit, Koordination, Kommunikation und konzertierte Aktionen zwischen unterschiedlichen Ländern und Sektoren des Gesundheitswesens, der Veterinärmedizin und der Ökologie unbedingt erforderlich – aber schwierig. Man spricht mittlerweile von der „Schnittstelle Mensch-Tier-Umwelt“ [11], wie beispielhaft anhand dreier Problemkreise leicht zu zeigen ist:



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Article published online:
14 December 2020

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