Nervenheilkunde 2020; 39(11): 750-751
DOI: 10.1055/a-1193-8314
Gesellschaftsnachrichten

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V.

Joachim Sproß

DGM-Patientenlotsen neu an 5 Neuromuskulären Zentren

Neuromuskuläre Zentren (NMZ) sind für Muskelkranke wichtige Anlaufstellen. Für die zumeist in ihrer Mobilität eingeschränkten Patienten ist die angebotene interdisziplinäre Versorgung von der anspruchsvollen Diagnosestellung bis zur medizinisch-therapeutischen Unterstützung jedoch oft mit einem großen Aufwand und Wartezeiten verbunden. Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM) initiierte das erfolgreich gestartete Pilotprojekt „DGM-Patientenlotse“. 5 NMZ werden Case-Manager mit jeweils einer halben Personalstelle zur Verfügung gestellt. In einem Bewerbungsverfahren wurden die Klinken in Essen, Heidelberg, Leipzig, Jena und Göttingen ausgewählt. Ein Novum ist die beispielhafte Förderung: 5 Pharmaunternehmen sowie eine Privatperson engagieren sich gemeinsam für das Projekt.

Komplexe Behandlung muskelkranker Patienten

Von der ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), SMA (Spinale Muskelatrophie) oder einer anderen neuromuskulären Erkrankung betroffene Menschen benötigen eine intensive medizinisch-therapeutische Versorgung. Diese erfordert, dass neben der Neurologie Fachrichtungen wie Kardiologie, Pulmologie, Orthopädie und Radiologie sowie physiotherapeutische und weitere Fachkräfte in die Diagnostik und Behandlung einbezogen werden. Zudem handelt es sich bei den bekannten rund 800 Muskelkrankheiten jeweils um seltene Erkrankungen, die im Rahmen eines NMZ nur von einzelnen qualifizierten Fachpersonen behandelt werden. Die klinische Konsultation ist für Muskelkranke deshalb mit erheblichem administrativem, koordinativem und organisatorischem Aufwand verbunden. „Lange Wartezeiten auf Untersuchungen sowie mehrere Anreisen zu einzelnen Terminen sind Alltag. Dies verzögert für die Betroffenen die therapeutische Behandlung und die Linderung ihrer Beschwerden. Hier greift die Idee des Projekts, den Patientenkomfort zu steigern,“ so DGM-Bundesgeschäftsführer Joachim Sproß.

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DGM-Patientenlotse am NMZ Leipzig, v. l. n. r.: PD Dr. Petra Baum (Sprecherin des Muskelzentrums Leipzig), Monika Robitzsch (Vorsitzende DGM-Landesverband Sachsen), Eike Hänsel (DGM-Patientenlotsin, Leipzig), Katharina Kohnen (Mitglied im DGM-Bundesvorstand). Quelle: DGM

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DGM-Patientenlotsen als Case-Manager

Die Patientenlotsen sind Ansprechpartner, Vermittler sowie Koordinatoren innerhalb der NMZ. Sie organisieren interdisziplinäre Konsultationen und leiten Patienten zu den notwendigen Stellen. Ihr Vorteil sind die kurzen Wege zu den einzelnen involvierten Personen und Abteilungen. Da die Lotsen administrative und organisatorische Aufgaben übernehmen, kann sich das medizinische Personal auf seine eigentlichen Aufgaben in der medizinisch-therapeutischen Versorgung konzentrieren. Patientenlotsin Heike Matzkuhn startete am 1. Juli 2020 am NMZ Rhein-Neckar. „Durch das passgenaue Behandlungs- und Versorgungssetting sollen sich nicht nur Patientenkomfort und Kommunikation verbessern, sondern auch Wartezeiten für neuromuskulär erkrankte Menschen abgebaut werden, “ so Dr. Urania Kotzaeridou, Sprecherin des NMZ Rhein-Neckar, bei der Eröffnung der Lotsenstelle. „Eine enorme Entlastung für uns Medizinerinnen und Mediziner“, beschreibt die Neurologin und Vorsitzende des NMZ Leipzig, PD Dr. Petra Baum. Die Leipziger Patientenlotsin Eike Hänsel, bereits seit Projektbeginn im April 2020 im Einsatz, ergänzt: „Die Kontakte und viele Rückmeldungen lassen jetzt schon den großen Vorteil für die Patienten erkennen.“ Auch den NMZ in Göttingen und Jena haben Sigrid Blitz und Barbara Wolfram ihre Arbeit unterdessen erfolgreich aufgenommen. Der Einsatz der DGM-Patientenlotsen wird in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg fortlaufend evaluiert und dokumentiert. Ziel ist, dass die Tätigkeit der Case-Manager nach Abschluss des Projekts in die Regelversorgung eingeht.

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Abb. 2 DGM-Patientenlotse am NMZ Leipzig, v. l. n. r.: PD Dr. Petra Baum (Sprecherin des Muskelzentrums Leipzig), Monika Robitzsch (Vorsitzende DGM-Landesverband Sachsen), Eike Hänsel (DGM-Patientenlotsin, Leipzig), Katharina Kohnen (Mitglied im DGM-Bundesvorstand). Quelle: DGM
ZUR INFO

Patientenlotsen in der Medizin

Zahlreiche Akteure im Gesundheitswesen befürworten eine Implementierung von Patientenlotsen. In der Schlaganfallmedizin, der Onkologie sowie weiteren Disziplinen werden sie bereits eingesetzt. Neu ist bei dem Projekt DGM-Patientenlotse die Ausgestaltung des Angebots aus Selbsthilfesicht, also von Betroffenen für Betroffene.

Leben mit einer Muskelerkrankung

  • Aufgrund der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen suchen Betroffene oft jahrelang nach einer Diagnose.

  • Muskelmasse und -kraft nehmen je nach Erkrankung bis zur vollständigen Bewegungsunfähigkeit ab.

  • Die Auseinandersetzung mit der Diagnose ist eine extreme psychische Belastung für Betroffene und ihre Angehörigen.

  • Bei bestimmten Erkrankungsformen ist mit einer verkürzten Lebensdauer zu rechnen.

  • Je nach Erkrankungsform treten Muskelerkrankungen bereits im Kindes- oder erst im Erwachsenenalter auf. Der Alltag ist häufig nur mit Hilfe zu bewältigen.

  • Um Therapien, Hilfsmittel und andere notwendige Unterstützungen zu erhalten, gibt es oft langwierige Schriftwechsel mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern.


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Publication History

Article published online:
06 November 2020

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