Aktuelle Dermatologie 2020; 46(12): 541-545
DOI: 10.1055/a-1182-8855
Fehler und Irrtümer in der Dermatologie

Mangelnde Nachexzision eines dermatohistologisch suspekten Poroms

Missing Re-Excision of a Dermatohistologically Suspicious Poroma
P. Elsner
1   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
,
M. Peckruhn
1   Klinik für Hautkrankheiten, Universitätsklinikum Jena
,
J. Meyer
2   Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, Hannover
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Zusammenfassung

Von einem niedergelassenen Hautarzt wurde bei einem Patienten eine Hautveränderung im Bereich des Oberschenkels rechts unter dem Verdacht auf einen epidermalen Naevus exzidiert. Dermatohistologisch wurde die Diagnose „ekkrines Porom“ gestellt. Bei gesteigerter Proliferationsaktivität konnte die Dignität jedoch nicht sicher als gutartig bewertet werden und eine komplette Nachexzision wurde dringend empfohlen. Diese erfolgte weder zeitnah noch nach 11 Monaten, als sich der Patient aufgrund einer Urtikaria erneut vorstellte. Weitere 14 Monate später erfolgte eine Konsultation des Patienten bei einem anderen Hautarzt aufgrund einer plattenförmigen Veränderung im erstbehandelten Bereich des Oberschenkels, wo mittels einer Hautbiopsie ein invasives Porokarzinom gesichert wurde. Eine stationäre Nachexzision sowie ein Tumorstaging wurden in einer dermatologischen Universitätsklinik vorgenommen. 6 Jahre später wurde im Bereich der rechten Leiste eine Lymphknotenmetastase des Porokarzinoms nachgewiesen, die in einer chirurgischen Klinik mittels Lymphknotendissektion sowie adjuvanter Strahlentherapie therapiert wurde.

Von der Schlichtungsstelle wurde zwar ein Diagnosefehler verneint, aber eine schuldhafte Unterlassung der Sicherungsaufklärung und der Veranlassung der Folgebehandlung bejaht. Die Unterlassung einer In toto-Entfernung des ekkrinen Poroms mit dadurch erfolgter Zeitverzögerung des malignen Hauttumors war als fehlerhafte massive Fachstandardunterschreitung einzuordnen; bei korrektem Vorgehen wäre nach ärztlicher Erfahrung eine wesentliche Veränderung des Krankheitsverlaufes zu erwarten gewesen.

Der dermatohistologische Befund von auf Malignität verdächtigen, unvollständig exzidierten Hauttumoren sollte dem Patienten unverzüglich mitgeteilt, eine Nachexzision, sofern indiziert, eindringlich empfohlen und diese Sicherungsaufklärung in der Patientenakte vermerkt werden. Das Versäumnis dieser Pflicht zur Aufklärung und nachfolgenden Behandlung kann einen groben Behandlungsfehler darstellen, der zur Beweislastumkehr für die Kausalität nachfolgend auftretender Gesundheitsschäden des Patienten führt.

Abstract

A dermatologist in private practice excised a skin lesion on the right thigh of a patient under suspicion of an epidermal nevus. Dermatohistologically, the diagnosis of eccrine poroma was made; however, with an increased proliferation index, malignancy could not be excluded with certainty and a complete re-excision was strongly recommended. This was neither performed promptly nor after 11 months, when the patient presented again due to urticaria. A further 14 months later, the patient presented to another dermatologist due to an infiltration in the treated area of the thigh, when an invasive porocarcinoma was confirmed. An inpatient post-excision and tumor staging had to be performed in a dermatological university department. Six years later, a lymph node metastasis of the porocarcinoma was detected in the area of the right groin, which was treated in a surgical department with lymph node dissection and adjuvant radiotherapy.

Although the Independent Medical Expert Council (IMEC) denied a diagnostic error, it affirmed a culpable failure to inform the patient about the suspicion of malignancy and to initiate follow-up treatment. The failure to remove the lesion in toto with the resulting delay of treating the malignant skin tumour was classified to be significantly below the professional standard of care.

Dermatohistological reports of incompletely excised skin tumours suspected of malignancy should be immediately communicated to the patient, a re-excision, if indicated, should be urgently recommended, and this information should be noted in the patient documentation. Failure to comply with this duty of information and subsequent treatment may constitute a gross treatment error, which leads to a reversal of the burden of proof for the causality of subsequent health damage to the patient.



Publication History

Article published online:
17 June 2020

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