Notfallmedizin up2date 2021; 16(02): 175-193
DOI: 10.1055/a-1182-2840
Internistische Notfälle

Bolusgeschehen – Verschlucken mit potenziell tödlichem Ausgang

Sönke Müller
,
Rudolf Kern

Eine Fremdkörperverlegung der Atemwege ist ein hochdramatisches Geschehen, das immerhin ca. 1000-mal jährlich in Deutschland den Tod nach sich zieht [1]. Die Ursache des Sterbens liegt in der Mehrzahl der Fälle in der kompletten Verlegung der Atemwege mit der Folge des Erstickens, nur in der Minderzahl im klassischen Bolustod infolge einer massiven Vagusreizung im Kehlkopfbereich mit reflektorischem Herz-Kreislauf-Stillstand.

Kernaussagen
  • Das Bolusgeschehen ist die extremste Form der Aspiration, die oberen Luftwege sind dabei teilweise oder komplett verschlossen.

  • Das Bolusgeschehen tritt am häufigsten durch „Fahrlässigkeiten“ während des Essens auf, Säuglinge, Kleinkinder und Senioren sind am zahlreichsten betroffen.

  • Die weiteren Ursachen für ein Bolusgeschehen sind vielfältig, in erster Linie sind es Bewusstseinseinschränkungen und neuromuskuläre Beeinträchtigungen.

  • Symptome für das Bolusgeschehen sind:

    • plötzliche Atemnot bis zur Apnoe,

    • Sprechen und Atmen nicht mehr möglich,

    • zunehmende Zyanose,

    • inverse Atmung.

  • Das Bolusgeschehen ist ein höchst dramatisches Ereignis, das sich

    • häufig bis zum Eintreffen der Rettungskräfte schon von alleine erledigt hat, weil Ersthelfer richtig gehandelt haben oder der Patient den Fremdkörper selbst abgehustet hat

    • oft als nur „halb so schlimm“ herausstellt, weil es sich nur um eine Aspiration und/oder eine inkomplette Verlegung der Atemwege handelt und der Patient noch eine ausreichende Spontanatmung hat und somit nicht unmittelbar vital bedroht ist,

    • meist durch eine relativ einfache, aber entschlossene Behandlung (Rückenschläge, Hustenmanöver, Heimlich-Manöver) rein mechanisch beheben lässt,

    • aber auch zu einem dramatischen Kampf auf Leben und Tod entwickeln kann und dann professionelles Handeln ohne Panik erfordert:

  • Bei erfolglosen mechanischen Manövern, auch bei nicht laryngoskopisch sichtbarem Fremdkörper im Mund-Rachen-Larynx-Bereich und Bewusstlosigkeit, sollte unverzüglich mit den Basismaßnahmen der Reanimation (Beatmung und Thoraxkompressionen) begonnen werden.

  • Ultima Ratio ist eine Notkoniotomie durch den Notarzt.



Publication History

Article published online:
07 June 2021

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