Aktuelle Dermatologie 2020; 46(08/09): 394-395
DOI: 10.1055/a-1181-0058
Leserbrief

Leserbrief zum Artikel Streker M, Thill MS, Kerscher M. Einfluss oraler Kollagen-Peptide auf die Hautqualität am ganzen Körper. Akt Dermatol 2020, 46: 87–93

P. Elsner

Sehr geehrte Herausgeber,

Die Publikation der o. g. Studie in der „Aktuellen Dermatologie“ bedarf einer Richtigstellung, da die Wissenschaftlichkeit der Publikation entsprechend der Anforderung der Autorenrichtlinien für die „Aktuelle Dermatologie“ Fragen aufwirft.

Die Aussage in der Zusammenfassung der Arbeit „Es konnte mittels objektiver, validierter dermatologischer Messmethoden bestätigt werden, dass die orale Aufnahme von speziellen Kollagen-Peptiden über einen längeren Zeitraum die Hautphysiologie (Lipidgehalt der Hautoberfläche, Stratum-corneum-Hydratation, Hautelastizität, Hautglätte und Hautdichte) positiv beeinflusst.“ ist wissenschaftlich falsch. Das Verb „beeinflussen“ ist laut Duden definiert als „auf jemanden, etwas einen Einfluss (mit bestimmten Wirkungen) ausüben“. Der Satz in der Publikation stellt demnach die Behauptung auf, die „orale Aufnahme von speziellen Kollagen-Peptiden“ übe eine bestimmte Wirkung auf die Haut aus. Diese Behauptung ist jedoch durch die vorgelegte Untersuchung nicht bewiesen. Eine wissenschaftlich valide Untersuchung zum Einfluss oral aufgenommener Kollagen-Peptide auf die Hautqualität hätte in einem doppelblinden, randomisierten Design mit ausreichender statistischer Power ein Testprodukt mit Kollagen-Peptiden zur oralen Aufnahme mit einem Kontrollprodukt, etwa einem Placebo, vergleichen müssen.

Ein solches doppelblindes, randomisiertes Testdesign liegt jedoch nicht vor. Es handelt sich vielmehr um eine offene, nicht kontrollierte Anwendung eines Testproduktes bei hautgesunden Probanden. Die in der Publikation berichteten Veränderungen der hautphysiologischen Parameter mögen von den Autoren korrekt gemessen worden sein; sie können jedoch auf alle möglichen Einflüsse zurückzuführen sein, etwa jahreszeitliche Veränderungen, UV-Exposition, sportliche Betätigung, Pflege oder andere von den Probanden aufgenommene Nahrungs- oder Genussmittel. Bezüglich einer Kontrolle dieser für hautphysiologische Parameter möglicherweise wesentlichen Einflussfaktoren bietet die vorliegende Publikation keine ausreichenden Informationen.

Da kein adäquates, kontrolliertes Untersuchungsdesign vorlag, ist die vorliegende Studie wissenschaftlich nicht geeignet, um den behaupteten Einfluss oraler Kollagen-Peptide auf die Hautqualität beurteilen zu können.

Die vorliegende Studie zeigt leider die häufig zu beobachtende Verwechslung von „Post“ mit „Propter“, d. h., die logisch falsche Behauptung einer Kausalität allein aufgrund einer zeitlichen Abfolge von Ereignissen. Gerade bei hautphysiologischen Studien mit einem offenkundig kommerziellen Hintergrund wie im vorliegenden Fall sollte streng auf ein wissenschaftlich valides Design geachtet werden. Dies bestätigen die Ergebnisse eines kürzlich veröffentlichten systematischen Reviews zu Wirkungen von Peptiden in Antiaging-Produkten, wonach das Studiendesign eine wesentliche Einschränkung der überprüften Studien darstellte [1]. Viele Studien waren nicht doppelt verblindet, was durch den Beobachter-Erwartungseffekt einen Bestätigungsbias herbeiführen kann [1]. Außerdem verwendete fast die Hälfte der identifizierten Studien keine Placebokontrolle [1].

Auch hautphysiologische Studien sollten vorab einer Ethikkommission vorgelegt werden. Ob dies geschah, bleibt in der vorliegenden Publikation unklar.

Gemäß § 15 Abs. 3 der Musterberufsordnung für Ärzte [2] haben Ärztinnen und Ärzte bei der Forschung am Menschen die in der Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes in der Fassung der 64. Generalversammlung 2013 in Fortaleza niedergelegten ethischen Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen zu beachten. Laut dieser „Helsinki-Deklaration” [3] muss „medizinische Forschung den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen entsprechen“. Zu den „allgemein anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen“ gehört, eine Forschung am Menschen nur durchzuführen, wenn aufgrund des Studiendesigns auch zu erwarten ist, dass die wissenschaftliche Fragestellung beantwortet werden kann.

Ethik-Kommissionen beraten den für die Durchführung von biomedizinischer Forschung am Menschen oder von epidemiologischer Forschung mit personenbezogenen Daten verantwortlichen Arzt über die mit dem Vorhaben verbundenen berufsethischen und berufsrechtlichen Fragen, damit dieser seiner Berufspflicht entsprechen kann. Dazu gehört auch eine Beratung zum geeigneten Design und zur erforderlichen „Power“ einer geplanten Studie.

Bei Publikationen über klinische Studien sollte auch auf die Begutachtung von Studien durch eine Ethikkommission geachtet werden. Vermutlich hätten die beschriebenen Fehler der angesprochenen Publikation auf diesem Wege vermieden werden können.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
20. August 2020

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