PSYCH up2date 2020; 14(06): 523-536
DOI: 10.1055/a-1158-7561
Störungsübergreifende Themen und Methoden

Zivilrechtliche Grundlagen in der Psychiatrie

Harald Dreßing

Viele zivilrechtliche Fragen müssen in Form gutachtlicher Stellungnahmen oder ausführlicher Gutachten geklärt werden. Psychiatrische Gutachten in der zivilrechtlichen Praxis sind immer dann von Relevanz, wenn eine Person aufgrund psychischer Störungen in ihrer Fähigkeit zu einem eigenverantwortlichen Handeln beschränkt ist.

Kernaussagen
  • Psychische Störungen können sich auf das eigenverantwortliche Handeln einer Person auswirken.

  • Im Falle zivilrechtlicher Prozesse sind bei solchen Personen ggf. gutachtliche Stellungnahmen oder ausführliche Gutachten von Psychiatern erforderlich, um das Gericht bei der Beurteilung der Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln der betreffenden Personen fachlich zu unterstützen.

  • Von besonderer Bedeutung sind dabei die Geschäfts-, Testier- und Prozessfähigkeit von psychisch Erkrankten oder auch deren Deliktsfähigkeit.

  • Bei betreuungsrechtlichen Fragestellungen ist das Gericht gesetzlich verpflichtet, ein psychiatrisches Gutachten hinzuzuziehen.

  • Die Anordnung einer Betreuung kann nur nach bestimmten Voraussetzungen erfolgen und hat nichts mit der Einschätzung der Geschäftsfähigkeit zu tun.

  • Eng mit der Betreuung verknüpft ist die Beurteilung der Einwilligungsfähigkeit. Ist diese gemäß bestimmten Kriterien nicht gegeben, kann auch eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen angeordnet werden.

  • Psychiatrische Voraussetzungen zur Geschäfts-, Testier- und Prozessunfähigkeit müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Gelingt dies nicht, ist von einer vorhandenen Geschäftsfähigkeit auszugehen.

  • Die Voraussetzungen der Unzurechnungsfähigkeit in Deliktfällen müssen konkret anhand psychopathologischer Symptome belegt werden.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
02. November 2020

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  • Literatur

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