Sportphysio 2020; 08(02): 53
DOI: 10.1055/a-1130-9539
Editorial

RED-S – betrifft uns das?

Martina Leusch

Vor gut zwei Jahren erschien auf Twitter folgende Frage: Eine 19-jährige Triathletin kommt in deine Praxis mit Schmerzen im rechten Fuß. Die MRI-Untersuchung bestätigt eine Stressfraktur des Os naviculare. Sie trainiert 20 Stunden pro Woche. Ihr BMI ist niedrig, und in der Patientengeschichte erwähnt sie ein Übertrainingssyndrom, einen Eisenmangel und wiederkehrende Tendinopathien der Hamstrings. Würdest du sie routinemäßig nach ihrem Menstruationszyklus fragen?

Gestellt wurde die Frage von Anna Boniface, Langstreckenläuferin, Physiotherapeutin und selbst Betroffene [1]. Betroffene von RED-S, einem Syndrom, das in letzter Zeit (zum Glück!) immer wieder in den Medien präsent ist. Erstmals bekannt wurde die Problematik 1992 unter dem Begriff Female Athlete Triad.

2014 wurde es von einer Arbeitsgruppe umbenannt zu RED-S: Relative Energy Deficiency in Sport (relatives Energiedefizit im Sport), da die ganze Problematik unter einem breiteren Spektrum betrachtet wurde. Es ging nicht mehr nur um die Trias Essstörung, verminderte Knochendichte und Dysfunktion des Menstruationszyklus bei Athletinnen. Es hatte sich gezeigt, dass das Energiedefizit – sei es durch ein abnormes Essverhalten oder auch durch einen sehr hohen Energieverbrauch – weitreichende Konsequenzen auf mehr Körpersysteme hat, die am Erhalt von Gesundheit und Leistung beteiligt sind. Zudem wurde nun anerkannt, dass auch Männer von dem Syndrom betroffen sein können.

Für uns als Physiotherapeuten ist dieses Thema insofern relevant, als dass wir gerade, aber nicht nur, im Sportsetting oft erste Ansprechpersonen für verletzte Athleten sind. Wir sollten aufmerksam sein bei Zeichen von Essstörungen, Gewichtsverlust, menstrueller Dysfunktion, hoher Verletzungs- und Krankheitsanfälligkeit, Leistungsabnahme und Stimmungsschwankungen.

Und wir sollten vorgefertigte Aussagen hinterfragen, auch wenn wir mit Themen wie Zyklus und Essstörungen unsere Komfortzone in der Anamnese verlassen müssen. So ist zum Beispiel das Ausbleiben der Menarche nach dem 16. Lebensjahr bei Sportlerinnen nicht normal. Ebenso sollte uns das Aussetzen der Menstruation über mehrere Zyklen bei Ausdauerathletinnen aufhorchen lassen. Dies bedingt allerdings, dass wir diese Symptome – vergleichbar mit einem Red Flag Screening – erfassen. Gerade in Risikosportarten wie Ausdauersport, Sportarten, bei denen die Leistung gewichtsabhängig ist bzw. mit verschiedenen Gewichtsklassen, sowie in ästhetischen Sportarten.

Dieses Heft vertieft das Wissen um RED-S und erleichtert uns so den Umgang mit diesen Patienten. Zudem beinhaltet es Informationen zum Thema Knochengesundheit und Stressfrakturen.

Viel Spaß beim Lesen und bleibt gesund

Martina Leusch und das ganze Sportphysio-Team

PS: Der Post hatte übrigens über 1000 Antworten, und 75 % waren sich einig, dass sie die entsprechenden Nachfragen stellen würden.



Publication History

Article published online:
08 May 2020

© Georg Thieme Verlag KG
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