Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2020; 27(02): 94-95
DOI: 10.1055/a-1111-8146
Gesellschaft
DGMM
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin e. V.

Marcus Oldenburg
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Publication Date:
04 May 2020 (online)

Liebe Mitglieder der DGMM,

am 31.01.2020 fand unsere Mitgliederversammlung wieder in dem wunderschönen Ambiente – im Salon der Cap San Diego – statt. Zunächst gab es ab 13:00 Uhr einen Imbiss, der wie immer zu einem persönlichen und fachlichen Austausch einlud. Anschließend erfolgten 2 interessante maritime Fachvorträge.

Im ersten Vortrag präsentierte Herr Dr. Jan Ströker als erfahrener Sanitätsoffizier und Zahnarzt Highlights zur „Zahnärztlichen Notfallversorgung an Bord“. Dabei ging er zunächst auf die Besonderheiten der zahnärztlichen Befunderhebung ein – von der Inspektion, der Sensibilitätsprüfung bis hin zum Perkussionstest. Hier wurde u. a. auch auf die Notwendigkeit eines vollständigen zahnmedizinischen Untersuchungssets einschließlich eines Kältesprays zur Sensibilitätsprüfung der Zähne hingewiesen.

Des Weiteren stellte Herr Dr. Ströker einige häufige zahnmedizinische Erkrankungen mit Behandlungsoptionen an Bord vor (u. a. Karies, paradontale Erkrankungen, Abszesse im Mundraum, Zahnfraktur und Traumata).

Schließlich wurde im Rahmen der rechtlichen Grundlagen darauf hingewiesen, dass zahnmedizinische Eingriffe grundsätzlich nur von Ärzten mit zahnmedizinischer Approbation erfolgen dürfen. Im Notfall jedoch, wenn ein Patient im Rahmen einer Schiffsreise auf hoher See z. B. eine Zahnfraktur erleidet, kann und darf die Behandlung durch einen medizinischen Laien – vorzugsweise durch einen humanmedizinisch approbierten Arzt – erfolgen, sofern kein Zahnarzt an Bord zugegen ist.

Im zweiten Vortrag gab Herr Dr. Enno Striepling, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, einen spannenden Einblick in „Brandverletzungen an Bord“. Hierbei stellte er vor, dass in dem Zeitraum von 2004 bis 2015 im Zentrum für Schwerbrandverletzte des BG-Klinikums Hamburg 19 Fälle mit an Bord erfolgten Brandverletzungen aufgenommen wurden. Bei den Verletzten handelte es sich vornehmlich um Beschäftigte, die im Maschinenraum tätig waren. Am häufigsten ereigneten sich die Verletzungen am Arbeitsplatz.

Bei der Versorgung eines Brandverletzten auf hoher See sei insbesondere auf eine ausreichende intravenöse Analgesie, eine sterile Wundabdeckung, den Wärmeerhalt und auf eine Flüssigkeitssubstitution zu achten. Bei zirkulärer Hautverbrennung müssten oftmals Entlastungsschnitte erfolgen. Grundsätzlich sei zu beachten, dass die Brandverletzten zügig von Bord abgegeben und in ein Brandverletztenzentrum transportiert werden. Wenngleich die Bergung von Bord und Überführung in ein spezialisiertes Zentrum erfahrungsgemäß aufwendig sei, hätten 18 der o. g. Fälle ihre Brandverletzung überlebt.

Im Rahmen der anschließenden Mitgliederversammlung fasste unser DGMM-Vorsitzender Herr Professor Volker Harth die Highlights des zurückliegenden Jahres aus Sicht der DGMM zusammen. Dabei stellte er u.a. eine nachhaltig wachsende Mitgliederzahl mit derzeit ca. 300 Personen und als deren Tagungspräsident die erfolgreiche Bilanz in Bezug auf Teilnehmer und Finanzen des International Symposium on Maritime Health (ISMH15) in Hamburg dar. Der Bericht unseres Schatzmeisters Herrn Marczinkowski wurde verkündet, bestätigt und der komplette Vorstand entlastet. Als Nachfolger des Schatzmeisters wurde Herr Dr. Heblich gewählt.

Aus unseren DGMM-Arbeitsgruppen gab es auch eine Sachstandmeldung: Die AG Offshore ist gerade mit der Überarbeitung der AWMF-Leitlinie „Eignungsuntersuchungen von Offshore-Arbeitern“ beschäftigt, da Leitlinien grundsätzlich spätestens nach 5 Jahren zu aktualisieren seien. In der AG Maritime Notfallmedizin werden derzeit zahlreiche Einsatzberichte der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ausgewertet. Die AG Kreuzfahrtmedizin setzt sich gerade mit der Erstellung eines Curriculums für angehende Schiffsärzte auseinander. Des Weiteren wurde angeregt, eine neue AG zur Geschichte der maritimen Medizin zu gründen.

Liebe Mitglieder, insgesamt gibt es weiterhin viele spannende Impulse in unserer facettenreichen maritimen Medizin. Ich danke allen für Ihr Engagement!

Herzliche Grüße aus Hamburg

Ihr

Marcus Oldenburg

NACHRUF FÜR HERRN PROFESSOR DR. MED. HARTMUT GOETHE

Herr Prof. Hartmut Goethe ist am 16. Februar 2020 im Alter von 96 Jahren im Kreise seiner Familie verstorben. Anlässlich dieser traurigen Nachricht erinnern wir an dieser Stelle noch einmal an das außergewöhnliche berufliche Wirken von Herrn Professor Goethe und an seine Verdienste insbesondere im Bereich der Schifffahrtsmedizin.

Herr Professor Goethe war am 16. Oktober 1923 in Stargard in Pommern geboren und wurde in seinen jungen Jahren durch Kriegserfahrungen, Gefangenschaft und Flucht geprägt. Schließlich führte sein Lebensweg ihn nach Hamburg, wo er Humanmedizin studierte und im Jahre 1948 das Staatsexamen erfolgreich absolvierte. Bereits seinerzeit kristallisierte sich eine Vorliebe für maritimmedizinische Fragestellungen heraus, die auch Gegenstand seiner Dissertation am Bernhard-Nocht-Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten (BNI) waren.

Seine Berufsausbildung war initial mit Schwerpunkten in der Infektiologie, der Tropenmedizin, der Parasitologie und der Bakteriologie sehr breitgefächert. Im Jahre 1950 hatte Herr Professor Goethe seinen ersten Einsatz als Schiffsarzt auf dem Fischereischutzboot ‚Frithjof‘, gefolgt von einer ‚Erkundungsfahrt‘ im Auftrag der See-Berufsgenossenschaft, dem Hamburger Hafenärztlichen Dienst und auf dem Fischerei-Forschungsschiff ‚Anton Dohrn‘. Bereits seinerzeit war es ihm ein großes Anliegen, internationale Kontakte zu Schifffahrtsmedizinern zu knüpfen. Es war ihm stets bewusst, dass die maritime Medizin eine länderübergreifende multidisziplinäre Disziplin darstellt.

Im Jahre 1957 wechselte er als Reedereiarzt und stellvertretender Direktor des ärztlichen Dienstes in die ESSO Tankschiffreederei. Im Rahmen seines damaligen Engagements führte er zahlreiche Studien- und Messreisen an Bord durch und gewann dabei umfangreiche praktische Erfahrungen über das Leben und Arbeiten an Bord. Schwerpunkt stellte damals die

arbeitsmedizinische Vorsorge der Schiffsbesatzungen dar. Durch seine Berufung als Leiter der neugegründeten Abteilung für Schifffahrtsmedizin am BNI kommt zum Ausdruck, dass die Schifffahrtsmedizin damals nicht zuletzt dank seines unermüdlichen, hochengagierten Wirkens eine neue Wahrnehmung und Beachtung genoss.

In den darauffolgenden Jahren engagierte sich Herr Professor Goethe in einem außergewöhnlich hohen Maße in der schifffahrtsmedizinischen Forschung, wobei eine ganze Fülle wissenschaftlicher Abhandlungen und Publikationen insbesondere hinsichtlich der Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute entstand. Bemerkenswert ist die Vielschichtigkeit seiner Forschungsansätze, die u.a. Aspekte der Hygiene an Bord, der Ergonomie, Toxikologie, Epidemiologie und der psycho-physischen Belastungen an Bord einschlossen. Dabei erstaunt es aus heutiger Sicht immer wieder, dass einige Erkenntnisse und Trends, die seinerzeit erforscht wurden, auch heute noch wesentliche Bedeutung haben, wenngleich sich das Arbeitsfeld an Bord in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt hat.

Besonders hervorzuheben ist die Mitwirkung von Professor Goethe an dem Studienprojekt „Schiff der Zukunft” sowie das von ihm mit herausgegebene „Handbook of Nautical Medicine”, das einen weltweit einzigartigen holistischen Überblick über die verschiedenen Bereiche der Schifffahrtsmedizin bietet.

Auch international genoss Professor Goethe eine hohe wissenschaftliche Reputation und wurde als Experte und Ratgeber in die Gremien der Weltgesundheitsorganisation, der Internationalen Arbeitsorganisation und der Internationalen Maritimen Organisation der Vereinten Nationen berufen. Es gelang ihm damals auch, die Abteilung für Schifffahrtsmedizin des BNI als ‚Collaborating Center for the Health of Seafarers‘ der WHO zu etablieren.

Aber nicht nur wissenschaftlich, sondern auch in der Fortbildung engagierte er sich, hielt Vorlesungen in den tropenmedizinischen Kursen und etablierte ein Zentrum für die medizinische Ausbildung von Schiffsoffizieren. Nach seiner Habilitation im Jahre 1974 wurde ihm 1980 die akademische Bezeichnung „Professor für Schifffahrtsmedizin“ gem. § 17 Hamburger Hochschulgesetz verliehen.

Als ein Highlight seiner beruflichen Karriere ist sicherlich das ‚First European Nautical Medical Meeting‘ im Jahre 1978 zu erwähnen, dessen Tagungspräsident er war und somit den Grundstein für die weitere internationale Entwicklung der maritimen Medizin legte. Im Rahmen des ‚7. European Nautical Medical Meeting‘ wurde er 1989 in Hamburg in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.

Aber auch in seinem Ruhestand begleitete er die deutsche und der internationale Schifffahrtsmedizin mit hohem Interesse. So war er maßgeblich an der Gründung unserer Deutschen Gesellschaft für Maritime Medizin im Jahre 1990 beteiligt und wurde 1995 zu ihrem Ehrenvorsitzenden ernannt.

Am 16.02.2020 verstarb Professor Goethe und wurde am 24.02.2020 nach einer Trauerfeier in der Bismarck Gedächtnis Kirche in Aumühle im Kreise seiner Familie und vieler Weggefährten beerdigt. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.

Die deutsche maritime Medizin verliert in Herrn Professor Goethe einen hochgeachteten und engagierten Wissenschaftler und Menschen, der das Fach über ein halbes Jahrhundert lang entscheidend geprägt und gestaltet hat.

Wir werden Herrn Professor Goethe ein würdiges Andenken bewahren.

Für die Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin

Univ.-Prof. Dr. Volker Harth, MPH, und

PD Dr. Marcus Oldenburg

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