Kinder- und Jugendmedizin 2020; 20(02): 93-97
DOI: 10.1055/a-1107-8459
Übersichtsarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pertussis – die unendliche Geschichte?

Pertussis – the neverending story?
Johannes G. Liese
1   Universitäts-Kinderklinik Pädiatrische Infektiologie und Immunologie Klinikum Würzburg
› Author Affiliations
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Publication History

eingereicht 22 January 2020

akzeptiert 26 January 2020

Publication Date:
17 April 2020 (online)

ZUSAMMENFASSUNG

Pertussis, die häufigste Form des Keuchhustens, ist eine meldepflichtige Infektionskrankheit des Respirationstraktes, die durch Bordetella pertussis verursacht wird. In ungeimpften Populationen tritt Pertussis überwiegend im Alter zwischen 2 und 6 Jahren auf. Trotz hoher Pertussis-Durchimpfungsraten im Säuglings- und Kleinkindesalter werden in den letzten 20 Jahren eine Zunahme der Inzidenz und eine Verschiebung von Pertussiserkrankungen in das Adoleszenten- und Erwachsenenalter beobachtet. Dies liegt an 3 Ursachen: erstens an der erhöhten Aufmerksamkeit bei Patienten und Ärzten gegenüber Pertussis, zweitens der einfacheren Diagnosestellung durch sensitive Methoden wie der PCR oder Serologie und drittens an der zeitlich begrenzten Wirksamkeit von Pertussisimpfstoffen. Regelmäßige Auffrischimpfungen auch über das Kindesalter hinaus sind von hoher Bedeutung, um Ausbreitung, Ausbrüche und Komplikationen der Pertussis zu begrenzen. Die bestehenden Empfehlungen zur Pertussisimpfung im Erwachsenenalter werden jedoch nur unzureichend umgesetzt. Die fehlende Empfehlung der STIKO analog zu Diphtherie und Tetanus gegen Pertussis alle 10 Jahre zu impfen, trägt ebenfalls dazu bei, dass die Impfung bei Erwachsenen kaum durchgeführt wird. Dadurch entstehen Übertragungswege auf ungeimpfte Neugeborene und Säuglinge, die das höchste Komplikations- und Mortalitätsrisiko tragen. Hohe Durchimpfungsraten und regelmäßige mindestens 10-jährige Auffrischimpfungen auch im Erwachsenenalter sind die beste Präventionsstrategie und dringend erforderlich, um die weitere Ausbreitung von Pertussis zu begrenzen. Eine maternale (Auffrisch-) Impfung im letzten Trimenon der Schwangerschaft kann zusätzlich Pertussis bei Neugeborenen wirksam verhindern. Die Entwicklung neuer wirksamerer Pertussisimpfstoffe ist notwendig, um den Keuchhusten in seinen unterschiedlichen klinischen Ausprägungen zu kontrollieren.

ABSTRACT

Pertussis is usually considered a typical childhood infection. However, in recent years surveillance has documented its increasing occurrence in adolescents and adults. The spectrum of clinical presentation is wide, ranging from a mild cough to severe coughing with rare, but potentially severe complications especially in newborns. Adult pertussis also has an important role in the transmission of B. pertussis to nonimmune individuals, e. g. unvaccinated newborns. There are mainly 3 causes for the observed increase in pertussis incidence: first there is growing awareness of pertussis, which is a notifiable disease in all age groups. Second the diagnosis has become easier through sensitive methods as PCR and serology. Third it has become clear that current vaccines have a limited long term efficacy. Recurrent life-long pertussis boosters are necessary to provide the optimal protection and herd immunity in all age groups. Maternal immunization in the last trimester of pregnancy may confer protection to newborns in the first months of live. For better long term protection, the development of new, more immunogenic vaccines is necessary.

 
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