Z Sex Forsch 2020; 33(01): 48-51
DOI: 10.1055/a-1103-7144
Buchbesprechungen

The War on Sex

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David M. Halperin und Trevor Hoppe, Hrsg. The War on Sex. Durham: Duke University Press 2017. 512 Seiten, USD 32,95

Dass Amerika ein Problem mit Sex, zugleich aber auch eine Neigung hat, Kriege zu führen, entspricht einem bekannten (europäischen) (Vor-)Urteil. Was passiert, wenn beide Neigungen zusammenfinden, zeigt der überaus verdienstvolle von David M. Halperin und Trevor Hoppe herausgegebene Band „The War on Sex“. Von den Kriegen gegen Terror, Drogen und – seit langem vergessen – gegen Armut unterscheidet sich der Krieg gegen Sex freilich dadurch, dass er nie explizit erklärt wurde und unter falscher Flagge geführt wird – offiziell wird Sexualdelinquenz, nicht Sexualität bekämpft. Die zentrale These des Bandes lautet jedoch, dass die Verfolgung von Sexualdelinquenz in den USA – gerade auch im Vergleich zu anderen Verbrechen (mit der Ausnahme von Drogendelinquenz) – deshalb so harsch gehandhabt wird, weil Sexualverbrechen – im Gegensatz zu anderen Verbrechen – eben nolens volens Sexualität „beinhalten“. Mit bitterer Ironie schreibt Laura Mansnerus (S. 270), dass manche Sexualstraftäter besser dran gewesen wären, „if they had simply killed their victims“ – zumindest wären ihre Strafen in vielen Fällen geringer ausgefallen (S. 285), denn: „there’s no panic like a sex panic“ (S. 270). Was – insbesondere aus europäischer Perspektive – entsetzt und den_die Leser_in ratlos zurücklässt, ist die umfangreich dokumentierte Maßlosigkeit der Verfolgung und Bestrafung auch vergleichsweise harmloser Vergehen (z. B. Prostitution, einvernehmlicher Sex unter Minderjährigen usw.). Man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, das Ziel sei nicht die Bestrafung von Delinquenten (oftmals auch Un- bzw. geringfügig Schuldiger), sondern die Bekämpfung bzw. Ausmerzung der Sünde. Die Regeln bzw. die Logiken des Kriegs gegen den Sex reihen sich in die Regeln des Kriegs gegen Terror wie gegen Drogen ein: Sexualstraftäter werden wie Terroristen und Drogenabhängige bzw. -dealer als außerhalb der normalen Regeln stehend behandelt, sodass den gegen sie verhängten Sanktionen – man mag nicht von Strafen im engeren rechtsstaatlichen Sinne sprechen – nichts so sehr gemeinsam ist wie ihre Maßlosigkeit (vor allem wenn es sich um ohnehin schon marginalisierte Personen handelt).

Die Analysen des Bandes arbeiten heraus, dass die überaus harsche Verfolgung von tatsächlichen und vermeintlichen Sexualdelikten einer spezifischen Logik folgt, die man als Folge einer Fixierung auf eine gesinnungsethisch strukturierte Strafpraxis deuten mag. Es handelt sich mithin weder (lediglich) um überbordende Exzesse wildgewordener Staatsanwälte, evangelikaler Pressure Groups oder neoliberal gesinnter Konservativer noch um das Werk einzelner Fanatiker_innen, jedoch auch nicht um eine koordinierte Strategie, sondern vielmehr um sich teilweise wechselseitig verstärkende Effekte und verknüpfende Handlungen wie Strategien unterschiedlichster Akteure, wie Halperin und Roger N. Lancester beschreiben (S. 2/108).

Ein besonderes Verdienst des Bandes besteht vor diesem Hintergrund darin, dass er sich nicht damit begnügt, „die üblichen Verdächtigen“ zu benennen, sondern – ohne deren Rolle zu vernachlässigen – auch danach fragt, welche Rolle die Linke, der Feminismus und andere unübliche Verdächtige bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des amerikanischen Punitive State spielen, der sich, so Lancester (S. 103), nicht auf den Neoliberalismus zurückführen lasse (sondern umgekehrt!). Mit anderen Worten: Auch die Linke und andere progressive Kräfte haben – teils freiwillig, teils unfreiwillig, aber letztlich dennoch willig – ihren Beitrag zur Entwicklung der derzeitigen Situation geleistet – etwa durch Aufwertung der Figur des Opfers (vgl. S. 72 ff.). Insofern ist es unsinnig, die Schuld allein bei konservativen Kräften zu suchen (ohne deren Verantwortung abzustreiten).

Bemerkenswert ist nicht zuletzt, dass der Krieg gegen Sex dazu führt, dass Sexualstraftäter nicht von neueren Versuchen einer Reform des viel kritisierten Carceral State profitieren. Ganz im Gegenteil scheint es, als würde der Krieg gegen Sex den Krieg gegen Drogen gleichsam funktional ersetzen, um die Strukturen des Carceral State aufrechtzuerhalten – quasi durch einen teilweisen Austausch der Gefängnispopulationen: Vorwiegend farbige Drogenabhängige, deren Einkerkerung prominent und wirkungsmächtig Michelle Alexander 2012 in „The New Jim Crow“ analysiert hat, werden zunehmend durch weiße (männliche) Sexualstraftäter ersetzt, die etwa wegen des Betrachtens von Kinderpornografie zu ebenso drakonischen Strafen verurteilt werden wie einst junge farbige Männer wegen Drogenbesitz.

Viele Beiträge des Bandes durchzieht nicht zuletzt die Frage, warum sich die Mainstream-LGBT-Politik nicht dem Problem der maßlosen Verfolgung und Bestrafung von Sexualstraftätern annimmt. Mit anderen Worten: Warum fällt es in diesem Falle so schwer, gegen übermäßige Bestrafungen anzugehen, während dies im Falle von Drogendelikten zunehmend möglich zu sein scheint (und das obwohl – wie man zynisch anmerken muss – im Falle von Sexualstraftaten nicht beinahe ausschließlich farbige Jugendliche betroffen sind). Die durchgehende Antwort ist wiederum, dass es der sexuelle Aspekt der Sexualdelikte ist, der sie in den Augen der Öffentlichkeit, der Politiker_innen und diverser Pressure Groups so verwerflich macht, wie Laura Mansnerus (S. 284 f.) verdeutlicht: „Sex is different, even if the Constitution does not say so“ (S. 249). Sex ist gewissermaßen der Unterschied, der einen Unterschied macht, sodass sich hier gleichsam der Kreis schließt: Die empfundene Bedrohung durch Terror, Drogen oder eben Sexualität führt dazu, dass Verfolgung und Bestrafung maßlos werden. Ein Unterschied bleibt jedoch: Während Terror von außen kommt bzw. als von außen kommend imaginiert wird und der Krieg gegen die Drogen dazu dient, die farbige Großstadtbevölkerung zu kontrollieren, setzt der Krieg gegen Sex an alltäglichen Praktiken beinahe aller Menschen an. Woher kommt es also, dass gerade (abweichende) Sexualität in den heutigen USA derart als Bedrohung empfunden wird, dass im Umgang mit ihr allzu leicht alle Rationalität und jedes Maß vergessen wird? Der US-amerikanische Fall kann mithin dazu dienen, zu sehen, was passiert bzw. passieren kann, wenn das Verhältnismäßigkeitsgebot, verantwortungsethische Konzepte, Rationalität und ähnliche Regulierungen aufgegeben oder ausgehebelt werden. Zu fragen ist aber: Warum sind den USA offensichtlich im Umgang mit Sexualdelinquenz all diese Regulierungen abhanden gekommen? Zunächst ist es natürlich die Logik des Krieges (gegen Terror, Drogen, Sex…), die sowohl den Abbau als auch die Überschreitung rechtsstaatlicher Grundsätze, die nur noch als Hindernisse konsequenter strafrechtlicher Ahndung erscheinen, legitimiert. Im Falle der USA spielt freilich das protestantische Erbe eine zentrale Rolle, das eine Gesinnungs- gegenüber einer Verantwortungsethik präferiert – so z. B., wenn auch mit anderen Begrifflichkeiten, von Roger N. Lancaster beschrieben (S. 81/88/105). Aus der US-amerikanischen Affinität zu Gesinnungsethiken, die sich – im Gegensatz zu Verantwortungsethiken – nicht um die Folgen (und Kollateralschäden) der auf ihrer Basis gefällten Entscheidungen interessieren, lassen sich sowohl die Logik der Maßlosigkeit in der Bestrafung der für schuldig Befundenen als auch die fehlende Verhältnismäßigkeit in der Relation von Verbrechen und Strafe erschließen. Dass Schuldigen gegenüber kein Gebot des Maßhaltens zu gelten scheint, wird freilich nur verständlich, wenn man in ihm weniger einen Delinquenten sieht, dem man bestimmte nachvollziehbare Motive unterstellen kann, als einen Vertreter des Bösen bzw. einen Sünder, der keine Vergebung – jedenfalls nicht auf Erden bzw. im amerikanischen Strafsystem – zu erwarten hat. Die religiösen Wurzeln der amerikanischen Strafpraxis sind kaum bestreitbar – zu deutlich ist ihm das Prinzip der Vergeltung, nicht der Vergebung oder der Resozialisierung eingeschrieben. Gerechtigkeit scheint im amerikanischen Verständnis (wieder) zunehmend (und ausschließlich) Bestrafung zu meinen. Es geht jedenfalls nicht um Schuld und Sühne, sondern um Verbrechen und Strafe.

Der Band gliedert sich in fünf Teile, die Historisches, einzelthematische Aspekte, die Analyse von Widerstandsmöglichkeiten und schließlich einen Aufruf zum Handeln beinhalten. Neben wissenschaftlichen Perspektiven kommen auch Betroffene sowie Aktivist_innen zu Wort. Nach der umfassenden Einleitung David M. Halperins, die den großen Bogen spannt, folgen im mit „The Politics of Sex“ benannten ersten Teil Analysen, die sich mit der US-amerikanischen Sexualpolitik im weitesten Sinne befassen. Herausragend ist hier vor allem der Beitrag „The New Pariahs: Sex, Crime, and Punishment in America“ von Roger N. Lancester. Wie Halperins Einleitung hat dieser Beitrag nicht zuletzt den Vorzug, dass er einen weiteren Rahmen spannt und so auch für Leser_innen von Interesse ist, die weder mit den Tiefen des amerikanischen Rechtssystems vertraut sind noch sich zu sehr mit zum Teil sehr USA-spezifischen Debatten befassen möchten. Gemeinsam mit Judith Levines Beitrag „Sympathy For The Devil“, der danach fragt „Why Progessives Haven’t Helped the Sex Offender, Why They Should, and How They Can“ machen die angesprochenen Beiträge (mit jeweils etwa 60 Druckseiten) bereits mehr als ein Drittel des Bandes aus. Dies ist vor allem im Falle der beiden erstgenannten Beiträge sicherlich angemessen, und wem es nur um einen Überblick über dem US-amerikanischen Krieg gegen Sex, nicht aber um Detailfragen geht, der sollte vor allem diese Beiträge lesen.

Der zweite Teil des Bandes widmet sich der Erfindung des Sexualstraftäters („The Invention of the Sex Offender“). Regina Kunzel befasst sich aus historischer Perspektive mit dem Verhältnis von Sex-Panik(en), Psychiatrie und der Ausweitung des Carceral State, während „The Creation of the Modern Sex Offender“ von Scott de Orio analysiert wird. Beide Beiträge zeichnen nach, wie und mit welchen Folgen sich die Figur des Sexualstraftäters in den USA herausbildete. Beleuchtet werden die Sexualitätspaniken des 20. Jahrhunderts sowie die Vorläuferfigur des modernen Sexualstraftäters, nämlich der sexuelle Psychopath (wobei dieser primär als homosexuell imaginiert wurde bzw. umgekehrt). Laura Mansnerus’ Beitrag „For What They Might Do: A Sex Offenders Exception to the Constitition“ arbeitet schließlich heraus, dass und inwieweit Sexualstraftäter heutzutage außerhalb der Verfassung stehen bzw. ihrer durch die Verfassung garantierten Rechte beraubt werden.

Der dritte Teil versammelt Beiträge, die sich mit Sexarbeit und dem Problem des Menschenhandels befassen und dabei nicht zuletzt die Problematik herausarbeiten, dass Prostitution und Menschenhandel in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend gleichgesetzt werden. Der zunehmenden Kriminalisierung von HIV widmen sich die Texte des vierten Teils. Hier stechen die Beiträge von Gregory Tomso und Hans Tao-Ming Huang dadurch heraus, dass sie den Blick über den US-amerikanischen Kontext hinaus weiten: Während Tomso die „New Political Economy of HIV“ in den Niederlanden analysiert, zeigt Huang, wie unter den neoliberalen Bedingungen des heutigen Taiwans die staatliche „AIDS Surveillance Industry“ funktioniert.

Im fünften, „Resistance“ betitelten Teil sind weniger die beiden aus Aktivist_innenpersepktive verfassten Beiträge von Maurice Tomlinson respektive Amber Hollibaugh, sondern Alexis Agathocleous’ Fallanalyse von Interesse, die zeigt, wie sich mit juristischen Mitteln und auf Basis von Bürgerbewegungen bzw. politischen Kampagnen absurde Sexualstraftatbestände zu Fall bringen lassen – selbst in Louisiana.

Ein zentrales Manko des Bandes besteht darin, dass er sich – wie auch Halperin in seiner Einführung einräumt und etwas auszubalancieren versucht – sehr stark auf Juristisches fixiert. Dies ist zwar aufgrund der starken Verrechtlichung der USA plausibel – so gelingen aufgrund mannigfaltiger Blockaden des politischen Systems gesellschaftspolitische Reformen (wenn überhaupt) im Wesentlichen über die (höchstrichterliche) Rechtsprechung. Um den Krieg gegen den Sex als gesellschaftliches Phänomen wirklich fassen zu können, ist aber die Einbeziehung auch anderer „Fronten“ in die Analyse unumgänglich; zu nennen wären insbesondere die schulische wie außerschulische Erziehung. Auch wäre stärker auf Massenmedien – jenseits der Sexualstrafberichterstattung und entsprechender Sexpaniken – einzugehen. Außerdem schiene eine Analyse der Verleugnung von (legitimer) Jugendsexualität im US-amerikanischen Kontext wichtig – zumal nicht zuletzt an dieser „Front“ der Krieg gegen den Sex mit bemerkenswerter Heftigkeit und entsprechenden Kollateralschäden geführt wird: In mehreren Beiträge wird darauf aufmerksam gemacht, dass ein nicht unerheblicher Teil der (zwangs-)registrierten Sexualstraftäter minderjährig ist. Von diesen ist wiederum ein erheblicher Teil lediglich deshalb zu „Tätern“ geworden, weil in den USA die Altersgrenzen für legale sexuelle Handlungen – nicht zuletzt im Vergleich zu Europa – sehr hoch angesetzt sind (bzw. in den letzten Jahren noch angehoben wurden).

Ohnehin besteht – für Jugendliche wie für Erwachsene – das zentrales Problem der Sex Registries, in die sich Sexualstraftäter eintragen lassen müssen, darin, dass derartige Registrierungen – die in Führerscheine wie ID Cards übernommen werden, im Internet frei einsehbar sind und mitunter auch der Nachbarschaft bekannt gemacht werden müssen – nicht hinsichtlich verschiedener Sexualdelikte differenzieren: Ein registrierter Sexualstraftäter kann ein Vergewaltiger sein, jemand, der oralsexuelle Dienstleistungen gegen Geld angeboten hat, ein Jugendlicher, der seine minderjährige Freundin nackt fotografiert hat, jemand, der online ein kinderpornografisches Bild angesehen hat – oder jemand, der einfach Pech hatte und bei einem der im US-Justizsystem häufigen Deals eines Schuldeingeständnisses gegen Strafminderung nicht recht aufgepasst hat und ein eigentlich eher harmloses Delikt gestanden hat, das aber zu einem lebenslangen Eintrag ins Sex Offender Regisitry führt. Im Zweifelfall kann dies auch recht junge Kinder betreffen.

Neben den ohnehin überzogenen bis (verhältnis-)maßlosen Strafen für Sexualdelikte sind es vor allem die (Zwangs-)Einträge in Sexualstraftäterdateien, die Betroffene in einen Teufelskreis sozialer Exklusion bzw. Marginalisierung verbannen. Gerade hierin zeigt sich die Logik einer (Straf-)Gesinnungsethik, die unfähig oder unwillig ist, auf ihre Folgen zu reflektieren. Herausgegriffen seien nur einige Beispiele: Etwa die Regel, dass registrierte Sexualstraftäter (gleich was für eine Tat sie begangen haben) nicht einer bestimmte Nähe von Schulen oder Parks wohnen dürfen, was es für entsprechende Personen, die ihre Strafe verbüßt haben, praktisch unmöglich macht, in Städten zu wohnen (S. 91). Ebenso wird ihnen faktisch verunmöglicht, jenseits der Schattenökonomie (vernünftige) Arbeit zu finden – müssen sie doch gegenüber jedem potentiellen Arbeitgeber offenlegen, dass sie Sex Offenders sind, bzw. kann ihr entsprechender Status von jedem ergoogelt werden. Versuche von Resozialisierung sind mithin nicht erkennbar – eher das Gegenteil. Dass ihnen weitere bürgerliche Rechte entzogen werden, versteht sich im US-amerikanischen Kontext weitgehend von selbst. Die Lage der registrierten Sexualstraftäter erinnert somit an jene farbigen jungen Männer, die dem Krieg gegen Drogen zum Opfer gefallen sind. In beiden Fällen scheint es darum zu gehen, einen bestimmten Teil der Bevölkerung einerseits zu exkludieren und andererseits dauerhaft zu kontrollieren. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen besteht freilich darin, dass die meisten der ersteren Gruppe bereits vorher schon am Rande der Gesellschaft lebten; für die Gruppe der Sexualdelinquenten trifft dies hingegen nur teilweise zu – jedoch sind hinsichtlich der Verfolgung von Sexualdelinquenz ebenfalls jene besonders verwundbar, die ohnehin schon unterprivilegiert sind. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, dass der Verfolgungswahn des Kriegs gegen Drogen sich inzwischen abmildert (nicht zuletzt weil die Gefängnisse zu hohe Kosten verursachen), dies aber nicht für Sexualstraftaten gilt – mit der Folge, dass ein zumindest teilweiser Austausch der Gefängnispopulationen stattfindet: Sexualdelinquenten nehmen gleichsam die (Haft-)Plätze von Drogendelinquenten ein. Die Logik des Strafens ist in beiden Fällen die nämliche: Maß- und Verhältnislosigkeit in Kombination mit Blindheit gegenüber den Folgewirkungen, sodass man den Eindruck nicht loswird, dass weniger Taten mit Blick auf ihre Schädlichkeit als vielmehr (angenommene) Gesinnungen, Begehren und/oder Persönlichkeiten bestraft würden, die gleichsam in den Taten Ausdruck finden. In der Tat: Es ist ein Krieg im Gange – ohne Rücksicht auf Maß und Verluste. Im Krieg aber schweigt bekanntlich die Vernunft.

Der vorliegende Band macht deutlich, dass sowohl dem Schweigen der Vernunft als auch dem Krieg gegen Sex ein Ende gemacht werden muss. Das Problem wird nur sein: Wie? Eine Stärke des vorliegenden Bandes liegt ja gerade darin, zu zeigen, warum die Situation so ausweglos erscheint – ist doch der Krieg gegen Sex zu sehr in die US-amerikanische Kultur eingelagert.

Sven Lewandowski (Bielefeld)



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
12. März 2020

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