Nervenheilkunde 2020; 39(06): 429
DOI: 10.1055/a-1095-0033
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Neurowissenschaftliche Begutachtung

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Publikationsdatum:
04. Juni 2020 (online)

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Bernhard Widder, Peter Gaidzik (Hrsg). Neurowissenschaftliche Begutachtung – Gutachten in Neurologie und nicht-forensischer Psychiatrie. Stuttgart: Thieme Verlag 2018. 3. vollständig überarbeitete Auflage, 696 Seiten, 75 Abbildungen, 169,99 Euro, ISBN 9783131407030

Alle, die in der neurologischen Begutachtung tätig sind, kennen (oder sollten zumindest kennen) das Werk, das von Heinz-Harro Rauschelbach und Kurt-Alphons Jochheim unter dem Titel „Die neurologische Begutachtung“ begonnen worden ist. Nach der 4. Auflage unter diesen Herausgebern ist das Werk 2007 in die Referenzreihe Neurologie unter dem Titel „Begutachtung in der Neurologie“ übergegangen, herausgegeben von Bernhard Widder und Peter W. Gaidzik. Jetzt liegt die 3. Auflage innerhalb der Referenzreihe Neurologie vor, der Titel: „Neurowissenschaftliche Begutachtung“. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die Grenzen der Begutachtung zwischen Neurologie und Psychiatrie/Psychosomatik fließend sind und es daher gerade für sozialmedizinische Gutachten sinnvoll ist, beide Fachgebiete gemeinsam abzuhandeln. Ausgenommen ist die forensische Psychiatrie, die hier keine Überschneidungen hat.

Der bewährte Aufbau in Grundlagen der Begutachtung (insbesondere aus juristischer Sicht), in Begutachtung in verschiedenen Rechts- und Versorgungsbereichen, in die Zustandsbegutachtungen und schließlich in die Zusammenhangsbegutachtung wurde beibehalten. Am Ende wird noch auf die Besonderheiten in Österreich und in der Schweiz eingegangen, außerdem finden sich die Bewertungstabellen, z. B. für GdB und für MdE, die eine verlässliche Orientierung bieten. Inhaltlich ist diese Auflage gegenüber der vorherigen behutsam überarbesitet worden. Dabei tragen die Überarbeitungen den Veränderungen vor allem im Sozialrecht Rechnung; auch neue Begutachtungsgebiete wie z. B. die Begutachtung von Migranten muss hier genannt werden. Behutsam ist die Überarbeitung deswegen, weil gerade bei den Bewertungsmaßstäben im Sozialrecht und privaten Unfallrecht nicht immer neue Zahlen in den Raum gestellt werden dürfen, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Besonders bemerkenswert ist wieder der Hinweis auf mögliche Fehler in der Begutachtung selbst und in der Beurteilung der Probanden.

Es ist bei Rezensionen immer Vorsicht geboten, von „Standardwerken“ oder „Referenzwerken“ zu sprechen. In diesem Fall muss man dies aber eindeutig tun. Dieses Buch ist in seiner langen Tradition das Standardwerk der neurowissenschaftlichen Begutachtung schlechthin. Es ist allein ausreichend und umfassend für den Hintergrund einer seriösen Begutachtung auf dem Gesamtgebiet der Neurologie und Psychiatrie (ohne Forensik). Es ist für die Bewertung von Schädigungsfolgen und Krankheiten welcher Art auch immer das Referenzwerk. Insofern darf dieses Buch wirklich in keiner Bibliothek zur Begutachtung in Neurologie und Psychiatrie fehlen.

Stefan Evers, Coppenbrügge