Z Sex Forsch 2019; 32(03): 175
DOI: 10.1055/a-0977-8638
Buchbesprechungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Körperpsychotherapie und Sexualität. Grundlagen, Perspektiven und Praxis

Further Information

Publication History

Publication Date:
05 September 2019 (online)

Zoom Image

Körper und Sexualität sind füreinander bedeutsam – diese Feststellung erscheint zunächst trivial. Allerdings gilt für körperorientierte und sexualbezogene Psychotherapien gleichermaßen, dass der Einbezug des jeweils anderen Schwerpunkts in die Behandlung nicht selbstverständlich geschieht. Denkbar ist, dass das Ausmaß an Intimität, das dem Sprechen über Sexualität und dem Einbinden des Körpers für sich genommen bereits innewohnt, die Kombination beider wie einen Drahtseilakt erscheinen lässt. Die Sorge um potenzielle Grenzüberschreitungen, die über die Jahrzehnte zu einem sehr präsenten Thema geworden sind, trägt sicherlich ihren Teil dazu bei.

Diese sich immer wieder auftuende Lücke zu schließen, zusammenzutragen, wie das Thema Sexualität in körperorientierte Verfahren integriert und wie die Sexualtherapie durch körperpsychotherapeutische Interventionen bereichert werden kann, war ein Anliegen der 11. Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Körperpsychotherapie (DGK) im Jahr 2014, auf deren Beiträgen dieser Sammelband basiert. Den Herausgebern ist es gelungen, mit ihrer Zusammenstellung einen umfassenden Eindruck davon zu geben, wie Körper und Sexualität miteinander in Zusammenhang gebracht werden können, sowohl praktisch-therapeutisch als auch theoretisch.

In den ersten Kapiteln werden die bereits lang bestehende Verbindung von Körperpsychotherapie und Sexualität durch die grundlegende Arbeit Wilhelm Reichs sowie deren historische Weiterentwicklung dargestellt. Es folgen Einblicke in verschiedene Formen körperbasierter Therapie sexueller Probleme und sexualtherapeutischer Konzepte, die den Körper integrieren. Unter anderem werden tanz- und bewegungstherapeutische Übungen vorgestellt, die anschaulich vermitteln, wie über den Einsatz des Körpers Zugang zu frühen Erinnerungen und Emotionen gefunden werden kann. In weiteren Abschnitten des Bandes erläutern Autor_innen Implikationen von Besonderheiten der Patient_innen wie Traumatisierung, narzisstische Persönlichkeit oder höheres Lebensalter für die Behandlung. Ein sexualpädagogischer Beitrag ergänzt das Spektrum möglicher körperbezogener Selbsterfahrung. Abgerundet wird der therapeutische Überblick durch gesellschaftskritische Auseinandersetzungen mit Geschlechterrollen, weiblicher Sexualität und unserem Umgang mit dem eigenen Körper in der heutigen Zeit. Das Kapitel zu Nacktheit in der Körperpsychotherapie regt zum Nachdenken über Scham, Grenzen und die Präsenz nackter Körper im Alltag an.

Es fällt auf, dass neben der Auswahl an Kapiteln zur weiblichen Sexualität gesonderte Beiträge über körperorientierte Behandlung von Männern fehlen, denen eine aufmerksame und fürsorgliche Hinwendung zum eigenen Körper oft genug fremd ist und die von einer gestärkten Wahrnehmung eigener Körperempfindungen in der Sexualität auf ganz eigene Art profitieren können. Dies wird nur am Rande aufgegriffen. Dennoch bietet das Buch insgesamt eine gute Mischung verschiedener Perspektiven und eine interessante Lektüre für therapeutisch Tätige ebenso wie für Forschende.

Thula Koops (Hamburg)