Transfusionsmedizin 2019; 9(03): 145-146
DOI: 10.1055/a-0959-4830
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
21 August 2019 (online)

Im Gegensatz zur Transplantation hämatopoetischer Stammzellen, die einen sehr hohen Grad an Kompatibilität erfordert, sind die Ergebnisse der Transplantation von Organen in einem geringeren Maße von der Gewebekompatibilität zwischen Spender und Empfänger abhängig. Tatsächlich wird diese gegenwärtig nur bei Nierentransplantationen berücksichtigt. Hier hat sich in den letzten 30 – 35 Jahren eindeutig gezeigt, dass der Effekt der klassischen HLA-Kompatibilität das Transplantatüberleben stark beeinflusst [1]. Der Einsatz moderner und individualisierter Immunsuppression bewirkt wiederum, dass die Transplantation einer Niere von einem vollkommen HLA-inkompatiblen Spender zwar mit einem höheren Abstoßungsrisiko assoziiert ist, jedoch nicht mit einer nennenswert höheren Mortalität. Eine Kompatibilität für Nicht-HLA-Faktoren wurde bis jetzt nur indirekt und auch punktuell postuliert und zwar durch den Nachweis von Antikörpern gegen bestimmte Parameter [2], jedoch hat bis jetzt keine Studie eindeutig bewiesen, dass vereinzelte, sogenannte Minor-Histokompatibilitätsantigene (Minor-HA) eine wichtige Rolle in der Organtransplantation spielen würden. Die Studie von Reindl-Schwaighofer et al. zeigt nun zum ersten Mal recht eindrucksvoll, dass Inkompatibilitäten zwischen Spender und Empfänger von Nierentransplantaten für Nicht-HLA-Proteine, die sezerniert bzw. auf Zellen exprimiert werden und somit als antigene Strukturen agieren können, signifikant mit einem schlechteren Transplantatüberleben assoziiert sind. Der Nachweis der Inkompatibilitäten erfolgte nicht nur über hochmoderne, molekulargenetische Verfahren, sondern auch durch die Detektion von Antikörpern gegen manche der inkompatiblen Proteinstrukturen, die die Autoren „nicht-synonyme SNPs für transmembranäre und sezernierte Proteine“ nennen [3]. Die Ergebnisse der hauptsächlich österreichisch-tschechischen Forschergruppe zeigen die Spitze eines Eisbergs an und weisen darauf hin, dass die Parameter, die eine Organtransplantation beeinflussen, wesentlich vielfältiger zu sein scheinen, als bis jetzt angenommen wurde. Diese Studie wirft jedoch auch viele neue Fragen auf und wird daher vermutlich in den nächsten Jahren vielfach zitiert werden. Die Daten der Studie weisen darauf hin, dass vermutlich die Kombination von mehreren „nicht synonymen SNPs für transmembranäre und sezernierte Proteine“ einen Einfluss auf das Ergebnis der Transplantation hat. Welche ist die Rolle der einzelnen SNPʼs bzw. im Zusammenhang mit MHC-Inkompatibilitäten? Es wird wichtig sein, die Ergebnisse von Reindl-Schwaighofer et al. in einer 2., unabhängigen, großen Kohorte zu reproduzieren. Dies würde das Tor öffnen, um möglicherweise die Kompatibilität für solche nicht synonymen SNPʼs bei der Allokation von Organen zu berücksichtigen. Der logistische Aspekt der schnellen Testung für solche Parameter, damit Ergebnisse nach Testung von verstorbenen Spendern bei der Allokation berücksichtigt werden können, müsste vorab gelöst werden. Auch spannend wird es sein zu sehen, ob ähnliche Studien im Setting der Stammzelltransplantation zu vergleichbaren Ergebnissen führen werden. Hier wird man sicherlich die Richtung der Inkompatibilitäten differenziert betrachten müssen. Im Nierentransplantationsmodell ist die Betrachtung immer seitens des Immunsystems des Patienten (Host versus Graft). Bei der Stammzelltransplantation wird eher die Interaktion mit dem Immunsystem des Spenders von größerem Interesse sein – und hier insbesondere die Auswirkung auf die Graft-versus-Host- und die Graft-versus-Leukemia-Inzidenz.

 
  • Literatur

  • 1 Williams RC, Opelz G, McGarvey CJ. et al. The risk of transplant failure with HLA mismatch in first adult kidney allografts from deceased donors. Transplantation 2016; 100: 1094-1102
  • 2 Giral M, Foucher Y, Dufay A. et al. Pretransplant sensitization against angiotensin II type 1 receptor is a risk factor for acute rejection and graft loss. Am J Transplant 2013; 13: 2567-2576
  • 3 Reindl-Schwaighofer R, Heinzel A, Kainz A. et al. Contribution of non-HLA incompatibility between donor and recipient to kidney allograft survival: genom-wide analysis in a prospective cohort. Lancet 2019; 393: 910-917