Pneumologie 2019; 73(09): 549
DOI: 10.1055/a-0953-0442
Leserbrief
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Die Luftschadstoffdiskussion und der Schaden für die Pneumologie

Martin Hetzel
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Publication Date:
18 September 2019 (online)

Hat mediale Öffentlichkeit zu den Schadstoffgrenzwerten der deutschen Pneumologie geschadet? In dem Editorial der Maiausgabe der Pneumologie wird sogar von Langzeitschäden geschrieben. Die Frage der Wirkung von Stickstoffoxiden und Feinstaub im Grenzwertbereich hatte das Potenzial, eine attraktive wissenschaftliche Diskussion in der DGP und weit darüber hinaus – unter Federführung der DGP – in Gang zu setzen.

Was ist stattdessen geschehen? Der Vorstand der DGP hat sich zunächst auf die moralische Position des Advokaten für saubere Luft zurückgezogen: „Lungenärzte begrüßen das Gerichtsurteil“ lautete 2/2018 die Botschaft des DGP-Vorstandes zu dem BVG-Urteil zu Fahrverboten [1]. Als dann Diskussionsbedarf zu dem Thema der Schadstoffgrenzwerte in der DGP im Keim wahrnehmbar war, wurde das Thema vom Vorstand an eine Gruppe mehrheitlich vereinsexterner Epidemiologen weitergereicht. Die DGP hat wissenschaftliche Sektionen für Epidemiologie, Umweltmedizin und Aerosolmedizin. Weder diese Sektionen noch der wissenschaftliche Beirat wurden einbezogen, als ein Positionspapier „Atmen: Luftschadstoffe und Gesundheit“ erarbeitet und schließlich als Position der DGP veröffentlicht wurde.

Es bleibt der Eindruck, dass im Vorstand der DGP niemand für das Thema wirklich „gebrannt“ hat. Eine in die Tiefe gehende Diskussion sollte intern nicht stattfinden. Und wo sah der DGP-Präsident im ARD-Fernsehen am 23. Januar 2019 die DGP-Position, als zwei Tage zuvor die öffentliche Diskussion in Gang kam? „Die Wahrheit liegt dazwischen“ lautete seine Antwort, zwischen den Positionen der Grenzwertbefürworter und der Grenzwertkritiker [2]. Aber wo ist nun dazwischen? Die nur noch ideologisch zu begründende Position des amtierenden Präsidenten, der in einer aktuellen Pressemitteilung 4/2019 [3] nun eine Absenkung des Grenzwertes für ultrafeine Stäube fordert, bestätigt das fehlende Interesse an einer Befassung mit Inhalten. Denn es gibt keinen Grenzwert für Ultrafeinstaub und es gibt nicht einmal eine praxistaugliche Methode zur Messung von Ultrafeinstaub.

Wenn Lungenärzte im Januar 2019 eine Diskussion durch öffentliche Kritik an den Grenzwerten in Form einer zweiseitigen Presseinformation angestoßen haben, hat das – und da widerspreche ich dem Editorial – nicht geschadet. Es war der notwendige Weg eine Diskussion anzustoßen. Natürlich sind wir alle für saubere Luft, für Gesundheit, für gutes Klima und für den Weltfrieden. Moralische Überheblichkeit darf aber nicht dazu führen, dass der rationale Diskurs zum richtigen Weg dahin vermieden wird. Eitle Beanspruchung von Deutungshoheit und missionarischer Eifer sind keine klugen Methoden auf der Suche nach „der Wahrheit dazwischen“. Zu der bei der Mitgliederversammlung 2019 angekündigten DGP-Veranstaltung zu dem Thema der Luftschadstoffe ist zu befürchten, dass es eine Kundgebung epidemiologischer Positionen vor der medialen Öffentlichkeit wird.

Die DGP degradiert sich zur Pressestelle ausgewählter Epidemiologen. Das schadet der Pneumologie.