Sportphysio 2019; 07(03): 104-107
DOI: 10.1055/a-0914-4077
Research
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publikationsdatum:
05. Juli 2019 (online)

Innenrotationsdefizite und Verletzungen des glenohumeralen Gelenks

Verletzungen der Schulter sind in Überkopfsportarten wie Baseball, Tennis, Handball etc. sehr häufig. Im Zusammenhang mit diesen Verletzungen wird ein glenohumerales Innenrotationsdefizit (GIRD) als bedeutender Risikofaktor genannt ([ Abb. 1 ]). Dabei gibt es mehrere Definitionen, was ein GIRD ist. Als normal für Überkopfsportler gilt eine Abweichung zwischen dominantem und nichtdominantem Arm von maximal 15°. Verschiedene Studien bezeichneten allerdings Differenzen von 11 bis hin zu 40° als pathologisch. Als Ursache wird eine Verkürzung der posterioren Schultermuskulatur und -kapsel oder eine knöcherne Anpassung an den Sport gesehen.

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Abb. 1 Messung der Innenrotation in 90° Abduktion mit einem Inklinometer (Symbolbild, Quelle: Martin Ophey)

Ziel des vorliegenden Reviews war eine endgültige Definition des GIRD und die Durchführung einer Metaanalyse. Damit wollten die Forscher den Zusammenhang zwischen einem GIRD und dem Verletzungsrisiko bei Überkopfsportarten überprüfen, um die Prävention von Schulterverletzungen, das Risikoscreening und die Therapie zu erleichtern.

Von ursprünglich 266 Artikeln konnten 9 Studien mit passenden Kriterien gefunden werden: Werte für das Bewegungsausmaß bei einem GIRD und der Vergleich zwischen einer symptomatischen und einer nichtsymptomatischen Gruppe von Sportlern.

Im Vergleich der Gruppen zeigte sich, dass alle nichtsymptomatischen Sportler einen gewichteten Mittelwert des GIRD von 9,6° mit einer Standardabweichung von ± 3,0° aufwiesen – im Vergleich zum Mittelwert von 13,8° ± 5,6° bei allen symptomatischen Sportlern. In Bezug auf die untersuchten Altersgruppen zeigte sich, dass symptomatische Jugendliche (11,4° ± 7,8°) geringere Differenzen und eine geringere Streubreite aufwiesen als Erwachsene (15,0° ± 13,1°). Bei den Unverletzten war die Streubreite der Erwachsenen ebenfalls erhöht, aber nicht im gleichen Maße wie bei den betroffenen Athleten: Jugendliche 9,0° ± 3,5°, Erwachsene 9,9° ± 7,9°.

Aus den Ergebnissen geht hervor, dass ein GIRD bei Erwachsenen deutlicher ausgeprägt ist als bei Jugendlichen. Die Betrachtung der Ursachen – eine Anpassung der knöchernen Struktur und der Weichteile in Folge der Überkopfbewegungen – lässt den Schluss zu, dass sich bei fortführender Tätigkeit die Problematik verschlimmert. Dennoch ist nicht abschließend geklärt, ob eine Schulterverletzung durch ein GIRD begünstigt wird oder nicht. Es gibt sowohl Studien, die diesen Zusammenhang bestätigen, als auch solche, die dagegensprechen.

Bezüglich der Forschungsfragen resümierten die Autoren, dass der in Studien festgelegte Normwert für ein pathologisches GIRD zwischen 18° und 40° womöglich für alle Populationen niedriger festgesetzt werden sollte. Zudem sollten Defizite im Bewegungsausmaß eines Gelenks als Risikofaktor für eine Verletzung behandelt werden, insbesondere wenn diese durch einfache Maßnahmen – wie Dehnen bei GIRD – zumindest teilweise behoben werden können. Mit einem Herabsetzen des Normwertes bei einem GIRD würden mehr Athleten von konservativer Behandlung profitieren.

KOMMENTAR

Aufgrund der geringen Zahl an Studien, der großen Heterogenität zwischen den Studien in Bezug auf das Alter, die Sportart, die Leistungsklasse und die Datenerhebung ist eine endgültige Aussage, ob ein GIRD Ursache oder Folge einer Verletzung ist, nicht möglich. Dass ein Zusammenhang besteht, scheint jedoch unbestreitbar zu sein. Daher sollten, wie die Autoren bereits anmerkten, die Referenzwerte eines GIRD herabgesetzt und konservative wie auch präventive Maßnahmen in Risikogruppen konsequent eingesetzt werden.

AUF EINEN BLICK

Design: Systematisches Review

Teilnehmer: Jugendliche bis professionelle Leistungssportler

Parameter: Vergleich des Bewegungsausmaßes der Schulter zwischen verletzten oder symptomatischen Athleten mit unverletzten oder symptomfreien Athleten

Resultate: Die Effektstärke zwischen den Gruppen war nur für die Erwachsenen-Population signifikant. Symptomatische Erwachsene hatten ein signifikant höheres GIRD im Vergleich zu den Unverletzten. In der jugendlichen Population war der Unterschied nicht ganz so groß. Der Normwert eines GIRD sollte niedriger angesetzt werden, konservative Behandlungen wie Dehnen können ein GIRD mindern.

Siri Goldschmidt

Johnson JE, Fullmer JA, Nielsen CM et al. Glenohumeral internal rotation deficit and injuries: A systematic review and meta-analysis. Orthop J Sports Med 2018; 6(5), 2325967118773322