Zeitschrift für Palliativmedizin 2019; 20(04): 147-148
DOI: 10.1055/a-0902-3156
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bewegte Zeiten für die DGP – die Jahre 2010–2014

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Publikationsdatum:
08. Juli 2019 (online)

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Raymond Voltz
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Birgit Weihrauch

Die DGP wurde 1994 von ihren Gründungsmitgliedern und gemäß ihrer Satzung explizit als wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft gegründet. Ziel der Gründung war damals die Etablierung der Palliativmedizin als wissenschaftliches Fachgebiet innerhalb des Konzerts der anderen medizinischen Fächer. Dies brachte DGP intern zunächst berechtigterweise Unruhe, weil wir uns an die Regeln der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften“ (AWMF) halten mussten, zunächst nur Ärztinnen und Ärzte als „ordentliche“ Mitglieder aufzunehmen. Dies konnten wir dann später ändern, nachdem auch die AWMF ihre Regeln geändert hatte.

Im Zeitverlauf 2010 – 2014, also abschließend zum 20. Jahrestag ihrer Gründung, wurde die Wissenschaftlichkeit, das Alleinstellungsmerkmal der DGP, nun auch nach außen hin deutlich sichtbar. So konnte nach jahrelanger Vorarbeit und dem Auftakt in 2011 Ende 2014 die „S3-Leitlinie Palliativmedizin“ im Rahmen des onkologischen Leitlinienprogramms der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der AWMF unter der Federführung der DGP abschließend durch über 50 Fachgesellschaften konsentiert werden (publiziert Mai 2015). Damit war das Fachgebiet „Palliativmedizin“ endgültig als wissenschaftliches Gebiet anerkannt. Die Erweiterung dieser Leitlinie übrigens wurde gerade dieser Tage ebenfalls abschließend konsentiert.

2014 zeigte sich der Anspruch der wissenschaftlichen Fachgesellschaft insbesondere auch in der Durchführung des 10. Kongresses der DGP in Düsseldorf (mit Orgelkonzert im Kölner Dom!). Dieser Kongress wurde erstmals gemeinsam mit einer anderen Fachgesellschaft, und zwar dem „Deutschen Netzwerk für Versorgungsforschung“ durchgeführt. Wir alle erinnern uns noch sehr gern an das Fußballjahr 2014 und insbesondere an das Fußballspiel zwischen den Präsidenten der beiden Fachgesellschaften, Prof. Friedemann Nauck und Prof. Edmund Neugebauer, auf der Bühne vor dem Plenum. Diese enge Assoziation von Versorgungsforschung und Palliativmedizin hält bis in die heutigen Tage. „Versorgung im letzten Lebensjahr“ ist ein wesentlicher Strang im jährlich stattfindenden Deutschen Versorgungsforschungskongress geworden. Derzeit arbeiten wir an einem „Methoden Memorandum“ für Versorgungsforschung in der Palliativsituation.

In das Jahr 2013 fällt ebenfalls die Etablierung der „Wissenschaftlichen Arbeitstage“, mit denen die DGP jungen Forscherinnen und Forschern ein Forum bietet, sich weiterzuentwickeln. Schließlich hatte auch das Bundesforschungsministerium seit 2012 Fördermittel für die Forschung in der Palliativversorgung zur Verfügung gestellt.

Neben diesem zentralen Aufgabenbereich, zugleich Alleinstellungsmerkmal der DGP als wissenschaftlicher Fachgesellschaft, ist sie auch in diesen Jahren wie auch in allen 25 Jahren seit ihrer Gründung politisch aktiv und dabei sehr erfolgreich gewesen. Im Jahre 2010 wurde die Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland nach einem nur zweijährigen Konsensusprozess aller relevanten gesellschaftlichen und gesundheitspolitischen Organisationen und Institutionen verabschiedet. Gemeinsam mit dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband und der Bundesärztekammer hatte sich die DGP von Beginn an als einer der Initiatoren und Träger der Charta für diesen umfassenden gesellschafts- und gesundheitspolitischen Prozess engagiert. In den Zeitraum von 2010 – 2014 fällt insbesondere auch die Weiterentwicklung der Charta zu einer Nationalen Strategie, deren Auftaktveranstaltung 2013 in den Räumen des Deutschen Bundestags im Jakob-Kaiser-Haus stattfand. Uns war bewusst, dass es nur mit Unterstützung der Politik möglich sein würde, die Ziele und Empfehlungen der Charta systematisch und verbindlich umzusetzen. Besonders bedeutsam war in diesem Zusammenhang das unter der Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit und unter Beteiligung vieler gesundheitspolitischer Akteure in 2013 eingerichtete Forum für die Hospiz- und Palliativversorgung als ein ergänzender Baustein im Charta-Prozess. Vor allem aus ihm ging in 2015 – letztlich bereits als ein Ergebnis des Charta-Prozesses – das Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) hervor.

Unmittelbare Auswirkungen ergaben sich aus der Zusammenarbeit mit der Politik im Charta-Prozess – hier mit dem Bundesforschungsministerium (BMBF) – übrigens auch auf den Forschungsbereich selbst: Sie führte in 2015 zu den ersten Ausschreibungen des BMBF, in denen die Stichworte „Palliativversorgung, Palliativmedizin, Palliativpflege, Verbesserung der Lebensqualität“ vorkamen.

Im Jahr 2011 befasste sich auch die deutsche Ärzteschaft auf ihrem 114. Deutschen Ärztetag in Kiel mit dem Thema der Palliativversorgung in Deutschland als einem Schwerpunktthema; auch zu diesen Diskussionen war die DGP mit ihrer Expertise eingeladen.

Aber auch bei weiteren gesundheitspolitischen Initiativen nahm die DGP Einfluss – vielfach in engem Zusammenwirken mit ihren Partnerorganisationen aus dem Palliativ- und Hospizbereich, insbesondere dem Deutschen Hospiz- und PalliativVerband (DHPV): So wurde 2012 die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung so geändert, dass schwerstkranken Menschen in Notfallsituationen auch Opiate überlassen werden können. Vielfältiges Engagement erforderte in diesen Jahren vor allem auch der schwierige und langwierige Umsetzungsprozess der neu eingeführten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Das betraf auch die SAPV von Kindern und Jugendlichen, zu der 2013 gesonderte Empfehlungen konsentiert und verabschiedet werden konnten – ein wichtiger Schritt für die SAPPV.

Gerade in diesen Bereichen der politischen Einflussnahme – für die DGP jeweils eine große Herausforderung, ohne eigentlich das primäre Ziel zu sein – ist die enge Zusammenarbeit mit anderen Organisationen aus dem Palliativ- und Hospizbereich, insbesondere mit dem DHPV, sinnvoll und notwendig. Der Charta-Prozess hat auch im Zeitraum 2010 – 2014 in besonderer Weise gezeigt, dass und wie dies trotz mancher Unterschiede in Perspektiven und Positionen gelingen kann – ganz im Sinne der gemeinsamen Sache für schwerstkranke und sterbende Menschen. Dafür standen auch wir beide in unserer langjährigen Zusammenarbeit und mit unserem gemeinsamen Engagement für die Charta – als damaliger Vizepräsident der DGP (Raymond Voltz) und als damalige Vorsitzende des DHPV (Birgit Weihrauch).

Wir wünschen der DGP eine ebenso erfolgreiche Arbeit auch in den kommenden 25 Jahren.

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Raymond Voltz
(Direktor des Zentrums für Palliativmedizin der Uniklinik Köln, Gründungsmitglied der DGP und Vizepräsident der DGP 2006 – 2012)

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Birgit Weihrauch
(Staatsrätin a. D., Vorsitzende des DHPV 2006 – 2012 und langjähriges Mitglied der DGP)