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DOI: 10.1055/a-0898-0154
Vernachlässigung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen

Vernachlässigung im Kindes- und Jugendalter gehört zu den am häufigsten berichteten Misshandlungsformen. Dieser Beitrag definiert und charakterisiert Vernachlässigung und deren Erscheinungsformen und gibt Empfehlungen zum Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung.
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Grundlage für ein umfassendes Verständnis, aber auch für die weiteren Maßnahmen sind Kenntnisse, was für die weitere Entwicklung eines Kindes und Jugendlichen altersentsprechend förderlich ist (Kinderbewusstsein).
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In der zur Sorge Anlass gebenden Beobachtung ist die individuelle Situation des Kindes/Jugendlichen und seines engen Umfelds zu betrachten.
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Die Prognose, welche Probleme aus den Beobachtungen für die zukünftige Entwicklung wichtig sind, darf nicht vergessen werden.
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Die für eine gute Entwicklung notwendigen Bedürfnisse verändern sich in den Lebensphasen.
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Modifizierende Faktoren sind gesellschaftliche und kulturelle Variablen.
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In den Lebensphasen von Kindern oder Jugendlichen verändert sich die Beziehung zu den nächsten Betreuenden, meist den Eltern, die immer ein wichtiger Faktor bleiben (s. [Abb. 1]).
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Dafür sind, bis auf extreme Ausnahmesituationen, Verlaufsbeobachtungen erforderlich:
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„Dran-Bleiben“ versus „Akut-Entscheidung“
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Es bestehen Fortbildungsdefizite, insbesondere bei der emotionalen Vernachlässigung.
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An weitere Kinder im gleichen Haushalt oder Betreuungskontext muss immer mitgedacht werden.
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Lokale Strukturen im Sinne von „Verantwortungsgemeinschaften“ z. B. mit der Jugendhilfe sind wichtig.
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Der Zugang zum zuständigen Jugendamt und zu einer insoweit erfahrenen Fachkraft im Kinderschutz sollte „gebahnt“ sein, man sollte sich bereits kennen, bevor es zu einem Kinderschutzfall kommt (regionale Netzwerke und Qualitätszirkel).
Schlüsselwörter
Vernachlässigungsformen - Gefährdungsbeurteilung bei Kindern und Jugendlichen - Belastungsfaktoren - Resilienzfaktoren - Handlungsablauf bei Kindeswohlgefährdung durch VernachlässigungPublication History
Article published online:
01 September 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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