Dialyse aktuell 2019; 23(05): 187
DOI: 10.1055/a-0886-1296
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Dem Jobmotor geht die Spritzufuhr aus

Christian Schäfer
1   Stuttgart
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
19 June 2019 (online)

Zoom Image

Nicht nur die Patientenversorgung, die bei sämtlichen Überlegungen rund um die Strukturierung des Gesundheitsmarktes eine zentrale Rolle spielen sollte, ist bekanntermaßen durch den immer stärker werdenden Fachkräftemangel gefährdet. Nein, auch die seit Jahren boomende Gesundheitswirtschaft wird in ihrem Wachstum gehindert: Denn 2018 war erstmals seit Jahren kein Zuwachs der Beschäftigtenzahl in der medizinischen Versorgung zu verzeichnen (4,8 Millionen), wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Mai bei der Vorstellung der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung (GGR) konstatierte. Dies lässt sich wohl hauptsächlich durch fehlende Ärzte und v. a. Pflegekräfte erklären – Stellen werden zwar ausgeschrieben, aber der Arbeitsmarkt ist m. o. w. leergefegt.

Angesichts der Bedeutung der Gesundheitswirtschaft und speziell der medizinischen Versorgung (mehr als die Hälfte der Bruttowertschöpfung in der Gesundheitswirtschaft wird in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung erbracht) für Deutschland ist dies besorgniserregend. Wie die Staatssekretärin im BMWi Claudia Dörr-Voß erklärte, ist die Gesundheitswirtschaft eine wichtige Stütze der deutschen Volkswirtschaft: „Die Gesundheitswirtschaft ist Wachstumstreiber und Jobmotor. Sie erwirtschaftete im Jahr 2018 fast 370 Milliarden Euro. Das sind rund 12 % der deutschen Bruttowertschöpfung. Pro Tag hat die Gesundheitswirtschaft im Jahr 2018 damit erstmals mehr als eine Milliarde Euro Bruttowertschöpfung erzielt. Unsere Zahlen zeigen: Die Gesundheitswirtschaft ist in den letzten 10 Jahren mit 4,1 % pro Jahr stärker gewachsen als die deutsche Volkswirtschaft insgesamt. Auch die Beschäftigtenzahlen steigen stärker als im Durchschnitt der deutschen Wirtschaft. Mittlerweile arbeiten in der Gesundheitswirtschaft 7,6 Millionen Menschen, also jeder sechste Erwerbstätige.“

Problematisch ist es, dass der dringend benötigte Zustrom an Fachkräften aus dem Ausland in das deutsche Gesundheitssystem nicht ohne Weiteres realisierbar ist. Z. B. ist Deutschland für hochqualifizierte MigrantInnen im internationalen Vergleich nur mäßig attraktiv, wie eine Ende Mai vorgestellte Studie der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) und der Bertelsmann-Stiftung ergab. Es gibt aber zumindest im pflegerischen Bereich Initiativen, die hoffen lassen, dass bald mehr ausländische Pflegekräfte hierzulande arbeiten werden: So möchte z. B. der Hamburger Medizin-Management-Verband Pflegefachkräfte von den Philippinen nach Deutschland holen. Laut Dr. Konrad Obermann, der bei der Vermittlung der Arbeitskräfte aktiv werden will, steht das Projektkonzept hierzu. Positiv sei hierbei, dass die philippinische Regierung Arbeitsmigration begrüße; zudem seien viele philippinische Pflegefachkräfte arbeitslos, wie die „Ärzte Zeitung“ berichtete.

In solch einem angespannten Szenario sollten sich Pflegekräfte und Ärzte noch mehr annähern und verstärkt zusammenarbeiten. Leider gab es Mitte Mai Verstimmungen zwischen den beiden Lagern: So erklärte der Vorstandsvorsitzende der World Medical Association (WMA) Prof. Frank Ulrich Montgomery laut Medienberichten, dass der Zugang zu einem voll ausgebildeten Arzt ein grundlegendes Menschenrecht sei und Pflegekräfte nur in Fällen, in denen kein Arzt verfügbar ist, hilfreich seien, um die Lücke bestmöglich zu schließen. Dem begegnete (erwartungsgemäß) u. a. Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung, mit Kritik: „Berufsgruppen gegeneinander auszuspielen kann sich keiner nirgendwo mehr leisten. Schon gar nicht in Zeiten des Fachkräftemangels, der mittlerweile jede Berufsgruppe im Gesundheitswesen trifft und die Versorgung der Menschen gefährdet“, sagte er gegenüber der „Ärzte Zeitung“. Hoffen wir, dass sich zumindest die Stimmung zwischen Ärzten und Pflegern, 2 über die Patientenversorgung eng verzahnten Gruppen, wieder bessert!

Eng verwoben sind auch Herz und Niere auf mehreren Ebenen, was wir mit dem vorliegenden Schwerpunktheft zum kardiorenalen Syndrom betonen möchten. Schauen Sie doch in die interessanten Beiträge zum Thema und auch in die weiteren Rubriken hinein. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre dieser Ausgabe der „Dialyse aktuell“!