Zeitschrift für Phytotherapie 2019; 40(03): 97
DOI: 10.1055/a-0879-8158
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Phytotherapie im Bereich Herz-Kreislauf

Bernhard Uehleke
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Publication Date:
10 July 2019 (online)

Im Bereich Herz-Kreislauf gibt es zwar durchaus interessante präklinische Forschung bezüglich endothelschützender pflanzlicher Inhaltsstoffe, aber doch kaum klinische Studien bei manifestierten kardiologischen Krankheitsbildern mit Phytotherapeutika. Allerdings fällt auf, dass seit einigen Jahren Kräutermischungen der TCM recht häufig klinisch erforscht werden und dabei auch vielversprechende Ergebnisse zeigen. In Deutschland und Europa hat die Phytotherapie im Vergleich zu den 80er-Jahren im Bereich der Kardiologie erheblich an Bedeutung verloren.

Gab es doch damals zunächst eine schöne Vielfalt von Heilpflanzen für kardiologische Probleme: Beginnend mit dem Marktführer aller Phytopharmaka Ginkgo biloba für periphere und zentrale Durchblutungsstörungen – sogar intravenöse Zubereitungen zur Akuttherapie z. B. eines Tinnitus. Wobei Ginkgo durchaus als gleichwertig oder fast gleichwertig gegenüber damaligen chemischen Alternativen galt. Inzwischen wird Ginkgo als Mittel gegen Demenz im Bereich Neurologika verortet…

Weißdorn deckte damals nicht nur Altersherz und Herzrhythmusstörungen ab, sondern wurde intensiv bezüglich seiner leistungssteigernden Wirkungen am Patienten mit NYHA I bis II bzw. NYHA II untersucht. Der ehemalige Vorzeigekandidat der „rationalen Phytotherapie“ ist aber heute leider nur noch ein traditionelles Arzneimittel.

Knoblauch war damals als Mittel gegen erhöhte Fettstoffwechselwerte und gegen Arteriosklerose eine oft bevorzugte Alternative gegenüber den Fibraten bzw. später den Statinen. Diejenigen, die mit dem bei hohen Dosierungen kaum vermeidbaren Geruch nicht klarkamen, konnten dann auch gleich noch auf Artischocke ausweichen.

Neben diesen Glanzlichtern der Phytotherapie gab es damals noch die „kleinen Digitalis-Pflanzen“ Adoniskraut, Maiglöckchen, Scilla und Oleander. Einzeln oder in Kombinationen wurden sie nicht nur bei Herzinsuffizienz eingesetzt, sondern auch bei Hypotonie bzw. Venenschwäche.

Dem schloss sich dann die lange Reihe von Venenmittel an (die ja erst Anfang der 80er-Jahre aus politischen Gründen auf die sogenannte Negativliste gekommen waren): Rosskastanie, Mäusedorn sowie Arnika zur äußerlichen Anwendung waren bei Patienten und Ärzten weithin bekannt und beliebt.

Zur Behandlung einer sog. „Grenzwerthypertonie“ gab es phytotherapeutische Mistelzubereitungen und bei funktionellen Herzbeschwerden (auch „Herzneurose“) war eine Herzsalbe mit Rosmarinöl nützlich.

Die Diskrepanz zwischen der damaligen für die Phytotherapie erfreulichen und der heute deutlich reduzierten Situation könnte auch auf Fortschritte in der Kardiologie zurückzuführen sein. Heute wird eine koronare Stenose sofort operativ behandelt, gegen Hypertonie und Herzinsuffizienz gibt es neue und alte chemische Therapieoptionen, bei Rhythmusstörungen gibt es raffinierte Herzschrittmacher und gezielte operative Eingriffe. Pharmamanager könnten aber Problembereiche identifizieren, bei denen preiswerte und gut verträgliche Arzneimittel gefragt wären, sei es zur Vorbeugung bzw. zum Aufschieben von starken und weniger gut verträglichen Arzneimitteln.

Immerhin wissen wir aus der Ernährungsforschung, dass bestimmte pflanzliche Kostformen für die Erhaltung der kardiozirkulären Funktionen äußerst günstig sind – da sind dann sekundäre Pflanzenstoffe im Spiel, die bei vielen Heilpflanzen besonders hoch konzentriert sind. Freilich zählt aber insgesamt die Gesamtmenge und diese wird eben auch erreicht, wenn eine als unspezifisch geltende Pflanze in größerer Menge als Salat oder Gemüse eingenommen wird.

Bernhard Uehleke