physiopraxis 2019; 17(05): 14-18
DOI: 10.1055/a-0867-6565
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
17 May 2019 (online)

Laterale Sprunggelenksdistorsion – Weniger weiße Hirnmasse im Kleinhirn nach Trauma

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Sagittalschnitt durch das Gehirn (Ansicht von links): Die weiße Substanz liegt im Inneren des Kleinhirns. Die meiste graue Substanz liegt an der Oberfläche.
Abb.: Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Kopf, Hals und Neuroanatomie. Illustration: M. Voll. Stuttgart: Thieme; 2015

Eine laterale Sprunggelenksdistorsion ist die häufigste Muskel-Skelett-Verletzung an der unteren Extremität. Rund 70 Prozent der Weltbevölkerung erlitten bereits ein solches Trauma. Bleiben danach Restsymptome zurück, kann sich die Aktivität der Patienten verringern und die gesundheitsbezogene Lebensqualität verschlechtern. Häufig verschlechtert sich zudem die posturale Stabilität, was wiederum die Sturzwahrscheinlichkeit erhöht.

Forscher aus den USA und Japan wollten in ihrer randomisiert kontrollierten Studie diesem Zusammenhang auf den Grund gehen. Sie untersuchten die Unterschiede in der Mikrostruktur der weißen Substanz und die statische Haltungskontrolle bei Personen mit und ohne laterale Sprunggelenksdistorsion.

Sie rekrutierten 10 Patienten, die in der Vergangenheit ein Supinationstrauma erlitten hatten, sowie 10 gesunde Kontrollprobanden. Sie alle sollten sich in drei Durchgängen für je 20 Sekunden einbeinig auf eine Kraftmessplatte stellen. Die Augen sollten sie dabei geöffnet lassen. Anhand dessen, wie lange die Probanden einbeinig stehen konnten bzw. wie ruhig sie auf der Platte („Center of Pressure“) standen, bestimmten die Autoren die posturale Kontrolle und quantifizierten mittels Bildgebung die weiße Hirnmasse im oberen Kleinhirn sowie im kortikospinalen Trakt.

Sie entdeckten im oberen Kleinhirn signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Personen mit Sprunggelenksverletzung hatten dort im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger weiße Hirnmasse. Außerdem erreichten sie schlechtere Werte bei der posturalen Kontrolle.

Kommentiert von Physio Meets Science – Fazit für die Praxis

Die Ergebnisse zeigen, dass in der weißen Substanz mikrostrukturelle Veränderungen auftreten können, die die posturale Kontrolle beeinflussen. Bei einer ausgeprägten Rückbildung wären gar zentralnervöse Dysfunktionen die Folge. So kann sich etwa ein Sportler nach der Reha wieder wohl und leistungsfähig fühlen, im zentralen Nervensystem können allerdings degenerative Prozesse stattfinden, die ihn später in seiner Performance behindern. Ebenso könnte das Risiko einer Wiederverletzung erheblich größer sein.

Für die Praxis kann das bedeuten, dass der Physio bereits während, aber vor allem im Anschluss an die klassische orthopädische Reha eines Supinationstraumas den Fokus auf Training in der „neuronalen Ebene“ legen sollte. Spiegeltherapie, Multitasking, Training der posturalen Kontrolle, koordinatives sportartspezifisches Training mit und ohne visuelle Kontrolle oder LifeKinetic® sollten im Vordergrund stehen.

PMS

Med Sci Sports Exerc 2019; 51: 640–646


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