Laryngorhinootologie 2019; 98(07): 520-521
DOI: 10.1055/a-0861-5019
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung


Subject Editor: Dr. med. Gerlind Schneider, Jena
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Publication Date:
10 July 2019 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Frage: Sprechen Sie über den benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel.

Antwort: Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS) ist eine der häufigsten Funktionsstörungen des Gleichgewichtsorgans. Der BPLS ist definiert als ein episodischer, lageabhängiger Schwindel mit kurzen, rezidivierenden Drehschwindelattacken, die durch Kopflagerungswechsel auslösbar sind. Die Lebenszeitprävalenz beträgt 5 %. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Prädisponierende Faktoren sind längere Bettruhe, Vitamin-D-Mangel und ein stattgehabtes Schädeltrauma. Bis zu 15 % der Patienten mit Z. n. Neuritis vestibularis entwickeln danach einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel. Bei der idiopathischen Form (95 %) ist die Ätiologie unklar. Bei der posttraumatischen Form (5 %) besteht ein zeitlicher Zusammenhang zu einem Schädeltrauma. Es existieren zwei Erklärungsmodelle: Cupulolithiasis-Modell: Hier dient die Anlagerung von Otolithen an die Cupula als Erklärung. Diese verändert ihre Mechanik, da der Otolith durch sein „Übergewicht“ einen zusätzlichen Schwerkraftrezeptor darstellt. Canalolithiasis-Modell: Dieses Modell sieht die Ursache in kleinen Absprengseln der Otolithen, z. B. durch Traumen oder degenerative Veränderungen. Dabei werden die frei im Bogengang beweglichen, aus vielen Otokonien zusammengesetzten und das Lumen des Bogengangs annähernd ausfüllende Konglomerate als Ursache des Lagerungsschwindels angenommen. Am häufigsten (75 %) ist der hintere (posteriore) Bogengang, seltener (20 %) der horizontale (laterale) Bogengang und in Einzelfällen (5 %) der vordere (superiore) Bogengang betroffen. In 5–10 % tritt der BPLS beidseits auf. Leitsymptome sind kurze und heftige Drehschwindelattacken, die zum Teil mit Übelkeit verbunden sind. Sie treten typischerweise beim Hinsetzen, Hinlegen oder beim Drehen im Liegen, manchmal auch bei schnellen Kopfbewegungen auf. Die Diagnostik erfolgt durch die Prüfung des Lagerungsnystagmus. Typisch ist ein meist nach kurzer Latenz (1–5 Sekunden) auftretender in der Regel heftiger rotatorischer Nystagmus mit einem sog. Crescendo-Decrescendo-Charakter. Die Therapie beruht auf der dauerhaften Verlagerung der Otolithen aus dem betroffenen Bogengang durch sogenannte Befreiungs- oder Lagerungsmanöver. Die Therapie für den BPLS des hinteren Bogenganges ist entweder das Semont- oder Epley-Manöver. Ablauf Semont-Manöver: sitzend, Kopf 45° zum nicht betroffenen Ohr – Lagerung zum betroffenen Ohr unter Beibehaltung der Kopfrotation – Lagerung (rasch) zum nicht betroffenen Ohr unter Beibehaltung der Kopfrotation – langsames Aufrichten in sitzende Position. Ablauf Epley-Manöver: sitzend, Kopf 45° zum betroffenen Ohr – Kopf- und Oberkörper in Kopfhängeposition in Rückenlage (1 min) – Kopfdrehung zum nicht betroffenen Ohr (1 min) – Kopf- und Körperdrehung um weitere 90° (Seitenlage) (1 min) – langsames Aufrichten in sitzende Position.

Die Lagerungsmanöver können wiederholt (2–3mal) und ergänzt werden durch eigenständige Lagerung nach Anleitung durch den Patienten selbst. Beide Manöver haben eine gleich hohe Erfolgsrate. Nach der ersten Lagerung sind 60 % beschwerdefrei, nach der dritten Lagerung 94–98 %. Die Therapie für den BPLS des horizontalen Bogenganges erfolgt durch Kopfdrehung nach rechts und links um die Körperlängsachse im Liegen. Die Therapie des BPLS des vorderen Bogengangs erfolgt sitzend, in Kopfhängelage (30°) mit raschem Nachvornbeugen des Kopfes (Kinn auf die Brust) und langsamem Aufrichten nach 30 Sekunden in die sitzende Position.

Der BPLS hat eine hohe Spontanheilungsrate mit bis zu 70 %, unbehandelt persistieren die Beschwerden bei 30 % der Patienten. Die Rezidivrate beträgt bis zu 50 % (Frauen häufiger als Männer).