Rofo 2019; 191(07): 635-642
DOI: 10.1055/a-0838-6253
Review
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Health-Technology-Assessments in der Radiologie in Deutschland: Fehlende Nachfrage, fehlendes Angebot

Article in several languages: English | deutsch
Carolin Winkelmann
1   Chair in Empirical Economics, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
5   Research Campus STIMULATE, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
,
Thomas Neumann
1   Chair in Empirical Economics, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
5   Research Campus STIMULATE, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
,
Jan Zeidler
2   Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), Leibniz University Hannover, Germany
,
Anne Prenzler
2   Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), Leibniz University Hannover, Germany
,
Bodo Vogt
1   Chair in Empirical Economics, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
4   Chair in Health Economics, Institute of Social Medicine and Health Economics, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
5   Research Campus STIMULATE, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
,
Frank K. Wacker
3   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Hannover Medical School, Hannover, Germany
5   Research Campus STIMULATE, Otto-von-Guericke-University Magdeburg, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

27 August 2018

20 December 2018

Publication Date:
14 February 2019 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund Health-Technology-Assessments (HTA) sind eine interdisziplinär anzuwendende Methode zur Unterstützung nachhaltiger, evidenzbasierter Entscheidungen im Gesundheitswesen. Sie untersuchen in einem systematischen Prozess medizinische Produkte, Verfahren und Technologien unter medizinischen, ökonomischen, juristischen, sozialen und ethischen Aspekten hinsichtlich ihres Einsatzes in der medizinischen Versorgung.

Methode In dieser Übersichtsarbeit wird die aktuelle Verbreitung von HTA in der Radiologie in Deutschland betrachtet. Es werden Anreizstrukturen für die Durchführung von HTA diskutiert und die sich daraus ableitenden Herausforderungen für die Akteure im Gesundheitswesen im stationären und ambulanten Sektor erörtert. Dies erfolgt vor dem Hintergrund des zwischen den Sektoren bestehenden Unterschieds im Entscheidungsprozess darüber, welche Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Es wird insbesondere betrachtet, welche Auswirkungen sich aus dem Verbotsvorbehalt (stationär) bzw. Erlaubnisvorbehalt (ambulant) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bezüglich der Erstattung neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden ergeben.

Ergebnisse Aus den Befugnissen des G-BA ergibt sich hinsichtlich der Anreize zur Durchführung und Finanzierung systematischer Nachweise von Effektivität und Effizienz medizinischer Leistungen implizit ein Paradox: Im ambulanten Sektor sind derartige Nachweise ein notwendiges Instrument, während im stationären Sektor keine ausreichenden Anreize für die Akteure bestehen, in die Durchführung solcher Bewertungen der gleichen Leistung zu investieren.

Schlussfolgerung Es zeigt sich, dass der Bewertungsgegenstand gravierende Unterschiede innerhalb des HTA begründet. Bewertungsprozesse, die zur Überprüfung der Effektivität von Arzneimitteln etabliert sind, können nicht einfach auf radiologische Verfahren übertragen werden. Bei der Bewertung einzelner radiologischer Verfahren muss extrem differenziert, z. B. nach Tumorstadien, vorgegangen werden. Trotz dieser Herausforderungen sollte eine systematische Übersicht und kritische Bewertung verfügbarer Evidenz sowohl zur medizinischen Wirksamkeit als auch der Kosteneffizienz ein elementarer Baustein in der evidenzbasierten Radiologie (EbR) sein. Da Unternehmen im Gesundheitswesen die EbR nicht vorantreiben, sind öffentliche Fördermittelgeber gefordert, Studien zur Innovations- und Nutzenbewertung von bildgebenden radiologischen Verfahren zu unterstützen.

Kernaussagen:

  • HTAs sollten ein grundlegender Bestandteil der evidenzbasierten Radiologie sein.

  • Befugnisse des G-BA begründen ein implizites Paradox hinsichtlich der Anreize zur Durchführung und Finanzierung von HTAs.

  • Universitätsmedizin und öffentliche Fördermittelgebern sind gefordert Studien zu unterstützen, die den Nutzen radiologischer Verfahren bewerten.

Zitierweise

  • Winkelmann C, Neumann T, Zeidler J et al. Health Technology Assessments in Radiology in Germany: Lack of Demand, Lack of Supply. Fortschr Röntgenstr 2019; 191: 635 – 642