Die Wirbelsäule 2019; 03(01): 77
DOI: 10.1055/a-0819-7940
1. Vortragspreis
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die reversible Reorganisation des Motorareals und der Erregbarkeit bei cervikaler Myelopathie – die Kortikospinale Reserve

A Zdunczyk
1   Charité Berlin, Berlin, Deutschland
,
L Kawelke
1   Charité Berlin, Berlin, Deutschland
,
T Picht
1   Charité Berlin, Berlin, Deutschland
,
P Vajkoczy
1   Charité Berlin, Berlin, Deutschland
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
22 February 2019 (online)

 

Hintergrund:

Wir konnten zuletzt darstellen, dass Patienten mit cervikaler Myelopathie eine kompensatorische Reorganisation des kortikospinalen Netzwerkes aufweisen, welche zu der Idee einer „Kortikospinalen Reservekapazität“ führte. Bei Patienten mit milder klinischer Symptomatik (JOA> 12) und somit erhaltener Reserve konnte ein vergrößertes Motorareal aufgrund einer erhöhten Rekrutierung supplementärer Motorareale (M2) beobachtet werden. Im Gegensatz hierzu wiesen Patienten mit schweren Symptomen (JOA≤12) und aufgehobener Reserve ein reduziertes Motorareal, eine kleinere Reiz-Antwort-Kurve wie auch eine erhöhte Inhibition auf. Hier stellen wir die Ergebnisse der 9 Monatsverlaufskontrollen vor, um zu beurteilen in wie fern der Status der kortikospinalen Reserve einen Einfluss auf das Outcome nach operativer Dekompression hat und in wie fern diese Veränderungen reversibel sind.

Methoden:

Es wurden 25 Patienten mit einer cervikalen Myelopathie auf dem Boden einer cervikalen Spinalkanalstenose sowohl präoperativ wie auch in einer 9 Monats-Verlaufskontrolle mittels navigierter transkranieller Magnetstimulation (nTMS) untersucht. Auf der Grundlage des initialen JOA Scores wurden zwei Patientengruppen festgelegt (JOA ≤ 12/> 12). Es wurde die Ruhemotorschwelle (RMT), Reiz-Antwort-Kurve (RC), Kortikale Innervationsstille (CSP) und das Motorareal für einen Handfingermuskel (FDI) bestimmt.

Ergebnisse:

Die RMT zeigte sich in der Verlaufsuntersuchung (VU) in beiden Gruppen unverändert (präoperativ/VU RMT JOA≤12 p = 0,07/JOA > 12 p = 0,06). Eine operative Dekompression führte zur Erholung der Größe des Motorareals bei Patienten mit schweren Symptomen (linke/rechte Hemisphäre mean ± SD präoperativ JOA ≤12: 194,4 ± 121,3 mm2/VU 430,1 ± 253,4 mm2 p = 0,03). Diese Patienten wiesen eine gute klinische Erholung auf (Gruppe JOA ≤ 12: JOA präoperativ 9,0 ± 0,5/VU 12,4 ± 2,5). Bei Patienten mit präoperativ milder Symptomatik (JOA > 12) und erhaltener kortikospinaler Reserve zeigte sich keine Änderung der Größe des Motorareals. Dennoch zeigte sich die kompensatorisch erhöhte Rekrutierung supplementär motorischer Areale und Disinhibition nach 9 Monaten regredient (JOA > 12 M2 Areal präoperativ 59,4 ± 91,8 mm2/VU 2,1 ± 4,2 mm2 p = 0,02; CSP präoperativ 147,5 ± 37,8 ms/VU 164,3 ± 41,8 ms p = 0,03). Diese Patienten zeigten einen stabilen klinischen Verlauf (JOA präoperativ 14,2 ± 1,3/VU 13,8 ± 1,9)

Schlussfolgerung:

Auf Grundlage dieser Ergebnisse konnten wir reversible Adaptationsmechanismen sowohl auf kortikalen wie auch spinalen Niveau im Sinne einer kortikospinalen Reservekapazität darstellen. Diese funktionelle Reorganisation stellt sich im postoperativen Verlauf als reversibel dar. Weiterhin führte die operative Dekompression zu einer Erholung der Größe des Motorareals bei Patienten mit einer erschöpften Reserve. Dies spiegelte sich in einer guten klinischen Erholung wider. Die Veränderungen dieser nTMS Parameter könnten somit zukünftig als wertvolle Prognosefaktoren für diese Patienten dienen.