Laryngorhinootologie 2019; 98(03): 218-219
DOI: 10.1055/a-0799-6381
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung


Subject Editor: Dr. med. Gerlind Schneider, Jena
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Publication Date:
07 March 2019 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Frage: Sprechen Sie über das Knalltrauma!

Antwort: Das Innenohr kann durch Schalleinwirkung je nach Art, Dauer und den Begleitumständen geschädigt werden. Akute akustische Traumen sind das Knalltrauma, das Explosionstrauma und das akustische Trauma. Eine chronische Lärmexposition über Jahre kann zu einer Lärmschwerhörigkeit führen.

Kennzeichen des Knalltraumas sind die kurzzeitige (1–3 ms) Einwirkung einer sehr starken Schalldruckwelle (Spitzenpegel Lc, peak 160–190 dB oder maximaler A und I-bewerteter Schalldruckpegel LAI, max 135 dB). Die Mittelohrstrukturen bleiben durch die sehr kurze Expositionszeit intakt. Im Bereich des Innenohres kann es zur Schädigung der Haarzellen im hohen Frequenzbereich mit dem Maximum bei 4–6 kHz kommen.

Entscheidend für das Auftreten von vorübergehenden (Temporary Threshold Shift – TTS) oder persistierenden (Permanent Threshold Shift – PTS) Innenohrschäden ist der Zeitverlauf und die Höhe des einwirkenden Schalldruckes. Durch die Resonanzvorgänge im Gehörgang und Mittelohr kommt es zu einer bevorzugten Schädigung der Haarzellen bei 4–6 kHz. Diese vorübergehende Schädigung (TTS) bildet sich in den allermeisten Fällen zurück, sehr selten können dauerhafte Schäden (PTS) auftreten.

Typisch ist das sofortige Auftreten eines vorübergehenden Betäubungsgefühls, Ohrendruck, Tinnitus, manchmal stechender Schmerz. Diese Symptome bilden sich langsam zurück (Stunden – wenige Tage). Nicht typisch für ein Knalltrauma sind eine weiter zunehmende Hörverschlechterung nach Wochen/Monaten/Jahren, ein alleiniger Tinnitus ohne nachgewiesene Hörstörung, hochgradige Hörverluste, pantonale Hörstörungen oder Hörverluste im apikomediocochleären Bereich sowie das Auftreten von Schwindel.

Die Anamnese mit genauem Zeitverlauf der angegebenen Symptome kann insbesondere bei nachfolgenden Erhebungen durch die gesetzliche oder private Unfallversicherung sehr hilfreich sein. Die Ohrmikroskopie erfolgt zum Ausschluss von Verletzungen oder Mittelohrerkrankungen. Audiometrisch sollte mindestens ein Reintonaudiogramm zur Feststellung eines Erstschadens und dem Ausmaß der Schwerhörigkeit erfolgen. Weitere audiometrische oder vestibuläre Untersuchungen sind bei Ausschluss von Differenzialdiagnosen (Hörsturz, Morbus Menière) ggf. notwendig.

Die Therapie erfolgt meist als Kortisongabe analog der Hörsturztherapie. Bei geringer Schädigung kann auch die Erholung der Haarzellen abgewartet werden.

In den allermeisten Fällen bilden sich die Symptome innerhalb von Stunden bis wenigen Tagen zurück. Dauerschäden sind sehr selten. Eine Progredienz nach einem längeren Zeitraum ist nicht typisch.

Viele als „Knalltrauma“ bezeichnete oder empfundene Schalleinwirkungen (z. B. menschliche Schreie, Platzen eines Getränkekartons, Trillerpfeife/Schrei über Telefon, Hundegebell, Platzen eines Luftballons) sind nicht geeignet, einen dauerhaften Innenohrschaden hervorzurufen. Bei potenziell geeigneten Schallereignissen (Schüsse, Knallkörper, Platzen von Druckschläuchen) ist für die schädigende Wirkung immer auch der Abstand von der Schallquelle entscheidend.

Es sollte deshalb vermieden werden, in der Erstdiagnose einen Ursachenzusammenhang zu beschreiben, da sich häufig daraus versicherungsrechtliche Untersuchungen ergeben. Die Diagnose sollte deshalb nicht „Knalltrauma mit…“ heißen, sondern z. B. „Hochtonschwerhörigkeit nach Geräuscheinwirkung/Schallereignis“, da dem behandelnden Arzt häufig die genauen Umstände des Ereignisses oder Unfalls nicht bekannt sind.