Laryngorhinootologie 2019; 98(02): 129-130
DOI: 10.1055/a-0784-9866
Facharztfragen
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Fragen für die Facharztprüfung


Subject Editor: Dr. med. Gerlind Schneider, Jena
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Publication Date:
08 February 2019 (online)

Innenohr, Gleichgewichtssinn und Otobasis

Frage: Sprechen Sie über Immunerkrankungen mit audiovestibulärer Beteiligung!

Antwort: Das Innenohr kann im Rahmen von Autoimmunerkrankungen hauptsächlich im Bereich der Stria vascularis und des Saccus endolymphaticus betroffen sein. Durch die immunogene Vaskulitis oder die immunkomplexvermittelte Entzündung resultieren direkte oder indirekte Schäden der Sinnesepithelien. Typische immunvermittelte Innenohrerkrankungen treten im Rahmen der Granulomatose mit Polyangiitis (früher Mb. Wegener), des Cogan-Syndroms, der Relapsing Polychondritis, des Mb. Behcet, des Lupus erythematodes, der Polyarteriitis nodosa und des Vogt-Kogyanagi-Harada Syndroms auf. Die höchste Inzidenz hat der Lupus erythematodes (12–40/100 000), gefolgt vom Mb. Behçet (1/500 000 (Türkei am höchsten 300–500/100 000). Die Granulomatose mit Polyangiitis, die Relapsing Polychondritis sowie die Polyarteriitis nodosa treten mit einer Inzidenz von 1–5/1 Mio. auf. Das Cogan-Syndrom ist sehr selten, zeigt dafür bei über 75 % eine audiovestibuläre Symptomatik. Der Lupus erythematodes und das Cogan-Syndrom manifestieren sich im frühen Erwachsenenalter, alle anderen o. g. Erkrankungen im mittleren bis späten Erwachsenenalter. Die Geschlechtsverteilung ist für alle o. g. Erkrankungen gleichverteilt. Ausnahme ist der Lupus erythematodes mit überwiegend weiblicher (82–96 %) Manifestation. Beim Mb. Behçet zeigen die männlichen Betroffenen häufig schwerere Verläufe. Prädisponierende Faktoren sind für alle o. g. Erkrankungen virale, seltener bakterielle Infektionen. Bei der Granulomatose mit Polyangiitis und die Relapsing Polychondritis ist eine HLA-assoziierte genetische Disposition bekannt. Ätiologisch kommt es bei allen o. g. Erkrankungen zu einer autoantikörpervermittelten Vaskulitis.

Bei der Granulomatose mit Polyangiitis ist eine Innenohrbeteiligung als Initalsymptom selten (Häufigkeit ca. 14 %). Im Krankheitsverlauf kommt es bei bis zu 42 % der Patienten zu einer Innenohrschwerhörigkeit meist in Zusammenhang mit einer Mittelohrbeteiligung. Das Cogan-Syndrom ist gekennzeichnet durch anfallsweisen Tinnitus, Schwindel und Innenohrschwerhörigkeit in Kombination mit Augensymptomen (interstitielle Keratitis). Bei der Relapsing Polychondritis tritt eine Innenohrschwerhörigkeit bei 40 % der Patienten, häufig in Kombination mit den typischen Knorpelnekrosen (Ohrmuschel (24 %), knorplige Nase, Kehlkopf, Tracheobronchialsystem) sowie Augen- und Hautveränderungen, kardiopulmonalen Symptome und neurologischen Symptome auf. Beim Mb. Behçet ist die Innenohrschwerhörigkeit die vierthäufigste Manifestation (nach Schleimhaut, Haut, Auge) und ist am häufigsten assoziiert mit Haut- und Gelenkveränderungen. Bis zu 70 % der an Lupus erythematodes Erkrankten zeigen eine Innenohrschwerhörigkeit, oft in Kombination mit Tinnitus, selten mit Schwindel. Die Polyarteriitis nodosa ist gekennzeichnet durch eine langsam progrediente Innenohrschwerhörigkeit. Beim Vogt-Kogyanagi-Harada Syndrom zeigt sich eine Kombination von Augenveränderungen (Uveitis) und Tinnitus mit Hochtonschwerhörigkeit.

Therapeutisch erfolgt im akuten Stadium eine Kortisontherapie analog der Hörsturztherapie. Die Dauertherapie (Immunsuppressiva, Immunmodulatoren) wird interdisziplinär mit den Rheumatologen und anderen beteiligten Fachdisziplinen abgestimmt.

Die Prognose und der Verlauf der audiovestibulären Beteiligung sind bei den o. g. Krankheitsbildern unterschiedlich und hängen auch vom Ansprechen auf die Dauermedikation ab. Bei der Granulomatose mit Polyangitis zeigen bis zu 42 % der Patienten eine Zunahme der Innenohrschwerhörigkeit im Verlauf. Beim Cogan-Syndrom haben 75 % der Patienten Krankheitsschübe, bei 45 % sind beide Ohren betroffen, bei bis zu 50 % resultiert eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit. Bei der Relapsing Polychondritis, dem Mb. Behçet und der Polyarteriitis nodosa wird meist nur eine langsame Zunahme der Innenohrschwerhörigkeit beobachtet. Die Innenohrschwerhörigkeit beim Lupus erythematodes zeigt meist einen schleichenden Beginn, gefolgt von einem schubweisen Verlauf mit z. T. langen Pausen. Das Vogt-Kogyanagi-Harada Syndrom ist gekennzeichnet durch einen persistierenden Tinnitus bei bis zu 50 % der Patienten und einer Hochtonschwerhörigkeit mit langsamer Zunahme bds., selten Ertaubung.