Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2018; 25(06): 241
DOI: 10.1055/a-0751-4113
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nepal, das Land mit sechs Himmelsrichtungen

Rainald Fischer
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Publikationsdatum:
20. Februar 2019 (online)

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Prof. Dr. Rainald Fischer

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

dieses Editorial erlaube ich mir, direkt aus Kathmandu zu schreiben, zumal ein Schwerpunkt der FTR ja die Reisemedizin ist.

Der Anlass für meine Reise ist dieses Mal nicht ein Trekking oder eine Gipfelbesteigung, sondern der XII ISMM World Congress on Mountain Medicine mit dem Schwerpunkt „Mountain Medicine in the Heart of the Himalayas“. Die International Society of Mountain Medicine organisiert diesen Kongress alle 2 Jahre. Obwohl Kathmandu als Basis für die Besteigung der höchsten Berge dient, war die Entwicklung in den letzten 2 Jahrzehnten noch nicht so weit, hier einen hochkarätigen Kongress zu organisieren.

Nepal ist inzwischen nicht mehr eines der ärmsten Länder der Welt, als das es die Regierung gerne betitelt, um vielleicht noch mehr Gelder aus der Entwicklungshilfe zu bekommen. Es ist zwar auch nicht ein reiches Land, aber reich an wunderbarer Landschaft und einer großen Vielfalt wunderbarer Menschen.

Kunda Dixit, der Editor der Nepali Times zeigte in seiner Eröffnungsrede, dass Nepal inzwischen eine deutliche verringerte Kinder- und Müttersterblichkeit hat. Der Tourismus ermöglicht immer mehr Menschen ein gutes Auskommen. Trotz Korruption und Bürokratie sind nach dem Erdbeben 2015 viele neue Gebäude entstanden, Straßen wurden instandgesetzt und Trekkingwege wieder gangbar gemacht. Nepal ist auch kein so kleines Land, als das es oft bezeichnet wird. Mit inzwischen 30 Mio. Einwohnern ist das Land knapp halb so groß wie Deutschland, wenn man die reine Projektionsfläche auf die Erde betrachtet. Wenn man allerdings die gesamte Oberfläche mit allen Tälern und Gipfeln ausbreitet, würde Nepal von Nordindien bis weit nach Tibet hineinreichen. Daher gibt es in diesem Land nicht nur 4 Himmelsrichtungen, sondern 6: nämlich auch noch hoch und runter. Der tiefste Punkt des Landes liegt gerade mal 70 m über dem Meeresspiegel, der höchste Punkt bekanntermaßen auf dem Everest. Leider ist auch Nepal stark vom Klimawandel betroffen. So hat sich zum Beispiel unterhalb des Lhotse inzwischen ein riesiger See gebildet, der noch nicht mal auf den Karten aus der Jahrtausendwende verzeichnet ist. Durch das Abschmelzen des Khumbu-Gletschers liegt des Basecamp auf der Everest-Südseite inzwischen 50 m tiefer als zu Hillarys Zeiten.

Der Kongress wurde mit Unterstützung der EURAC in Bozen von der Mountain Medicine Society Nepal perfekt organisiert. Nicht nur Höhenmedizin wird zur Gänze abgedeckt, sondern auch Bergrettung und Reisemedizin sind wichtige Themen. Besonders schön ist zu sehen, dass durch diese Organisation und die regelmäßig stattfindenden Kurse zum Erwerb des nepalesischen Diploma of Mountain Medicine auch zunehmend mehr nepalesische Ärzte und inzwischen auch Ärztinnen sich diesem, für das Land so wichtigem Themas annehmen und mit Leben füllen.

Auch in dieser bisher recht patriarchalischen Gesellschaft übernehmen Frauen immer mehr Führungsrollen, wie eindrucksvoll die junge Medizinstudentin gezeigt hat, die den ganzen Eröffnungsabend als „Master of Ceremony“ moderiert hat.

Mit diesem kurzen Bericht aus Nepal wünsche ich Ihnen schöne Feiertage und ein glückliches Neues Jahr.