Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(12): 742-743
DOI: 10.1055/a-0736-2084
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die S2k-Leitlinie Notfallpsychiatrie

S2k guideline on psychiatric emergencies
Thomas Messer
,
Frank-Gerald B. Pajonk
,
Max Schmauß
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Publication History

Publication Date:
07 January 2019 (online)

Ein psychiatrischer Notfall ist definiert als eine medizinische Situation, in der das akute Auftreten oder die Exazerbation einer bestehenden psychiatrischen Störung zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit des Betroffenen und / oder seiner Umgebung führt und / oder einer sofortigen Therapie bedarf. Trotz der Häufigkeit psychiatrischer Notfälle werden sie in ihrer Relevanz oftmals unterschätzt und sind in vielerlei Hinsicht unzureichend beforscht. Man kann davon ausgehen, dass in Deutschland jährlich ca. 500 000 Menschen vom Notarzt und ca. 1,5 Millionen Menschen in Notaufnahmen wegen eines psychiatrischen Notfalls versorgt werden. Der überwiegende Teil psychiatrischer Notfälle entwickelt sich außerhalb psychiatrischer Einrichtungen, sodass primär nicht Psychiater, sondern überwiegend Hausärzte, Allgemeinmediziner, Internisten oder Anästhesisten für die Erstversorgung zuständig sind. Wie auch bei anderen medizinischen Notfällen besteht bei vielen psychiatrischen Notfällen eine unmittelbare Gefährdung, die eine sofortige Diagnostik und Therapie erfordert. Angesichts der hohen epidemiologischen und inhaltlichen Relevanz wurde vom Referat Notfallpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) eine Leitlinie zu psychiatrischen Notfällen konzipiert, die seit dem 21. November 2018 als Konsultationsfassung auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) (www.awmf.org) zur Verfügung steht.

Ziel dieser Leitlinie ist es, die Qualität von Diagnostik und Therapie psychiatrischer Notfälle in den unterschiedlichen Bereichen (Präklinik, Notaufnahme, stationärer Bereich) zu verbessern und damit einen substanziellen Beitrag zur Optimierung der Versorgung psychisch Kranker zu leisten. Die Leitlinie richtet sich an alle Personen, die an der Notfallversorgung psychisch kranker Menschen beteiligt sind. Sie ist störungsspezifisch gegliedert, d. h. es werden u. a. Bewusstseinsstörungen, Delir, substanzbedingte Störungen, Angstsyndrome, Erregungszustände, Suizidalität, paranoid halluzinatorische Syndrome, maniforme Syndrome, Stupor und Katatonie sowie psychosoziale Krisen und Traumatisierung in Diagnostik und Therapie im Kontext des Notfalls definiert und diskutiert und abschließend entsprechende Empfehlungsgrade gegeben, soweit dies angesichts vielfach fehlender Evidenz aus kontrollierten Studien möglich ist. Es ist zu wünschen, dass diese Leitlinie von einem breiten Publikum wahrgenommen und in der notärztlichen Versorgung psychisch kranker Menschen berücksichtigt wird.