Zusammenfassung
Die präoperative Anämie, definiert durch ein Unterschreiten eines präoperativen Hämoglobinwerts
(Hb-Wert) von 12 g/dl für Frauen und 13 g/dl für Männer, stellt mit einer Prävalenz
von 25 – 30% der Patienten vor einem elektiven operativen Eingriff einen unabhängigen
Risikofaktor für perioperative Transfusion, Morbidität und Mortalität dar. Nach einer
Metaanalyse in der S3-Leitlinie „Präoperative Anämie“ besteht für präoperativ anäme
Patienten vor elektiven kardiochirurgischen und nicht kardiochirurgischen Eingriffen
sowohl ein signifikant erhöhtes Risiko, perioperativ zu versterben, als auch, perioperativ
transfundiert zu werden. Häufigste Ursachen einer präoperativen Anämie sind ein Eisenmangel,
eine Niereninsuffizienz bzw. eine Anämie der chronischen Erkrankung. Über ein Blutbild
ca. 4 – 6 Wochen vor der Operation können der Hb-Wert und die Erythrozytenparameter,
vor allem das mittlere korpuskuläre Erythrozytenvolumen (MCV) sowie die Retikulozytenzahl
(ggf. Sonderanforderung), bereits erste relevante Hinweise auf die Genese einer Anämie
liefern. Die Therapie der präoperativen Anämie sollte immer ursachengerecht, d. h.
nach einer präoperativen Anämiediagnostik, durchgeführt werden. Bei nachgewiesenem
Eisenmangel sollte die Behandlung mit oralem oder, bei enteraler Resorptionsstörung
und/oder gastrointestinaler Unverträglichkeit und/oder mangelnder Behandlungszeit,
mit i. v. Eisen indiziert werden. Bei einer Anämie der chronischen Erkrankung oder
renalen Anämie kann eine Behandlung mit Erythropoietin erfolgen. Liegt zusätzlich
ein Eisenmangel vor, kann Erythropoietin in Verbindung mit Eisen verabreicht werden.
Grundsätzlich sollten potenzielle Unverträglichkeitsreaktionen, insbesondere bei i. v.
Eisen, sowie mögliche Interaktionen des Erythropoietins und Tumorerkrankungen berücksichtigt
werden. Unabhängig vom Geschlecht sollte ein Hb > 12 g/dl durch die Gabe von Erythropoietin
und/oder Eisen nicht überschritten werden.
Abstract
Preoperative anemia with a preoperative hemoglobin level < 12 g/dl in female and < 13 g/dl
in male is an independent risk factor for morbidity and mortality. A metaanalysis
of the German guideline on Preoperative Anemia identified a significant increased
risk for mortality and for perioperative red blood cell transfusion in preoperative
anemic patients undergoing elective cardiac- or non-cardiac surgery. If preoperative
anemia is diagnosed, differential blood screening should be performed timely, usually
4 – 6 weeks before elective surgery. Most common cause of preoperative anemia are
iron deficiency, renal failure as well as anemia of chronic diseases. Preoperative
anemia should only be started after diagnosis. Oral iron therapy in preoperative anemia
is recommend in case of existing iron deficiency while intravenous administration
of iron is only recommended if the preoperative time interval for oral therapy is
too short, or if there is an intolerance or resorption disorder for oral iron treatment.
Erythropoietin might be indicated when renal anemia or anemia due to chronic diseases
has been diagnosed. If concomitant iron deficiency is present, therapy with erythropoietin
in combination with iron is recommended. Possible non-hematopoietic effects of erythropoietin,
e.g. the potential impact on angiogenesis and tumor growth or rare severe cutaneous
reactions requiring a differentiated and cautious use of erythropoietin. In the treatment
with erythropoietin and/or iron it has to be considered not to exceed a preoperative
hemoglobin value of 12 g/dl.
Schlüsselwörter Eisenmangelanämie - renale Anämie - chronische Anämie - Erythropoietin - Transfusion
Key words iron deficiency anemia - renal anemia - anemia of chronic diseases - erythropoietin
- transfusion