Z Sex Forsch 2018; 31(03): 305-308
DOI: 10.1055/a-0663-3887
Buchbesprechungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechungen

Further Information

Publication History

Publication Date:
24 September 2018 (online)

Lauren Rosewarne. Intimacy on the Internet: Media Representations of Online Connections. New York, NY, London: Routledge 2016. 258 Seiten, GBP 36,99

Dass sich durch Internet- und Handy-Nutzung unsere sexuellen Verhältnisse in den letzten zwei Dekaden stark verändert haben, ist heute ein Allgemeinplatz. Besonders kontrovers diskutiert wurden und werden die Effekte der allgegenwärtigen Online-Pornografie. Aber auch der Boom des Online-Dating, also der gezielten Suche nach Sex- und Beziehungspartner_innen mittels Internet-Portalen und Dating-Apps, beschäftigt Forschung und breite Öffentlichkeit sehr stark. Auf der einen Seite stehen die Werbeversprechungen der Plattformbetreiber, die Hoffnungen der zahlenden Kundschaft und die ermutigenden Geschichten erfolgreichen Online-Kennenlernens. Auf der anderen Seite stehen die erlebten Enttäuschungen und die befürchteten Gefahren – von Fake-Profilen über Cyberuntreue, Konsummentalität in der Liebe bis zu Hacker-Angriffen.

Die bisherige Forschung zeichnet ein differenziertes Bild des Online-Dating. Demgemäß berichten die Beteiligten von Chancen und Risiken gleichermaßen, wobei für die Mehrheit die Vorteile leicht überwiegen. Doch Einstellungen zum Online-Dating sind oft nicht vom aktuellen Forschungsstand bestimmt, sondern von (sofern vorhanden) eigenen Praxiserfahrungen sowie von medialen Darstellungen – seien es Nachrichten oder Unterhaltungsformate. Darüber, wie nun das Online-Dating in den Massenmedien dargestellt und bewertet wird, liegen indessen erstaunlich wenig gesicherte Daten aus systematischen Inhaltsanalysen vor. Das gilt im Übrigen auch für viele andere Online-Phänomene. So kommt es immer wieder vor, dass die einen behaupten, das Internet werde in den Massenmedien heute generell viel zu unkritisch und idealisierend dargestellt, während die anderen monieren, die massenmediale Internet-Darstellung sei oft dramatisierend und alarmistisch, von irrationalen Ängsten und Negativ-Stereotypen geprägt.

Die australische Sozialforscherin Lauren Rosewarne hat es sich vor diesem Hintergrund zur Aufgabe gemacht nachzuforschen, wie das Online-Dating in fiktionalen Filmen und TV-Serien heute repräsentiert ist. Dazu hat sie rund 300 englischsprachige Filmszenen aus den letzten 15 Jahren betrachtet, darunter auch in Deutschland populäre Fernsehserien wie etwa „Sex and the City“, „The L Word“ oder „Big Bang Theory“.

Im Ergebnis weist sie darauf hin, dass die fiktionale Darstellung des Online-Dating überwiegend in einem negativen Bedeutungsrahmen stattfindet, teilweise „dämonisierend“ erscheine. In der medialen Repräsentation des Online-Dating identifiziert sie sechs immer wieder auftauchende Negativszenarien: 1. Online-Dating als kommerzialisierte Kontaktsuche mit zynischer Shopping-Mentalität. 2. Online-Dating als unromantisches, künstliches Kennenlernen. 3. Online-Dating als Sammelbecken von Menschen, die vereinsamt, verzweifelt und unfähig zu realer Kontaktsuche sind. 4. Online-Dating als Bühne der Selbstdarstellung mit geschönten oder völlig irrealen Fake-Profilen. 5. Online-Dating als Suche nach Stimulation und Ablenkung ohne echte Kontaktanbahnung. 6. Online-Dating als Nische für Menschen mit perversen Neigungen. Eher vereinzelt erscheine Online-Dating in der fiktionalen Filmwirklichkeit als normal, unproblematisch oder sogar hilfreich.

Die Monografie bietet erste Antworten auf die relevante Forschungsfrage, wie das sexualbezogene Internet-Phänomen des Online-Dating in der fiktionalen Medienwirklichkeit repräsentiert ist. Stark limitiert ist die Aussagekraft der Studie leider dadurch, dass die Stichprobenauswahl der Filmszenen offenbar willkürlich erfolgte, nicht näher begründet wird und sich auf englischsprachige Filme und TV-Serien beschränkt. Interkulturelle Aspekte werden nicht ausdrücklich thematisiert. Ein weiteres Manko besteht im Analyseansatz. So wurde das Materialkorpus weder quantitativ noch qualitativ systematisch durchgearbeitet, stattdessen werden einzelne Szenen exemplarisch angeführt und kursorisch vor dem Hintergrund öffentlicher Debatten und wissenschaftlicher Studien kommentiert. Damit bleibt offen, ob die im Buch in jeweils einem separaten Kapitel behandelten sechs Negativszenarien überhaupt das gesamte Spektrum der Repräsentationsweisen angemessen abdecken. Offen bleibt durch das unsystematische Vorgehen auch, wie stark der von der Autorin monierte Negativ-Bias tatsächlich ist. Leider wurde in die Analyse keine Zeitdimension einbezogen. So wäre es interessant zu betrachten, ob im Zuge der stärkeren Popularisierung des Online-Dating in den letzten Jahren die Repräsentation in fiktionalen Filmen und Fernsehserien zunehmend entdramatisiert und normalisiert wird. Trotz der genannten Einschränkungen kann das Buch eine nützliche explorative Grundlage für systematische quantitative und/oder qualitative Anschlussstudien darstellen. Von der Autorin liegen weitere Monografien mit ähnlichem Forschungsansatz vor, die sich u. a. mit der medialen Repräsentation von Masturbation („Masturbation in Pop Culture“, 2014) oder Menstruation („Periods in Pop Culture“, 2014) befassen.

Nicola Döring (Ilmenau)