Aktuelle Kardiologie 2018; 7(03): 220-230
DOI: 10.1055/a-0626-6961
Übersichtsarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Genetisch bedingte Aortenerkrankungen – Empfehlungen für Kardiologen in Praxis und Klinik

Genetic Aortic Syndromes – Recommendations for Cardiologists in Practice and Clinic
Michael Huntgeburth
1   Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und internistische Intensivmedizin, Uniklinik Köln – Herzzentrum, Köln
,
Rhoia Clara Neidenbach
2   Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern, München
,
Yskert von Kodolitsch
3   Klinik und Poliklinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf Universitäres Herzzentrum Hamburg GmbH, Hamburg
,
Harald Kaemmerer
2   Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum München des Freistaates Bayern, München
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Publication Date:
28 June 2018 (online)

Zusammenfassung

Erweiterungen der Aorta sind häufig. Erst die Kenntnis zugrunde liegender Ursachen und Mechanismen ermöglicht eine adäquate Diagnose und Beratung der Betroffenen. Genetisch bedingte Aortenerkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für Aortenkomplikationen wie Dissektion und Ruptur assoziiert. Die zugrunde liegenden Ursachen können syndromal (z. B. Marfan-, Loeys-Dietz-, vaskuläres Ehlers-Danlos-Syndrom) und nicht syndromal (z. B. isolierte bikuspide Aortenklappe – BAV, Aortenisthmusstenose, komplexe angeborene Herzfehler, familiäres thorakales Aortenaneurysma – FTAA, Dissektionen – TAAD) bedingt sein. Familienanamnese, klinische Merkmale, Bildgebung und genetische Testung werden zur Diagnosestellung herangezogen. Entscheidend ist eine genaue prognostische Einschätzung hinsichtlich möglicher Aortenkomplikationen. Das Management umfasst eine Modifikation der Lebensweise (z. B. bez. körperlicher Belastung bei Sport und Beruf), eine medikamentöse Prophylaxe einer progressiven Aortenerweiterung (Reduzierung der Wandspannung), eine elektive Aortenersatz-OP sowie regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen. Aufgrund der Komplexität der Aortopathien ist eine multidisziplinäre Betreuung für eine optimale Patientenversorgung notwendig. Zudem sollte ein Familienscreening von Angehörigen ersten Grades erfolgen, um gefährdete Familienmitglieder identifizieren zu können.

Abstract

Dilatation of the aorta is a condition. Knowledge of the underlying causes and mechanisms allows adequate diagnosis and guidance of patients. Genetically determined aortic diseases are associated with increased risk for aortic complication (dissection/rupture). The underlying conditions include syndromic (e.g. Marfan-, Loeys-Dietz-, vascular Ehlers-Danlos-Syndrome) and non-syndromic conditions (e.g. bicuspid aortic valve – BAV, aortic coarctation, complex congenital heart diseases, familial thoracic aortic aneurysm – FTAA, dissections – FTAAD). Family history, clinical investigation, imaging and genetic testing are used for diagnosis. A precise diagnosis and risk stratifying for aortic complications are crucial for the prognosis of these patients. The management includes modifications in lifestyle (e.g. physical stress in sport and work), a medical prophylaxis of aortic growth (reduction of wall stress), an elective aortic replacement and regular follow-up examinations. Due to the complexity of aortopathies, a multidisciplinary care is required. Additionally, a family screening of all first-degree family members is necessary to identify others at risk.

Was ist wichtig?
  • Es gibt eine Vielzahl genetisch bedingter Aortenerkrankungen. Diese werden durch eine genaue Familienanamnese, klinische Untersuchung, apparative Untersuchungen (Echokardiografie, Doppler-Verfahren, MRT/CT) sowie ggf. eine genetische Untersuchung abgeklärt.

  • Im klinischen Alltag von besonderer Bedeutung sind das Marfan-, Loeys-Dietz-, vaskuläre Ehlers-Danlos- und Turner-Syndrom sowie die Aortopathie in Assoziation mit bikuspider Aortenklappe oder Aortenisthmusstenose.

  • Zunehmend an Bedeutung gewinnt die Aortopathie im Verlauf von komplexen angeborenen Herzfehlern (z. B. Fallot-Tetralogie, univentrikuläre Herzen nach Fontan-OP, Transposition der großen Gefäße, sonstige konotrunkale Anomalien).

  • Nach exakter Diagnose und Risikoabschätzung kann eine adäquate Beratung erfolgen.

  • Hinweise auf eine angepasste Lebensführung sind essenziell.

  • Bei Aortenerkrankungen sollte eine sorgfältige Familienanamnese erfolgen und ggf. ein Familienscreening aller Angehörigen ersten Grades durchgeführt werden.

  • Die Behandlung umfasst eine medikamentöse Behandlung zur Progressprophylaxe der Aortenerweiterung, Reduktion der aortalen Wandspannung, ggf. die elektive Aortenersatz-OP.

  • Die Indikation zur elektiven Aortenersatz-OP wird bei Bindegewebserkrankungen aufgrund erhöhter Dissektionsneigung früher gestellt als bei degenerativen Formen der Aortenaneurysmen.

  • Abhängig von der zugrunde liegenden Bindegewebserkrankung können neben der Aorta auch andere arterielle Gefäße betroffen sein (z. B. beim Loeys-Dietz-Syndrom).

  • Regelmäßige Verlaufskontrollen und umfangreiche Bildgebung der gesamten Aorta sind auch nach erfolgten Operationen essenziell.

  • Eine multidisziplinäre Betreuung durch erfahrene Spezialisten ist aufgrund der Multiorganbeteiligung der Krankheitsbilder erforderlich.