Aktuelle Dermatologie 2018; 44(07): 330-339
DOI: 10.1055/a-0603-4523
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dresdner Dermatologische Demonstration 2018 – 14. April 2018[*]

Dresden Dermatology Demonstration 2018 – April 14, 2018
G. Hansel
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
,
A. Koch
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
,
U. Wollina
Klinik für Dermatologie und Allergologie, Städtisches Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der TU Dresden
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Publication History

Publication Date:
02 July 2018 (online)

Thrombangitis obliterans (Morbus Winiwarter-Buerger)

A. Dalchow, B. Ley

Anamnese Die 59-jährige Patientin stellte sich aufgrund seit 3 Wochen bestehender, plötzlich aufgetretener, schmerzhafter, livider Verfärbungen an den Fingerspitzen und der Großzehe links vor. Außerdem beklagte sie ein Hitze- und Spannungsgefühl bei objektiver Hypothermie der Akren sowie ein Kribbeln und Taubheitsgefühl. Es wurde ein Zigarettenkonsum mit 12 – 15 Zigaretten pro Tag seit ca. 30 Jahren angegeben. Neue Medikamente, Infekte, Gelenkbeschwerden, Fieber oder Schüttelfrost wurden verneint. Ende Oktober habe eine Grippeschutzimpfung stattgefunden. Das Leistungsniveau sei bis auf die Schmerzen unverändert. Der körperliche Status war unauffällig.

Hautbefund Klinisch zeigten sich livide Verfärbungen im Bereich des Nagelfalzes von Digitus II – V links, Digitus III rechts und an der Großzehe links mit beginnender Nekrose. Plantar fielen wegdrückbare punktuelle Erytheme auf, die Fußränder imponierten girlandenartig gerötet ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Klinischer Befund bei Aufnahme.

Histologie vom Finger Im Hautexzisat zeigte sich eine insgesamt geringgradige, uncharakteristische, oberflächliche, chronische perivaskuläre Dermatitis.

Laborbefunde Pathologisch waren CRP 6,23 mg/l (< 5), ANA 1:320, Epstein-Barr-Virus-IgG 360 U/ml (< 20), EBV-EBNA-IgG 116 U/ml (< 5), Chlamydia pneumoniae IgG 12,6 U/ml (0 – 9,0), Yersinien-IgG-Ak 113,2 U/ml (0 – 20). Die sonstigen Laborparameter (inkl. Kryoglobuline, C3, C4) lagen im Normbereich.

Bildgebende Diagnostik einschließlich Röntgen Thorax, Sonografie Abdomen; CT Thorax, Abdomen und Becken, MRT Abdomen bis auf eine Leberzyste unauffällig.

Angiologie/Kapillarmikroskopie Nagelfalz

Akrale Lichtreflexplethysmografie der Finger: An den Fingerkuppen allerdings insbesondere über D II, IV und V Poststenosekurven, ebenso an den Zehen links.

Arterieller Status der Beine: Systemischer Blutdruck rechts wie links 140 mmHg.

Verschlussdrücke der Knöchelarterien: Normwertig. Arteria tibialis posterior bds. 170 mmHg; Arteria dorsalis pedis bds. 170 mmHg; Cruro-bracialer Quotient (CBQ) bds. 1,21. Nagelfalzmikroskopie: teils normale Kapillardichte, teils rarefizierte Kapillardichte. Keine Dilatationen, insbesondere keine Riesenkapillaren.

Therapie und Verlauf Wir begannen eine Therapie mit Alprostadil 40 mg (Prostaglandin E1) 12-stdl. i. v. über 7 Tage unter Kontrolle der Kreislaufparameter, die von der Patientin gut toleriert wurde. Zusätzlich verordneten wir gegen die Schmerzen initial Palladon 8 mg (1-0-1), welches zügig reduziert und abgesetzt werden konnte.

Unter den o. g. Maßnahmen kam es zu einem raschen Rückgang der Schmerzen und der Erytheme ([Abb. 2]). Wir fanden keine Hinweise auf eine systemische Beteiligung oder eine zugrundeliegende Neoplasie.

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Abb. 2 Klinisches Bild unter Therapie. Deutlich abgeblasste Erytheme.

In Zusammenschau des klinischen Befundes, der Nikotinanamnese und des schnellen Ansprechens auf die Prostaglandingabe ist von einer Thrombangitis obliterans auszugehen. Die Infusionstherapie wurde nach 8 Wochen wiederholt. Die Patientin berichtete darunter auch von einer Besserung der Kribbel- und Taubheitsgefühle. Zur Stabilisierung ist eine weitere Infusionstherapie in einem halben Jahr geplant.

Kommentar Die Thrombangitis obliterans stellt eine seltene, nicht arteriosklerotisch bedingte, segmental obliterierende, entzündliche Erkrankung der Arterien und Venen dar, die bevorzugt bei jungen männlichen Rauchern auftritt und ein hohes Risiko für eine Extremitäten-Amputation birgt [1].

Betroffen sind die kleinen und mittelgroßen Gefäße der oberen und unteren Extremitäten, aber auch Koronar-, Hirn- oder Mesenterialarterien können beteiligt sein [2]. Die genaue Ätiologie der Erkrankung ist nicht geklärt, wahrscheinlich ist aber, dass Nikotinkonsum eine zentrale Rolle in der Pathogenese spielt („no tabacco, no Buergerʼs disease“). Interessant ist der Nachweis von Autoantikörpern gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren in der Gefäßwand, die häufig multipel und in einem typischen Cluster auftreten, das sich gegen loop-1 des α-1-adrenergen Rezeptors und loop-1 des Endothelin-A-Rezeptors richtet. Die Bindung dieser Autoantikörper verursacht experimentell eine anhaltende Vasokonstriktion mit Störung der Mikrozirkulation [1].

Die Diagnose wird in Zusammenschau der klinischen und histologischen Kriterien gestellt. Zu den Hauptkriterien gehören ein Erkrankungsalter < 45 Jahren, Tabakkonsum, eine distale Extremitätenischämie, unauffällige proximale Arterien sowie der Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Als Nebenkriterien wurden die Thrombophlebitis migrans, das Raynaud-Phänomen, eine Beteiligung der oberen Extremität und die „instep-claudicatio“ definiert. Angiografisch zeigen sich segmentale Gefäßverschlüsse mit Ausbildung korkenzieherartiger Kollateralen. Spezifische Laborveränderungen bestehen jedoch nicht [1].

In der Therapie ist das Nichtrauchen als wichtigste Maßnahme anzusehen. Andere Behandlungsmöglichkeiten zur Verhinderung von Amputationen und zur Schmerzreduktion sind die Einnahme gefäßerweiternder Medikamente und/oder Antikoagulantien, die chirurgische Revaskularisation, Sympathektomie oder auch Immunoadsorption. Ob diese sich reduzierend auf die Amputationsraten auswirken, ist in der Diskussion [1 – 3].

Bezüglich der Lebenserwartung ist die Prognose von Erkrankten nahezu unverändert gegenüber der Normalbevölkerung, allerdings wird bei 20 % der Patienten eine Amputation im Bereich der Zehen und des Vorfußes, bei weiteren 20 % unterhalb des Kniegelenks notwendig [1, 3].

Literatur

1 Klein-Weigel PF, Volz TS, Richter J. Thromboangiitis obliterans (Morbus Winiwater-Buerger). Update 2015. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 1486 – 1489

2 Arkkila PET. Thromboangiitis obliterans (Buergerʼs disease). Orphanet J Rare Dis 2006; 1: 14

3 Fazeli B, Dadgar Moghadam M, Niroumand S. How to treat a patient with thromboangiitis obliterans: A systematic review. Ann Vasc Surg 2018; pii: S0890-5096(18)30069-4. doi: 10.1016/j.avsg.2017.10.022. [Epub ahead of print]


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* Vorsitz: Prof. Dr. Uwe Wollina
Berichterstatter: Frau Dr. Gesina Hansel, Dr. André Koch, Prof. Dr. Uwe Wollina
Histopathologie: Frau Dr. Jacqueline Schönlebe
Klinische Fotodokumentation: Frau Ramona Herz
Plenarvorträge: Prof. Dr. Markus Szeimies, Recklinghausen: Ein Update zum Lichtblick in der topischen Therapie der aktinischen Keratosen.
Prof. Dr. Uwe Wollina, Dresden: Trockene Haut – das Tor zum Neurodermitis-Highway.
Prof. Dr. Regina Treudler, Leipzig: Zukünftige Behandlung der atopischen Dermatitis: endlich spezifisch?!
Prof. Dr. Wolfgang Harth, Berlin: Was ist Schönheit? Glück und Sinn der Wunschmedizin.