Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(11): 761
DOI: 10.1055/a-0594-5181
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gesundheitsuntersuchung: Chance zur Früherkennung von Krankheiten nutzen!

Screening: Let’s Seize the Opportunity for Early Detection of Diseases
Jürgen Floege
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Publication Date:
28 May 2018 (online)

Liebe Leserinnen und Leser,

die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland ermöglichen ihren Mitgliedern ab dem 36. Lebensjahr eine umfassende Vorsorgeuntersuchung, die von den niedergelassenen Ärzten alle 2 Jahre abgerechnet werden kann. Ziel ist es, das Auftreten von Krankheiten zu verhindern bzw. diese frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Besonders im Fokus sind häufige Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen und Diabetes mellitus. Über den Umfang dieses Programmes – auch „Check-up 35“ genannt – wird derzeit im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beraten. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat daher in einer Arbeitsgruppe gemeinsam mit den internistischen Schwerpunktgesellschaften eine Stellungnahme verfasst, in der sie Empfehlungen zum Check-up 35 ausspricht [1].

Zu den wesentlichen Eckpunkten dieser Empfehlungen gehört die Aufnahme weiterer Laboruntersuchungen. Bislang ist die Bestimmung von Glukose und Gesamtcholesterin sowie die Urinuntersuchung mittels Teststreifen vorgesehen. Zusätzlich sollten nach Auffassung der DGIM künftig auch HDL- und LDL-Cholesterin sowie Kreatinin bestimmt werden:

  • HDL- und LDL-Cholesterin, um das 10-Jahres-Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung genauer zu erfassen,

  • Kreatinin, um eine meist klinisch stumme Niereninsuffizienz besser zu erkennen.

Für diese Empfehlungen gibt es gute Gründe:

Bestimmung des kardiovaskulären Risikos

Viele wichtige Scores, die das 10-Jahres-Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen abschätzen, beziehen neben dem Gesamt-Cholesterin auch das HDL-Cholesterin ein [2]. Die Einschätzung ist damit genauer und bietet eine wichtige Basis zur Beratung der Patienten. Das LDL-Cholesterin wiederum ist Ziel präventiv-therapeutischer Interventionen und erlaubt zudem, auf eine familiäre Hypercholesterinämie zu screenen. Beide Parameter können daher dazu beitragen, das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen besser einzuschätzen und entsprechende Präventivmaßnahmen zu treffen.


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Früherkennung von Nierenerkrankungen

Chronische Nierenerkrankungen sind in frühen Stadien in der Regel asymptomatisch. Anhand der Kreatinin-Plasmakonzentration lässt sich die GFR relativ gut abschätzen. Bereits eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) < 60 ml/min/1,73 m2 ist ein unabhängiger Prädiktor für Mortalität [3]. Zusätzlich haben die Patienten im Vergleich zu Nierengesunden eine deutlich erhöhte Rate an kardiovaskulären Erkrankungen. Wird eine Nierenerkrankung frühzeitig erkannt, lässt sich ihre Progression medikamentös verhindern oder verlangsamen.

Die Check-up 35-Untersuchung ist eine wichtige Möglichkeit für einen Arzt-Patienten-Kontakt, bei dem Erkrankungen schon allein durch Anamnese und körperliche Untersuchung frühzeitig erkannt und ggf. verhindert werden können. Die empfohlene Berücksichtigung weiterer Laborparameter dürfte die Früherkennung präzisieren und weiter verbessern. Diese Chance sollte genutzt werden!

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Prof. Dr. med. Jürgen Floege

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  • Literatur

  • 1 Check-up 35 Untersuchung – eine Diskussion. Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). www.dgim.de/check-up-35
  • 2 Jellinger PS, Handelsman Y, Rosenblit PD. et al. American Association of Clinical Endocrinologists and American College of Endocrinology Guidelines for Management of Dyslipidemia and Prevention of Cardiovascular Disease. Endocr Pract 2017; 23: 1-87
  • 3 Matsushita K. Chronic Kidney Disease Prognosis Consortium,. et al. Association of estimated glomerular filtration rate and albuminuria with all-cause and cardiovascular mortality in general population cohorts: a collaborative metaanalysis. Lancet 2010; 375: 2073-2081