Aktuelle Dermatologie 2018; 44(04): 139
DOI: 10.1055/a-0576-1099
Derma-Fokus
Buchbesprechung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kalkutta liegt am Ganges … und im Elend

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Publication Date:
11 April 2018 (online)

Von März 1996 bis Oktober 2012 – mit einer mehrjährigen Unterbrechung als Chefarzt eines Missionskrankenhauses in Tansania – war der 1947 im Ostwestfälischen geborene Privatdozent Dr. med. Jörg-Martin Pönnighaus Leitender Oberarzt der Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am Vogtland-Klinikum in Plauen. Zuletzt war er dann bis 2017 in der Abteilung für Berufsdermatologie in der BG-Klinik Falkenstein – unterbrochen von ärztlichen Hilfseinsätzen auf den Philippinen und in Indien – leitend tätig. Aus seiner Feder stammen etwa 25 Lyrik- und Prosabände, die meist im R. G. Fischer Verlag und im Athena-Verlag, zuletzt auch in der Edition Exemplum und im Verlag Concepcion Seidel, erschienen und sich mit der Tätigkeit als Arzt, dem Leben und Sterben und den Menschen in Afrika und Deutschland und nun auch in Indien beschäftigen. Er steht damit in einer Tradition literarisch tätiger Dermatologen wie Gottfried Benn.

In seinem jüngst erschienenen Oeuvre „Kalkutta oder eine Ziege für Kali“ berichtet Jörg-Martin Pönnighaus in versetzten Prosa- und Lyrik-Passagen über seine Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen bei einem sechswöchigen freiwilligen Einsatz für die Hilfsorganisation German Doctors in den Slums in und um Kalkutta im indischen Westbengalen. Sensible Schilderungen von Naturwahrnehmungen und solchen des urbanen ökologischen und sozialen Umfeldes wechseln sich mit solchen mit scharfem Blick gemachten Beobachtungen und schonungslos dargestellten Ansichten über das System der medizinischen Versorgung in einem „Schwellenland“, die ökonomischen Zwänge und Unzulänglichkeiten der Tätigkeit von Hilfsorganisationen sowie die Motivation und das Engagement der dort tätigen Ärzte ab. Unterlagert werden diese Schilderungen durch ungeschminkte Reflexionen der eigenen persönlichen Lebenskrise des Autors und seines persönlichen kritischen Blicks auf die KollegInnen. Einzelne vorgefundene Krankheitsfälle werden gerade auch aus der Sicht des Dermatologen und Tropenmediziners exemplarisch geschildert. Wie für Pönnighaus typisch, interessiert er sich sehr auch für die Biografien von Patienten, auch unabhängig von deren Bedeutung für die Erkrankung, und beschäftigt sich mit philosophischen und religiösen Überlegungen. Der empfundenen Obszönität des Reichtums in unserer Welt angesichts des Elends der Armen in den indischen Slums, deren Armut sich so ganz anders als im ländlichen Afrika offenbart, verleiht der Autor unmissverständlichen Ausdruck.

Das Buch sei allen im karitativen Auslandseinsatz tätigen oder tätig gewesenen Ärzten wärmstens empfohlen. Sie werden sich und erlebte Gedanken und Situationen oft wiedererkennen. Kollegen, die künftig eine solche Tätigkeit erwägen, können bei der Lektüre ihre Erwartungen und ihre Motivation bedenken und überprüfen. Dem Autor möchte man wünschen, dass unser Gott, oder vielleicht auch die titelgebende hinduistische Göttin Kali, ihm einen persönlichen Neuanfang gewährt.

L. Kowalzick, Plauen