Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2007; 17 - A52
DOI: 10.1055/s-2007-988761

Erfassung Funktionaler Gesundheit nach Amputationen an der unteren Extremität – Evaluierung der deutschen Version des Prosthetic Profile of the Amputee Questionnaire (PPA)

H Ziegenthaler 1, P Bak 1, WD Müller 1, L Brückner 1, UC Smolenski 1
  • 1Moritz-Klinik, Bad Klosterlausnitz

Frage: Vor dem Hintergrund der epidemiologischen Entwicklung mit einer Zunahme chronischer Krankheiten, der Überalterung der Bevölkerung und der Änderung der Erwerbsbiographie wächst im Spannungsfeld zunehmend knapperer finanzieller Ressourcen die Bedeutung der Rehabilitation. Neben Effektivität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit rehabilitativer Interventionen fordern Kostenträger und Gesetzgeber die Etablierung eines umfassenden sowie trägerübergreifenden Qualitätssicherungsprogramms. Hieraus leitet sich die Forderung nach einer möglichst umfassenden und objektiven sowie veränderungssensitiven und nachvollziehbaren Beschreibung der Funktionsfähigkeit eines Individuums und der Interaktion dieser Person mit seinem Gesundheitsproblem und den Umweltfaktoren in Anlehnung an des ICF-Modell im Rahmen der individualisierten Zugangssteuerung zur Rehabilitation sowie einer prozess- und ergebnisorientierten Qualitätssicherung ab. Ausdruck dessen ist die Entwicklung und der zunehmend alltägliche Einsatz mehrdimensionaler Assessmentinstrumente, die wissenschaftlich begründet im Verlauf rehabilitativer Interventionen funktionale Zustände objektiv erfassen und beschreiben sowie überprüfen und möglichst in einen engen Zusammenhang mit sozialen Komponenten bringen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, nach genauer Analyse der internationalen wissenschaftlichen Literatur ein geeignetes Assessmentinstrument zur Erfassung der aus dem Verlust der unteren Gliedmaßen resultieren komplexe Veränderungen an funktionaler Gesundheit, die aus funktionellen Einschränkungen, Störung der körperlichen Integrität sowie den Auswirkungen auf soziale Integration und seelische Verfassung resultieren, in einer deutschen Fassung zu standardisieren und auf Validität zu testen.

Methode: Nach Fokussierung auf den PPA als geeignetes Assessmentinstrument erfolgte nach dem Protokoll des Medical Outcomes Trust die Übersetzung der englischsprachigen Originalversion und die transkulturelle Adaptation an den deutschen Sprachraum. Sie beinhaltet zwei unabhängig von einander durchgeführte Vorwärtsübersetzungen (englisch–deutsch), eine Konsensus-Konferenz für die erste deutsche Fassung sowie deren Rückübersetzung (deutsch–englisch) mit anschließendem Abgleich. Die Datenerhebung erfolgte in zwei als Zentren für Amputierte ausgewiesenen Rehabilitationskliniken in Thüringen. Im Abstand von drei Tagen wurde der PPA prospektiv in seiner deutschen Fassung zwei Mal erfasst und die Daten statistisch mithilfe von SPSS 13.0 im Anschluss analysiert. Zugleich wurden ein soziodemografischer Kerndatensatz und der Selbsthilfestatus nach Barthel erhoben und von den Betroffenen und einer Expertengruppe der PPA zu Gliederung, Verständlichkeit, Übersichtlichkeit, Verständlichkeit der Ausfüllhinweise, zum Umfang, zur Ausfülldauer und zur Berücksichtigung krankheitsspezifischer Belange evaluiert.

Ergebnis: 60 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 52 Jahren (SD 16,7), überwiegend aus den Indikationsgruppen Trauma und periphere arterielle Verschlusserkrankung wurden in die Auswertung einbezogen. In 59% der Fälle (n=35) waren Unterschenkelamputationen und in 28% Oberschenkelamputationen (n=17) durchgeführt worden. Begleiterkrankungen waren bei insgesamt 68,3% der Amputierten festzustellen, am häufigsten koronare Herzerkrankungen (42%), peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (37%) und Diabetes mellitus (32%). Erfragt wurden gesundheits- und amputationsspezifische Merkmale, die auch der medizinisch nicht gebildete Betroffene gut erfassen kann, alltagsrelevante Mobilitäts-/Sebstversorgungsausmaß sowie Freizeitaktivitäten. Mit wenigen Ausnahmen besteht mit einem Kappa-Wert größer als 0,800 eine hervorragende Übereinstimmung sowohl in den Items als auch in den Kategorien. Besonderer Beachtung bedürfen Fragen, die während eines Klinikaufenthaltes nicht relevant sind. Den Aufbau des Fragebogens und die Verständlichkeit der Fragen bewerteten die Betroffenen (87 bzw. 92%) und die Experten (über 82%) überwiegend positiv. 30 Minuten werden für die Beantwortung der immerhin 45 Fragen ebenso wie der Umfang des PPA als angemessen bewertet. Entsprechend der geringeren Homogenität in der Gruppe der Betroffenen ist die Variabilität der Antworten hier größer.

Diskussion: Im Vergleich zu bisher genutzten Instrumenten zur Beurteilung der Auswirkungen einer Amputation an der unteren Gliedmaße auf Aktivität und Partizipation des Individuums wird der PPA am ehesten den Modellvorstellungen der WHO zur Gesundheit gerecht. Er ist in seiner derzeit vorliegenden deutschen Version als valide und reliabel für den klinischen Gebrauch und Forschungszwecke, insbesondere in der postrehabilitativen Aktivitätserfassung, anzusehen. Die Möglichkeit zur Ausgliederung des Items „Mobilität“ und die nochmalige Untergliederung in die zwei Subskalen (grundlegende und fortgeschrittene Fortbewegung) schafft ein konditionsspezifisches Instrument zur Beurteilung einer Kerndomäne bei Amputierten – der Mobilität.