Zusammenfassung
Im Zeitraum von 1988 - 1993 wurden durch das Notarzteinsatzfahrzeug Heidelberg-10
insgesamt 501 schwerverletzte und polytraumatisierte Patienten versorgt. Von diesen
wurden 188 Patienten analysiert, wovon 42 Patienten klinische Spätkomplikationen entwickelten.
In der vorliegenden Studie wurden die präklinischen Diagnosen des Notarz-tes bei Patienten
mit und ohne Komplikationen mit den tatsächlichen klinischen Diagnosen verglichen.
Patienten mit späteren Komplikationen waren bei Ankunft bezüglich der Vigilanz (Koma-Index
11,4 ± 0,7 vs. 12,4 ± 0,7), des systolischen Blutdrucks (121 ± 5 vs. 117 ± 3 mmHg)
und Herzfrequenz (98 ± 5 vs. 90 ± 2/min) den Patienten ohne Komplikationen vergleichbar.
Die weitere Analyse ergab jedoch, daß Patienten mit Spätkomplikationen weitaus häufiger
nachintubiert werden mußten (21,4 vs. 8,9 %). Darüber hinaus zeigte sich, daß in der
Gruppe ohne Komplikationen bis auf Verletzungen des Beckens und der oberen Extremität
erheblich mehr Verletzungen diagnostiziert wurden, als tatsächlich vorhanden waren
(9,6 - 37,7 %). Im Gegensatz dazu war ein umgekehrter Trend bei den übersehenen Verletzungen
zu beobachten. Hier wurden in der Gruppe mit Komplikationen durchweg mehr Diagnosen
nicht erkannt als in der Gruppe ohne Komplikationen. So wurden Schädel-Hirn-Traumen
(8,5mal), Beckenverletzungen (3mal), Wirbelsäulenverletzungen (2,5mal) sowie Thoraxtraumen
und Verletzungen der oberen Extremität doppelt so häufig am Unfallort nicht erkannt.
Aus den genannten Ergebnissen ist zu folgern, daß das besondere Augenmerk des Notarztes
am Unfallort auch dann auf Kopf- und Rumpfverletzungen zu richten ist, wenn Koma-Index
und Hämodynamik noch nicht richtungweisend sind. In unsicher gelagerten Fällen sollte
sich der Notarzt für eine primäre Intubation und Beatmung entscheiden.
During the period between 1988 - 1993 a total number of 501 polytraumatized patients
were treated by the mobile emergency service in Heidelberg. Of 188 fully documented
patients 42 developed clinical complications. In the present study the preclinical
diagnosis made by the treating physician at the scene of the accident was compared
with the definitive clinical diagnosis. Most of the patients were initially responsive
and had normal blood pressure and heart rate. However, subsequent analysis revealed
that clinical complications occurred more frequently in patients where intubation
and mechanical ventilation became necessary in the emergency room. In the group without
complications injuries were usually overdiagnosed. In contrast, in the patient group
with later complications (> 72 hrs after trauma) serious injuries of the head, chest,
abdomen and pelvis were more frequently not recognized. We conclude that the attention
of the emergency physician should be directed towards the possibility of serious head
and body injuries even if arterial pressure, heart rate and vigilance are still normal.
In all uncertain cases primary intubation should be performed.
Schlüsselwörter
Polytrauma - Komplikationen - Intubation - präklinische Diagnosestellung
Key words
Polytrauma - Complications - Preclinical diagnosis - Diagnostic accuracy - Intubation
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