Der Nuklearmediziner 2018; 41(01): 52-60
DOI: 10.1055/s-0043-125347
Dosimetrie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Pharmakokinetische Modellierung in der Nuklearmedizin

Pharmacokinetic Modelling in Nuclear Medicine

Authors

  • Peter Kletting

    Medizinische Strahlenphysik, Abteilung für Nuklearmedizin, Universität Ulm, Ulm
  • Gerhard Glatting

    Medizinische Strahlenphysik, Abteilung für Nuklearmedizin, Universität Ulm, Ulm
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Publication Date:
01 March 2018 (online)

Zusammenfassung

Für die nuklearmedizinische Dosimetrie wird die Kenntnis der Anzahl der Zerfälle des verwendeten Radionuklids im jeweiligen Gewebe oder dem betrachteten Volumenelement (Voxel) benötigt. Hierfür muss die Pharmakokinetik, also der entsprechende Zeitaktivitätsverlauf, bekannt sein, weil die Zahl der Zerfälle durch die mathematische Integration des Aktivitätsverlaufs über der Zeit berechnet werden kann. Da die Aktivität nur für einige wenige Zeitpunkte gemessen werden kann, muss die vollständige Pharmakokinetik für alle Zeitpunkte anhand von mathematischen Modellen geschätzt werden. Nur auf der Basis geeigneter Modelle können Vorhersagen der Pharmakokinetik zur Optimierung der Therapie erhalten werden.

Diese Modelle unterscheiden sich in ihrer Komplexität aufgrund des im Modell enthaltenen Vorwissens über die zugrundeliegende Physiologie und der zur Verfügung stehenden Anzahl von Messpunkten: So gibt es modellunabhängige Varianten, einfache Kompartimentmodelle oder physiologisch basierte Kompartimentmodelle. In den Letzteren werden die mathematischen Kompartimente mit entsprechenden physiologischen Kompartimenten identifiziert, weshalb die Parameter des Modells physiologischen Größen entsprechen. Damit erlauben diese physiologisch basierten pharmakokinetischen (PBPK) Modelle nicht nur eine Kurvenanpassung an die Messwerte sondern zusätzlich auch die Simulation verschiedener therapeutischer Optionen als Basis zukünftiger Optimierungen der Therapie. Die unterschiedliche Komplexität des verwendeten Vorwissens für die verschiedenen Modelle beeinflusst die Anzahl der benötigten Messdaten und damit sowohl die Kosten als auch die Qualität der Ergebnisse.

In dieser Übersicht werden zuerst verschiedene Arten von Modellen eingeführt und beobachterunabhängige Verfahren zur Auswahl des besten Modells basierend auf den gegebenen Messdaten diskutiert. Danach wird die Modellselektion am Beispiel des Akaike Informations-Kriteriums und von Qualitätskriterien für die Datenanpassung durch Modelle demonstriert. Des Weiteren werden Beispiele für den Einsatz von physiologisch basierten pharmakokinetischen Ganzkörpermodellen in der nuklearmedizinischen Dosimetrie zur Optimierung der Radionuklid-Therapie vorgestellt.

Abstract

Nuclear medicine dosimetry requires the knowledge of the number of decays of the radionuclide used in each tissue or volume element (voxel). For this purpose, the pharmacokinetics, i. e. the corresponding time activity curve, must be known, because the number of decays can be obtained by the mathematical integration of the course of activity over time. Since the activity can be measured regularly only for a few time points, the complete pharmacokinetics for all time points must be estimated using mathematical models. Only on the basis of appropriate models predictions of pharmacokinetics can be obtained to optimize therapy.

These models differ in complexity due to the pharmacokinetic background of the model and the number of available measurements: model-independent variants, simple compartment models, or physiologically based compartment models. In the latter, the mathematical compartments are identified with corresponding physiological compartments, which is why the parameters of the model correspond to physiological dimensions. Thus, these physiologically based pharmacokinetic (PBPK) models allow not only a curve fitting to the measured values, but also the simulation of various therapeutic options as a basis for future optimizations of the therapy. The different complexity of the applied knowledge for the different models influences the number of required measurement data and thus both the cost and the quality of the results.

In this review, first, various types of models are introduced and observer-independent best model selection procedures are discussed based on the given measurement data. Second, model selection is demonstrated using the example of the Akaike Information Criterion and quality criteria for fitting. Furthermore, examples of the use of physiologically based pharmacokinetic (PBPK) whole-body models in nuclear medicine dosimetry for the optimization of radionuclide therapy are presented.