Zusammenfassung
Hintergrund:
Rehabilitationsmedizin ist nach § 2 und § 26 SGB IX die medizinische Spezialdisziplin
zur Vorbeugung, Diagnostik und Behandlung chronischer Erkrankungen. Dies betrifft
in besonderem Maße psychische Erkrankungen. Die Behandlung chronischer Erkrankungen
erfordert in der Regel eine komplexe und multimodale Langzeitbetreuung, bei der niedergelassenen
Ärzten eine zentrale Rolle zukommt. Allerdings gibt es bislang nur wenig ausgearbeitete
Konzepte zu den rehabilitationsmedizinischen Aufgaben niedergelassener Ärzte und den
ihnen zur Verfügung stehenden diesbezüglichen Behandlungsoptionen.
Methoden:
Zur Klärung der Frage, welche Rolle rehamedizinische Aspekte in der Hausarztpraxis
haben, wurden im ersten Schritt 40 niedergelassene Ärzte zum geschätzten Anteil chronisch
psychisch kranker Patienten in ihrer Praxis befragt.
Im zweiten Schritt wurden 1 451 Patienten im Alter von 18 bis 60 Jahren mittels des
WHO-5-Screenings zum psychischen Wohlbefinden, dem IMET-Fragebogen zu Teilhabestörungen,
der Burvillskala zur Multimorbidität und Fragen zum psychischen Erkrankungsstatus
und Arbeitsstatus untersucht.
Ergebnisse:
Im Durchschnitt schätzten die Hausärzte den Anteil ihrer Patienten mit psychischen
Erkrankungen auf 41,9% (SD=18,2; Range 15–90%).
Von den Patienten gaben 46,5% an, unter psychischen Beschwerden zu leiden. 38,3% der
Patienten sagten, dass die Probleme bereits seit 6 Monaten oder länger bestehen (chronisch),
und 26,9% erklärten, dass sie die Beschwerden in den letzten 6 Monaten durchgängig
erlebt haben (persistierend). Insgesamt litten 29,7% der 18- bis 60-jährigen Hausarztpatienten
unter chronischen psychischen Beschwerden mit zusätzlich relevanten Teilhabestörungen.
Schlussfolgerungen:
Patienten mit chronischen psychischen Problemen und Teilhabestörungen sind in Praxen
niedergelassener Ärzte häufig anzutreffen. Niedergelassene Ärzte und insbesondere
Hausärzte sind demnach zu einem wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit als Rehabilitationsmediziner
anzusehen. In ihren Händen liegt die Diagnostik, Behandlung, Koordinierung und Langzeitführung
der chronisch Kranken, wie auch die sozialmedizinische Betreuung, von der Feststellung
einer Arbeitsunfähigkeit bis hin zur Einleitung stationärer Rehamaßnahmen. Die Bedeutung
der niedergelassenen Ärzte im Rehaprozess verdient organisatorisch wie wissenschaftlich
mehr Aufmerksamkeit.
Abstract
Background:
Rehabilitation medicine is the medical specialty for the prevention, diagnosis and
treatment of chronic disorders. This is especially relevant in mental disorders. Treatment
of chronic disorders requires a complex and multidisciplinary long-term-treatment
which is regularly done by general practitioners. However, concepts for rehabilitation-medicine
in outpatient settings are until now by and large insufficient.
Methods:
40 general practitioners were asked to give an estimate on how many patients with
chronic psychological disorders were among their patients.
Next, 1 451 patients between 18 and 60 years filled in the WHO-5 wellbeing-rating,
the IMET scale on participation disorders, the Burvill scale on multimorbidity and
answered questions on their mental and work status.
Results:
The general practitioners estimated that on average 41,9% (SD=18,2; Range 15–90%)
were suffering from chronic mental disorders. 46,5% of the patients said that they
suffered from mental problems, 38,3% had mental problems longer than 6 months, i. e.,
chronic, and in 26,9% even persistent. 29,7% of the patients suffered from chronic
mental problems with relevant participation disorders.
Conclusion:
Patients with chronic mental disorders and participation problems are frequent in
general practice. Rehabilitation medicine is an important part the daily activities
of general practitioners, including diagnosis, treatment, treatment coordination,
and sociomedical interventions like sick leave certificates, or initiating inpatient
rehabilitation. General practitioners should get more scientific attention when concepts
of rehabilitation are discussed.
Schlüsselwörter
chronische Erkrankungen - Reha-Phasen - primärärztliche Versorgung - Teilhabestörungen
Key words
chronic illness - rehabilitation episodes - primary care - participation disorders