Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2011; 46(5): 304-311
DOI: 10.1055/s-0031-1277971
Fachwissen
Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leser fragen – Experten antworten – Stillen nach Narkosen: Ist eine Stillpause obligat?

Anaesthesia and breast-feeding: Should breast-feeding be discouraged?Peter Kranke, Torsten Frambach, Philip Schelling, Johannes Wirbelauer, Christof Schaefer, Ulrike Stamer
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Publikationsdatum:
10. Mai 2011 (online)

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Zusammenfassung

Nach Narkosen bei stillenden Müttern ist die bis vor einigen Jahren vielfach noch geforderte Stillpause für 12 oder sogar 24 Stunden überholt. Ist es der Wunsch der Mutter, ist sie wach genug und körperlich dazu in der Lage, so spricht beim reifen, gesunden Neugeborenen und Säugling nichts gegen eine unmittelbare Wiederaufnahme des Stillens nach einer Allgemein- bzw. Regionalanästhesie. Auch das Stillen nach Kaiserschnittentbindungen in Allgemeinanästhesie unter Verwendung der gebräuchlichen Anästhetika in den üblichen (Einzel)-Dosen wird heute als unproblematisch eingestuft, da der Anteil der durch das Kolostrum aufgenommenen Substanzmenge gegenüber der transplazentar übertragenen verschwindend gering ist. Weder die pharmakokinetischen Eigenschaften der im Zusammenhang mit einer Narkose verwendeten Medikamente, noch die klinischen Erfahrungen begründen eine Stillpause.

Abstract

Until a few years ago an interruption of breast-feeding for 12 or even 24 hours was recommended for breast-feeding mothers after anaesthesia, this is no longer valid. If it is the mother's wish, if she is sufficiently awake and physically able, there is no reason not to start breast-feeding a mature and healthy baby immediately after recovery from a general or regional anaesthesia. Even breast-feeding after a Caesarean delivery with administration of the common anaesthetics in the usual (single) doses is no longer considered to be a problem since the amount of the substance taken up from colostrum is vanishingly small in comparison to the amount that is transferred by transplacental routes. Neither the pharmacological properties of the drugs used in association with anaesthesia nor clinical experience justify an interruption of breast-feeding.

Kernaussagen

  • Arzneimittel/ Anästhetika sind in der Regel nicht an schwangeren bzw. stillenden Frauen untersucht und haben damit keine Zulassung für diese Patientengruppe.

  • Einem Off-Label-Use steht jedoch nichts entgegen, wenn

    • das Medikament nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand und praktischer Erfahrungen hinreichend wirksam und unbedenklich ist und

    • die Patientin nach entsprechender Aufklärung in den zulassungsüberschreitenden Einsatz eingewilligt hat.

  • Der Patientin muss aber in jedem Fall angeraten werden, bei unerwartet neu auftretenden Symptomen des Kindes unmittelbar einen Kinderarzt aufzusuchen.

  • Auf eine routinemäßige sedierend-anxiolytische Prämedikation sollte bei schwangeren oder stillenden Frauen verzichtet werden.

  • Analgetika der 1. Wahl währen der Stillzeit sind die gut untersuchten NSAID (non steroidal anti inflammatory drugs).

  • Allgemein spricht bei reifen, gesunden Neugeborenen und Säuglingen nichts gegen eine frühzeitige Wiederaufnahme des Stillens nach einer Allgemein- oder Regionalanästhesie unter Verwendung der gebräuchlichen Anästhetika.

  • In besonderen Konstellationen (z. B. kindliche Unreife und repetitive Gabe von Opioidanalgetika) kann die Behandlungssicherheit durch eine Überwachung der Vitalfuktionen des gestillten Kindes weiter erhöht werden.

Weiteres Material zum Artikel

Literatur

Univ.-Prof. Dr. med. Peter Kranke
Dr. med. Torsten Frambach
Dr. jur. Philip Schelling
Dr. med. Johannes Wirbelauer
Dr. med. Christof Schaefer
Prof. Dr. med. Ulrike Stamer

eMail: kranke_p@klinik.uni-wuerzburg.de

eMail: Frambach_T@klinik.uni-wuerzburg.de

eMail: schelling@uls-frie.de

eMail: wirbelauer_j@klinik.uni-wuerzburg.de

eMail: ulrike.stamer@dfk.unibe.ch