Rehabilitation (Stuttg) 2011; 50(3): 195-203
DOI: 10.1055/s-0031-1271816
Methoden in der Rehabilitationsforschung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Adaptives Testen in der Rehabilitation – ein Weg zur ökonomischen Erhebung von Patientenmerkmalen[*]

Adaptive Testing in Rehabilitation – a Way to Economic Assessment of Patients’ AttributesC. Frey1 , C. Zwingmann2 , M. Böcker3 , T. Forkmann3 , U. Kröhne4 , E. Müller1 , M. Wirtz1
  • 1Institut für Psychologie, Pädagogische Hochschule Freiburg
  • 2Evangelische Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Bochum
  • 3Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
  • 4Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. Mai 2011 (online)

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Zusammenfassung

In der Diagnostik und der Outcome-Messung werden in der Rehabilitation eine Vielzahl von Fragebogen eingesetzt. In der Regel werden dabei – unabhängig vom aktuellen Gesundheitszustand und vom Schweregrad – für jeden Rehabilitanden dieselben Informationen mittels identischer Gruppen von Items erfasst, um die Vergleichbarkeit der diagnostischen Befunde gewährleisten zu können. Hierbei erweist es sich als problematisch, dass a) in der Regel nur im mittleren Belastungsspektrum eine hinreichend genaue und zuverlässige Diagnostik möglich ist und b) Messinstrumente durch die Vorgabe von vielen und im Einzelfall uninformativen Items eine unökonomische Datenerhebung erfordern. In diesem Beitrag wird gezeigt, wie durch adaptives oder maßgeschneidertes Testen die Datenerhebung an der individuellen Belastung des Patienten selbst orientiert werden kann. Hierdurch können im Idealfall eine hohe Ökonomie und eine optimierte Messpräzision der Testung und patientenseitig eine hohe Akzeptanz gewährleistet werden, da eine gute Passung zwischen Fähigkeit der Patienten und erfragten Iteminhalten gegeben ist. Adaptive Testverfahren erfordern jedoch eine aufwändige und sehr sorgfältige psychometrische Entwicklung der Erhebungsprozeduren, damit trotz Vorgabe unterschiedlicher Items an die Patienten die diagnostischen Befunde zwischen Patienten und Messzeitpunkten (z. B. Prä-Post-Vergleich) vergleichbar sind. In diesem Beitrag wird gezeigt, welche Entwicklungsschritte eine fundierte adaptive Testprozedur durchlaufen muss und wie der Einsatz auch in der medizinischen Rehabilitation zum Gewinn für Anwender und Patient werden kann.

Abstract

For diagnostics and outcome measurement in clinical rehabilitation a multitude of questionnaires is used. In order to gain comparability of the diagnostic findings, generally, the same information is gathered of all patients, regardless of their state of health or how severely ill they are, by using identical groups of items. In this kind of assessment it is, however, problematic that (a) the assessment instrument usually only allows for adequate and reliable diagnostics of patients who suffer from injuries or illnesses of medium severity, and (b) that an uneconomic data collection is required because of an extensive set of items which may in individual cases be uninformative and unnecessary. This article shows how data assessment can be adjusted to the individual handicaps of the patient by using adaptive or tailored testing. Thus it can be ensured that the testing becomes more economical and results more precise. Furthermore, a high acceptance by the patients participating in the data collection can be achieved, as the test items submitted fit the ability of the patients adequately. Yet, adaptive test systems require a complex and very careful psychometrical development of the assessment procedure in such a way that in spite of presenting different items to patients, diagnostic outcomes are comparable between patients and for different points in time (e. g., pre-post comparison). This article shows the steps of development that have to be accomplished in order to set up a psychometrically sound adaptive test procedure. Moreover, it shows how its usage in the area of medical rehabilitation can be profitable for handlers and patients.

1 Koordinatoren der Reihe “Methoden in der Rehabilitationsforschung”: Prof. Dr. Dr. Hermann Faller, Würzburg; Prof. Dr. Thomas Kohlmann, Greifswald; Prof. Dr. Dr. Christian Zwingmann, Bochum Interessenten, die einen Beitrag zur Reihe beisteuern möchten, werden gebeten, vorab Kontakt aufzunehmen, E-Mail: christian.zwingmann@web.de.

Literatur

1 Koordinatoren der Reihe “Methoden in der Rehabilitationsforschung”: Prof. Dr. Dr. Hermann Faller, Würzburg; Prof. Dr. Thomas Kohlmann, Greifswald; Prof. Dr. Dr. Christian Zwingmann, Bochum Interessenten, die einen Beitrag zur Reihe beisteuern möchten, werden gebeten, vorab Kontakt aufzunehmen, E-Mail: christian.zwingmann@web.de.

2 Diese Darstellung des Vorgehens ist vereinfacht. Genauer gesagt werden aufgrund der Schätzung der Personenfähigkeit (auf Grundlage der vorhandenen Antworten) Items ausgewählt, die die maximale zusätzliche Information liefern. Dies entspricht oft dem geschilderten Vorgehen. Eine Person kann aber auch ein eigentlich zu schwieriges Item mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit lösen; dann sollte trotzdem sichergestellt werden, dass der Algorithmus die Fähigkeit richtig (nämlich unterhalb der Schwierigkeit des gelösten Items liegend) einschätzt.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Markus Wirtz

Institut für Psychologie

Pädagogische Hochschule

Freiburg

Kunzenweg 21

79117 Freiburg

eMail: markus.wirtz@ph-freiburg.de