Zusammenfassung
Hintergrund Bereits in den ersten 6 Monaten der Pandemie erlitten die Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen
massive Erlöseinbußen. Dies einerseits durch die Aussetzung von Heilverfahren und
Nachsorgeangeboten sowie die Verpflichtung, im Bedarfsfall verlegbare Patienten aus
Akutkrankenhäusern zu übernehmen; andererseits führte die Verschiebung elektiver Eingriffe
zugunsten der prioritären Behandlung von Covid-19-Patienten in den Akuthäusern sowie
die Angst von Reha-Patienten vor einer Infektion zu einem Nachfragerückgang. Demgegenüber
entstanden erhebliche Zusatzkosten durch die Organisation infektionssicherer Arbeitsabläufe
sowie die Beschaffung von Produkten der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) auf einem
überhitzten freien Markt. Das Insolvenzrisiko für die Reha-Einrichtungen erhöhte sich.
Methoden Ziel der Studie war es, die ökonomischen und ablauforganisatorischen Konsequenzen
sowie die Infektionsrisiken für Personal und Patienten einer Unterversorgung mit PSA-Produkten
im Bereich der Rehabilitation zu ermitteln sowie die Effektivität staatlicher Eingriffe
bei der Beschaffung von PSA-Produkten zu reflektieren.
Durchgeführt wurde im Zeitraum 25. bis 28. Woche 2020 eine Online-Befragung unter
79 Einrichtungen mittels strukturiertem Fragebogen, u. a. spezifiziert nach den Erhebungsbereichen
„Versorgungssituation bei PSA-Produkten“, „Umgang mit PSA-Versorgungsengpässen“, „Ertragssituation“,
„Zusatzkosten“ und „Wirksamkeit staatlicher Hilfsmaßnahmen“. In weiteren 18 Einrichtungen
wurden Einzelinterviews zur Praxis des Pandemie-Managements vor Ort geführt. Die Erhebung
wurde auf orthopädische, kardiologische und neurologische Einrichtungen konzentriert.
Ergebnisse Der Umsatz der Einrichtungen ging um zeitweise bis zu 70 % gegenüber dem Vorjahr
zurück, gleichzeitig erhöhten sich die Kosten für Infektionsprophylaxe um durchschnittlich
349 € pro Patient und Mitarbeiter pro Behandlungszyklus (21 Tage), was etwa 13 % des
Fall-Erlöses bedeutete. Durch den Rückgang bei Patientenbehandlungen während der Pandemie
baute sich ein Behandlungsstau auf, der zwischen 20 und 25 % der Reha-Leistungen des
Jahres 2019 entspricht und die Krankheitslast im Gesundheitssystem zukünftig erhöhen
wird.
Der Mangel an Schutzausrüstung führte in 29 % der Einrichtungen zu erschwerten Arbeitsabläufen
mit Infektionsgefährdung für Patienten und Mitarbeitende.
Von der Beschaffungsinitiative des Bundesministeriums für Gesundheit fühlten sich
71 % der Einrichtungen nicht versorgt.
Diskussion Die Corona-Pandemie hat die Anfälligkeit zahlreicher Reha-Einrichtungen für eine
wirtschaftliche Schieflage verstärkt. Ursache dafür sind pandemiebedingte Zusatzkosten,
Erlösausfälle aufgrund von Belegungsrückgängen und ein Investitionsstau in zahlreichen
Einrichtungen. Notwendige Maßnahmen des Infektionsschutzes erhöhen nicht nur die Kostenbelastung,
sondern vermindern faktisch die verfügbare Behandlungskapazität. Als Konsequenz ist
ein Behandlungsstau zu erwarten, der mit erhöhter Krankheitslast im Gesundheitssystem
verbunden sein wird.
Kernbotschaft Das Insolvenzrisiko hat sich für Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen durch
die Corona-Krise erhöht, gleichzeitig sind die Anforderungen an medizinische Qualität
und Infektionsschutz ebenso wie die Vorhalte- und Behandlungskosten gestiegen. Eine
Reform der Refinanzierung von Reha-Leistungen ist notwendig: Dies betrifft die Finanzierung
von Vorhaltekosten von Reha-Einrichtungen als Teil der Daseinsvorsorge. Hier ist allerdings
eine versorgungsstrukturelle und institutionenorientierte Bedarfsermittlung vorzuschalten,
um Mitnahmeeffekten vorzubeugen. Weiterhin ist die Vergütung der Betriebskosten qualitäts-
und aufwandorientiert am Krankheitsbild und am Patientenzustand vorzunehmen.
Abstract
Background During the early phase of the Corona pandemic (March to July 2020) rehab clinics
were supposed to stop offering rehab treatment in order to be ready for admitting
low-care patients from acute hospitals. On the other hand, acute care hospitals postponed
elective interventions for the benefit of Corona patients and rehab patients denied
treatment due to the fear of becoming infected. As a consequence a loss in revenue
turns out while additional costs for infection protection management arose simultaneously.
Methodology Aim of the study was to specify the economic risks of rehab facilities caused by
the pandemic as well as the increasing medical requirements.
Based on a structured questionnaire 97 rehab providers were polled referring to e. g.
the „medical treatment situation“, the „revenue development“, the „cost pressure“
and the „effects of supporting activities of the government“.
Results The revenue of rehab clinics collapsed intermittently up to 70 % compared to the
previous year. Simultaneously, additional costs of 349 € per patient and employee
per treatment cycle (21 days) accumulated due to decreed infection prevention arrangements.
This unplanned cost burden corresponds roughly to 13 % of the revenue per case.
The decline of rehab treatments under the pandemic will lead on to an exaggerated
demand of medically necessary treatments in future. This congestion of non-performed
rehab treatments is prognosed to exceed 20 % to 25 % of the rehab treatments performed
in 2019.
In 29 % of the facilities the shortage of personal protective equipment was associated
with dysfunctional workflows and endangerment of patients suffering an infection.
71 % of the rehab facilities stated not to have benefitted from the procurement initiative
of the German Ministry of Health.
Discussion The Corona pandemic has reinforced the economic vulnerability of many rehab providers.
This, due to additional costs for infection prevention activities, revenue losses
owing to reduced occupancy and because of an investment bottleneck accumulated over
years. Furthermore, the reimbursement system is complained not to cover the total
costs of treatment in an economically sufficient way. Necessary investments in infection
protection are a cost-driver but also lead to a factual impairment of treatment capacity.
As a consequence, a piling up of medically essential rehab treatment is assumed to
happen and will effect an increasing disease burden in the health system.
Core Message The risk of insolvency has enhanced for rehab facilities due to the pandemic.
Simultaneously, medical requirements have arisen and cost pressure has become more
intensive. Because rehabilitation to play a pivotal role in public services the reimbursement
system of the rehab sector is urged to be changed. One strong opinion requires to
finance the costs of keeping rehab facilities. Indeed, this financing approach should
be based on an assessment of the rehab demand. Furthermore, the operating costs are
advised to be paid depended on medical quality, physical condition of the patient
and the complexity of treatment.
Schlüsselwörter
Corona-Krankheitslast - Corona-Management; Insolvenzrisiko - Kosten der Infektionsprophylaxe;
persönliche Schutzausrüstung; Vergütung von Reha-Leistungen
Key words
Risk of insolvency - personal protective equipment - Corona management - pandemic-caused
burden of disease - cost of infection prevention