Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(23): 1289
DOI: 10.1055/s-2003-39792
CME
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Malaria - Der konkrete Fall

Malaria - Case reportM. Hoelscher1 , T. Löscher1
  • 1Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin (Leiter: Prof. Dr. med. T. Löscher), Medizinische Klinik Innenstadt (komm. Direktor: Prof. Dr. med. D. Schlöndorff), Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Weitere Informationen

Prof. Dr. med. T. Löscher

Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin

Leopoldstraße 5

80802 München

Telefon: 089/21803517

Fax: 089/336112

eMail: loescher@lrz.uni-muenchen.de

Publikationsverlauf

eingereicht: 8.4.2003

akzeptiert: 13.5.2003

Publikationsdatum:
05. Juni 2003 (online)

Inhaltsübersicht #

Anamnese

Wegen einer seit 7 Tagen bestehenden fieberhaften Erkrankung wurde ein 37-jähriger Bauingenieur vom Hausarzt ins örtliche Krankenhaus eingewiesen. Seit 4 Tagen bestanden wässrige Durchfälle ohne sichtbare Blutbeimengung. Einweisungsgrund war eine erstmalig am Aufnahmetag aufgefallene Benommenheit. Der Patient war 8 Tage vor Erkrankungsbeginn von einem 4-wöchigen beruflichen Aufenthalt in Nigeria zurückgekehrt. Er hatte dort konsequent eine Malaria-Chemoprophylaxe mit Chloroquin (Resochin®) und Proguanil (Paludrine®) eingenommen und diese nach seiner Rückkehr bis zur Aufnahme fortgeführt. Unter der Diagnose einer möglicherweise bakteriell bedingten Reisediarrhoe erfolgte seit 3 Tagen eine Behandlung mit Ciprofloxacin 2-mal 500 mg pro Tag oral, Loperamid nach Bedarf und eine orale Rehydratation mit einem Elektrolytpräparat. Eine bakteriologische Stuhluntersuchung war ohne pathologischen Befund, ein am 2. Krankheitstag durchgeführter Malaria-Schnelltest war negativ gewesen. Vor der Ausreise war gegen Gelbfieber und Typhus abdominalis geimpft worden. Aktueller Impfschutz bestand gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis und Hepatitis A. Es waren keine relevanten Vorerkrankungen bekannt.

#

Aufnahmebefund

Der Allgemeinzustand des Patienten (183 cm, 79 kg) war deutlich reduziert. Er wirkte schläfrig, war zur Person, jedoch nicht zeitlich und örtlich orientiert. Der Blutdruck war erniedrigt (90/60 mmHg), der Puls regelmäßig, aber beschleunigt (104/min), die Körpertemperatur betrug 36,8 °C rektal. Die Leber war tastbar vergrößert (14 cm in MCL) und mäßiggradig druckdolent. Die neurologische Untersuchung war unauffällig. Das Blutbild zeigte eine Thrombozytopenie (36 000/µl). Laborchemisch fielen eine Erhöhung der Transaminasen (SGOT 68 U/l, SGPT 53 U/l), des Bilirubins (1,9  mg/dl), der Laktatdehydrogenase (316 U/l) und des Serumkreatinins (1,6  mg/dl) auf. Die sonstigen Routineparameter lagen im Normbereich. Leber (12 × 14 cm) und Milz (11 × 10 cm) waren bei unauffälliger Organbinnenstruktur sonographisch mäßiggradig vergrößert. Wegen eines ausgeprägten Schüttelfrostes bei der Aufnahme wurden in kurzem Abstand zwei Blutkultur-Sets abgenommen, die nach Bebrütung steril blieben. Mehrfache bakteriologische und parasitologische Stuhluntersuchungen waren ebenfalls negativ.

#

Weitere Untersuchungen und Diagnose

Aufgrund der Reise-anamnese wurde umgehend eine parasitologische Blutuntersuchung mit nach Giemsa gefärbtem Blutausstrich und Dickem Tropfen durchgeführt. Dabei zeigte sich ein Befall mit Plasmodium falciparum bei einer Parasitämie von ca. 18 %. Damit war die Diagnose einer komplizierten Malaria tropica gesichert.

#

Therapie und Verlauf

Zur antiparasitären Therapie wurde zunächst Mefloquin oral 1000  mg (4 Tabletten Lariam®) verabreicht. Nach ca. 30 Minuten kam es zu mehrfachem Erbrechen; im Erbrochenen waren Tablettenreste sichtbar. Etwa 2 Stunden nach Aufnahme war der Patient nicht mehr ansprechbar bei erhaltener Reaktion auf Schmerzreize. Nach telefonischer Rücksprache erfolgte 3 Stunden nach Aufnahme die Verlegung mit dem Rettungshubschrauber. Bei Übernahme auf der Intensivstation war der Patient komatös ohne Paresen oder Störungen der Pupillomotorik (Glasgow-Koma-Index: 9 Punkte). Es bestand eine Hypotonie (80/50 mmHg) und eine Tachypnoe (36/min). Die arterielle Blutgasanalyse zeigte eine akute respiratorische Partialinsuffizienz (pO2: 52 mmHg, pCO2: 48 mmHg). Nach Intubation und Beginn einer kontrollierten Beatmung wurde eine antiparasitäre Therapie mit Chinin-HCl per infusionem in einer Dosierung von 30 mg/kg pro 24 Stunden (Reduktion auf 20 mg/kg/d ab dem 3. Behandlungstag) in Kombination mit Doxycyclin 200 mg i. v. pro Tag begonnen. Nach 36 Stunden war die Parasitämie unter 1 % gesunken, nach 4 Tagen waren im Dicken Tropfen keine Parasiten mehr nachweisbar. Im weiteren Verlauf entwickelte sich ein ARDS mit bilateralen diffusen Infiltraten bei normalem pulmonalkapillärem Verschlussdruck. Eine druckgesteuerte Beatmung (PEEP bis max. 20 cm H2O, FiO2 bis max. 0,5) war über 12 Tage erforderlich. Zudem entwickelte sich ein oligurisches Nierenversagen (Urinausscheidung minimal 120 ml/d, Serum-Kreatinin max. 3,2 mg/dl), das fünf Dialysebehandlungen notwendig machte. Nach 18 Tagen konnte der Patient auf Normalstation verlegt und nach 26 Tagen aus stationärer Behandlung entlassen werden. Die Nachuntersuchungen ergaben eine normale Lungen- und Nierenfunktion und keinen Hinweis für neurologische Schädigungen.

Prof. Dr. med. T. Löscher

Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin

Leopoldstraße 5

80802 München

Telefon: 089/21803517

Fax: 089/336112

eMail: loescher@lrz.uni-muenchen.de

Prof. Dr. med. T. Löscher

Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin

Leopoldstraße 5

80802 München

Telefon: 089/21803517

Fax: 089/336112

eMail: loescher@lrz.uni-muenchen.de