Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(18): 993
DOI: 10.1055/s-2003-38950
CME
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Tiefe Beinvenenthrombose - Der konkrete Fall

Deep venous thrombosis - case reportR. Fries1 , M. Böhm1
  • 1Medizinische Klinik und Poliklinik, Innere Medizin III (Kardiologie/Angiologie), Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg/Saar
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Priv.-Doz. Dr. med. R. Fries

Medizinische Klinik, Innere Medizin III, Universitätskliniken des Saarlandes

66421 Homburg

Phone: 06841/162 3016

Fax: 06841/162 3369

Email: fries@med-in.uni-saarland.de

Publication History

eingereicht: 28.2.2003

akzeptiert: 11.4.2003

Publication Date:
30 April 2003 (online)

Table of Contents #

Anamnese

Ein 62-jähriger adipöser Rentner stellte sich in der Notfallambulanz des Krankenhauses vor. Er berichtete über eine Schwellung des linken Beines mit Spannungsschmerzen, die einige Tage zuvor erstmals aufgefallen war und jetzt zugenommen hatte. Eine arterielle Hypertonie und ein nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus waren bekannt. Etwa eine Woche zuvor war der Patient mit einem Reisebus von Spanien nach Deutschland unterwegs gewesen. Während der Reise waren keine gesundheitlichen Probleme aufgetreten. Atembeschwerden, auch unter Belastung, wurden ebenso verneint wie thorakale Schmerzsensationen.

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Untersuchungsbefund

Der Patient war 174 cm groß, wog 96 kg und war kardiopulmonal kompensiert. RR 180/90 mmHg, Herzfrequenz 76/min, kapillärer Astrup ohne Sauerstoffgabe ausgeglichen (pO2 83 mmHg, pCO2 38 mmHg, pH 7,41, Standardbikarbonat 22 mmol/l). Das linke Bein war im Seitenvergleich auf Höhe der mittleren Wade um 4 cm und auf Höhe des mittleren Oberschenkels um 2 cm umfangsvermehrt. Am Unterschenkel fand sich ein eindrückbares Ödem, die Wade war bei manuellem Druck verhärtet. Das Abtasten entlang der medialen Tibikante und des medialen Oberschenkels wurde als schmerzhaft empfunden. Als Hinweis auf eine chronisch venöse Insuffizienz fanden sich an beiden Innenknöcheln fleckige bräunliche Pigmentierungen sowie an den Ober- und Unterschenkeln beidseits zahlreiche Seitastvarizen und eine Erweiterung der paraplantaren Venen (Corona phlebectatica paraplantaris). Ein D-Dimer Test ergab einen Wert von 0,9 mg/l (Norm < 0,2 mg/l).

Duplexsonographisch waren links die tiefen Beinvenen thrombotisch verlegt. Die Thrombose erstreckte sich von den dorsalen Unterschenkelvenengruppen (Venae tibiales posteriores und Venae fibulares) über die doppelt angelegte Vena poplitea bis zur Mündung der Vena femoralis superficialis in die Vena femoralis communis. Die Vena femoralis communis, die Mündung der Vena profunda femoris und die distal einsehbare, normal atemvariabele Vena iliaca externa waren ebenso frei wie die Mündung der Vena saphena magna und die Venae tibiales anteriores des Unterschenkels. Die Echogenität der Thrombusmasse war inhomogen, in den größeren Venen waren echoreiche Binnenstrukturen zu erkennen.

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Therapie und Verlauf

Das Bein wurde mit elastischen Langzugbinden bis zur Leiste komprimiert, die Frau des Patienten hierzu angeleitet. Direkt nach Diagnosestellung wurde dem Patienten der erste gewichtsadaptierte Bolus eines niedermolekularen Heparins injiziert. Patient und Ehefrau wurden in die korrekte Injektionstechnik eingewiesen. In Abstimmung mit dem Hausarzt wurde vereinbart:

  • körperliche Schonung mit Hochlagerung des Beines,

  • zweimal tägliche Injektionen mit niedermolekularem Heparin unter Thrombozytenkontrolle,

  • überlappend Einstellung auf orale Antikoagulation (Ziel INR 2-3),

  • Fortführung der Kompressionstherapie sowie

  • duplexsonographische Untersuchung in 1, 4 und 12 Wochen.

Der Patient wurde auf Symptome einer Lungenembolie hingewiesen und für diesen Fall zur sofortigen Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe angehalten. Bei der ersten Nachuntersuchung war das Bein nicht mehr ödematös oder umfangsvermehrt, es wurde ein unterschenkellanger Kompressionsstrumpf der Klasse II verordnet. Der Patient hatte keine Spontanbeschwerden mehr. Er war inzwischen mit Phenprocoumon auf einen INR-Wert von 2,8 eingestellt. Neue Beschwerden, z.B. Hinweise auf eine Lungenembolie, waren nicht aufgetreten. Duplexsonographisch war die Vena femoralis teilrekanalisiert. Die Teilrekanalisation setzte sich bis zur letzten Untersuchung 6 Monate nach dem Ereignis in die Poplitealvenen und die Venae tibiales posteriores fort. Die Antikoagulation wurde abgesetzt und empfohlen, die Kompressionstherapie für mindestens 2 Jahre fortzuführen und bei absehbarer längerer Immobilisation (z.B. Reise ≥ 4 Stunden) eine Einmalprophylaxe mit niedermolekularem Heparin durchzuführen.

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Fazit

Eine tiefe Beinvenenthrombose wird durch Risikofaktoren wie (in diesem Fall) längere Immobilisation in sitzender Körperhaltung (Busreise), chronische venöse Insuffizienz, Adipositas und höheres Lebensalter begünstigt. Methode der Wahl zur Diagnosesicherung ist die Duplexsonographie, Therapie der Wahl die initiale Behandlung mit niedermolekularem Heparin subkutan und die anschließende, meist zeitlich begrenzte orale Antikoagulation (INR 2-3). Diese Therapie kann unter bestimmten Voraussetzungen ambulant erfolgen.

Priv.-Doz. Dr. med. R. Fries

Medizinische Klinik, Innere Medizin III, Universitätskliniken des Saarlandes

66421 Homburg

Phone: 06841/162 3016

Fax: 06841/162 3369

Email: fries@med-in.uni-saarland.de

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