Rofo 1999; 171(5): 408-409
DOI: 10.1055/s-1999-8187
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Lokale Gefäßkomplikationen nach Anlage eines Angio-SealTM-Systems zur Hämostase

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Publication Date:
31 December 1999 (online)

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Die Zunahme der diagnostischen und interventionellen Maßnahmen in der Radiologie und Kardiologie erfordert die rationale Ausnutzung der Gerätschaften. Durch die Verkürzung der manuellen Kompression nach einer Angiographie/Intervention kann eine größere Anzahl an Patienten untersucht werden. Eine Option, die Liegezeit zu verkürzen, besteht in der Anwendung von VasoSeal® und Angio-SealTM (HPCD, Hemostatic Puncture Closure Device, Fa. Sherwood) als implantierbares, bioabsorbierbares Material zur Blutstillung nach Entfernung der Schleuse. Der Wirksamkeitsnachweis wurde in Multi-Center-Studien erbracht (Kussmaul WG et al., Cathet Cardiovasc Diag, 1996; 37: 362; Ward SR et al., Am J Cardio, 1998; 81: 569). Eine Kasuistik über einen akzidentellen Verschluß nach zusätzlicher Gabe eines Heparinantagonisten ist publiziert worden (Silber S et al., Z Kardio, 1998; 87: 51).

Im folgenden berichten wir über vier Fälle von Gefäßkomplikationen nach Angio-SealTM -Applikation ohne Anwendung eines Heparinantagonisten.

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Fallbeschreibung

Vom 1. 2. bis 15. 10. 1998 erfolgte bei ca. 300 Patienten eine Koronardiagnostik bzw. Koronarintervention mit Anwendung des Angio-SealTM-Systems.

Bei zwei Patienten kam es unmittelbar im Anschluß an die Anwendung des Angio-SealTM-Systems zu einem Pulsverlust der peripheren Gefäße (R.S., E.H.) mit Symptomen einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit (pAVK). Zwei weitere Patienten entwickelten eine Claudicatio im Verlauf der ersten Woche (M.L., F.C.). In der Angiographie fanden sich Verschlüsse (n = 1) bzw. hochgradige Stenosen (n = 3) der A. femoralis superficialis unmittelbar distal der Femoralisgabel auf der Punktionsseite (Abb. [1]).

In der Farb-Dopplersonographie (7,5 L40 MHz Schallkopf, SONOLINE Elegra, Fa. Siemens) zeigten sich im Bereich der hochgradigen Stenosen Flußbeschleunigungen bis zu 600 cm/s.

Die Charakteristika der Patienten und Koronarangiographien sind in Tab. [1] zusammengestellt.

Bei drei der vier Patienten (R.S., M.L., F.C.) war eine chirurgische Intervention wegen persistierender Beschwerden einer pAVK notwendig. Ein Patient (E.H.) wird konservativ behandelt.

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Diskussion

Die Entwicklung neuer Systeme zur raschen Hämostase nach einer Angiographie verkürzt die manuelle Kompressionsdauer und führt zu einer reduzierten Liegezeit des Patienten. Dies trägt zur Reduktion der Arbeitsbeiastung des Personals bei und senkt die Kosten.

Neben Nahtsystemen ohne Kollagen zur Hämostase liegen Kollagensysteme mit und ohne arterielle Führung vor:

  1. VasoSeal®: Bei diesem System wird ein Kollagenpfropfen supraarteriell auf die Punktionsstelle und den Stichkanal appliziert. Das Risiko einer Gefäßokklusion liegt zwischen 0,7 % und 2,0 %. Über die Anwendung von VasoSeal® als Kollagensystem ohne arterielle Führung liegen mehrere Berichte von akzidentellen Gefäßokklusionen vor (Stiel GM et al., Z Kardiol 1992; 81: 543; Camenzind E et al., J Am Coll Cardiol 1994; 24: 655).

  2. Angio-SealTM: Ein resorbierbarer Anker wird in das Gefäßlumen eingebracht, der als Führung für das supraarteriell zu plazierende Kollagen dient. Der Anker verhindert eine Dislokation des Kollagens in das Lumen.

In einer ersten Studie bei 68 Patienten unterschiedlichen Geschlechts ist über eine signifikant reduzierte Zeit für die Hämostase nach 5 min durch die Anwendung von Angio-SealTM berichtet worden (Kussmaul WG et al., Cathet Cardiovasc Diag 1996; 37: 362). Der Fall eines Ankerbruches blieb ohne klinische und therapeutische Konsequenz. Eine vergleichende Studie wurde mit 202 Patienten nach Angio-SealTM-Applikation und 101 Patienten mit konventioneller manueller Kompression durchgeführt (Ward SR et al., Am J Cardiol 1998; 81: 569). Dabei konnte eine signifikant schnellere Hämostase durch Anwendung von Angio-SealTM im Vergleich zur manuellen Kompression mit einer Zeitersparnis von 16,1 min pro Patient nachgewiesen werden. Die Patienten wurden früher mobilisiert und entlassen.

Bislang ist eine Kasuistik bei einer 150 cm großen Patientin mit Gefäßspasmen nach Applikation von Angio-SealTM publiziert worden (Silber S et al., Z Kardiol 1998; 87: 51). Dabei wurde neben Angio-SealTM zusätzlich der Heparinantagonist Protamin appliziert, da keine Blutstillung zu erreichen war. Nach der PTCA entwickelte die Patientin Symptome einer pAVK. Die Angiographie zeigte eine Gefäßokklusion der A. femoralis communis. Die Patientin wurde einer Operation zugeführt (Aufnähen eines PTFE-Patches). Das gesamte Angio-SealTM-System lag intravasal. Nach Auffassung der Autoren sollte das Angio-SealTM nicht bei einer pAVK und bei Patienten mit geringer Körpergröße sowie einer Neigung zu Gefäßspasmen angewendet werden.

Bei den von uns zusammengestellten vier Fällen waren beide Geschlechter vertreten. Sowohl von der Körpergröße als auch vom Gewicht waren die Patienten kleiner und schwerer als das Normalkollektiv ihres Alters. Die Koronarangiographien wurden von in der Anwendung mit Angio-SealTM geschulten Untersuchern durchgeführt. Bei keinem Patienten wurde zusätzlich ein Heparinantagonist appliziert.

Retrospektiv fanden sich folgende Ursachen für die Gefäßokklusion nach Angio-SealTM-Anwendung:

Bei einem Patienten wurde eine Kompression durch die Spannfeder des Angio-SealTM-Systems über mehrere Stunden belassen, und es kam zu einem Frühverschluß.

Bei einem zweiten Patienten mit einem Frühverschluß erfolgte die Übernahme bei liegender 5F-Katheterschleuse. Diese wurde dann durch eine 6F-Katheterschleuse ersetzt. Die Liegezeit der Schleuse betrug mehr als 5 Stunden.

Unmittelbar nach Einbringen des Angio-SealTM-Systems trat ein Gefäßverschluß auf. Bei den beiden anderen Patienten wurden Druckverbände angelegt, da die Notwendigkeit der Anlage einer venösen Schleuse bestand und im Zusammenhang mit der Heparinisierung und Antikoagulation eine Blutung aus dem Stichkanal aufgetreten war. Allen vier Patienten gemeinsam war die Punktion im Bereich des Abgangs der A. femoralis superficialis.

Bislang sind eine pAVK, geringe Körpergröße und Neigung zu Gefäßspasmen als Kontraindikation für die Anwendung von Angio-SealTM publiziert worden. Nach unseren Ergebnissen besteht außerdem ein erhöhtes Risiko einer Gefäßokklusion bei zu langer Liegezeit der Schleuse oder der Notwendigkeit der Anlage eines Druckverbandes. Bei einer Gefäßpunktion im Bereich des Abgangs der A. femoralis superficialis sollte kein Angio-SealTM-System eingesetzt werden. Die Spannfeder sollte spätestens 20 min nach Einbringen des Systems entfernt werden.

Die Anwendung von Angio-SealTM bewirkt eine schnellere Hämostase im Vergleich zur manuellen Kompression, birgt jedoch das Risiko einer Gefäßokklusion.

T. M. Bernhardt, J. Molling, T. Bürger, R. Grote, Magdeburg

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Abb. 1Angiographie der Becken-Bein-Region. Subtotaler Verschluß der A. femoralis superficialis unmittelbar distal der Femoralisgabel mit einer Umfließungsfigur (Pfeil). Regelrechte Darstellung der A. femoralis communis und der A. profunda femoris.

Tab. 1Charakteristika zu den einzelnen Patienten und Koronarangiographien.
Patienten
#1#2#3#4
Alter (Jahre) / Geschlecht53/weiblich67/weiblich59/männlich73/männlich
Gewicht / Körpergröße80 kg/164 cm90 kg/162cm75 kg/165 cm75 kg/165 cm
Indikation KoronarangiographieACS1 ACS1 ACS1 ACS1
arterielle Schleuse(5F) 6F7F6F6F
venöse Schleuse-6F--
Liegezeit der Schleuselang2 < 60 min< 60 min< 60 min
Koronares GefäßproblemRCX3 LAD4 RCX3 LAD4 / Muskelbrücke
Untersuchungszeit< 60 min< 60 min< 60 min< 60 min
Druckverband-jaja-
Gefäßkomplikation im PunktionsbereichVerschlußHochgradige StenoseHochgradige StenoseHochgradige Stenose
LokalisationA. fem. sup.A. fem. sup.A. fem. sup.A. fem. sup.
1 akutes Koronarsyndrom; 2 längere Liegezeit durch Übernahme aus einem Primärkrankenhaus mit liegender Schleuse; 3 Ramus circumflexus; 4 Ramus interventricularis anterior
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Abb. 1Angiographie der Becken-Bein-Region. Subtotaler Verschluß der A. femoralis superficialis unmittelbar distal der Femoralisgabel mit einer Umfließungsfigur (Pfeil). Regelrechte Darstellung der A. femoralis communis und der A. profunda femoris.