Rofo 2017; 189(03): 260-264
DOI: 10.1055/s-0043-102837
DRG-Mitteilungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ALLES IM BLICK - Interview mit Prof. Dr. Ernst J. Rummeny und o. Univ.-Prof. Dr. Werner Jaschke, Kongresspräsidenten des 98. Deutschen Röntgenkongresses und des 8. Gemeinsamen Kongresses der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Österreichischen Röntgengesellschaft (ÖRG)

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Publication Date:
09 March 2017 (online)

 

    Der Deutsche Röntgenkongress (RöKo) ist der größte deutschsprachige Kongress der medizinischen Bildgebung. Rund 7.000 Besucherinnen und Besucher können sich hier jedes Jahr über neueste Forschungsergebnisse und deren Auswirkungen und Anwendungen in Klinik und Praxis informieren und sich in allen für die Radiologie relevanten Themenfeldern fortbilden. Der 98. Deutsche Röntgenkongress, der zugleich auch der 8. Gemeinsame Kongress der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) und der Österreichischen Röntgengesellschaft (ÖRG) ist, stellt ein abwechslungsreiches, spannendes und vielfältiges Programm für alle Berufsgruppen bereit. Er rückt dabei auch Themen besonders in den Mittelpunkt, die Komplexität mit einer hohen Veränderungsdynamik und innovativem Potenzial verbinden. Im Interview sprechen die beiden Kongresspräsidenten Prof. Dr. Ernst J. Rummeny und o. Univ.-Prof. Dr. Werner Jaschke über die inhaltlichen Schwerpunkte 2017.


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    „Alles im Blick“ lautet das Motto des 98. RöKo. Wollten Sie damit die radiologische Wirklichkeit möglichst prägnant auf den Punkt bringen oder verbirgt sich dahinter eher ein in die Zukunft gerichteter Appell?

    Jaschke Beides trifft zu. Die verschiedenen an einem Krankenhaus tätigen Fachgebiete sind zum Teil hochspezialisiert oder auf einzelne Organe fokussiert. Die Radiologie hingegen ist als Querschnittsfach an vielen klinischen Entscheidungen beteiligt und hat somit einen umfassenden Einblick in das Krankheitsgeschehen eines Patienten. Außerdem nehmen wir Radiologen täglich an mehreren interdisziplinären Besprechungen teil und sind dadurch auch sehr gut über Innovationen in den verschiedenen Fachgebieten informiert. Unser „Überblick“ ist immer dann von Vorteil, wenn fachübergreifende Aspekte für Therapieentscheidungen von Bedeutung sind. Radiologie erfordert deshalb stets gute Kommunikation und die Integration von Informationen.

    Rummeny Alles im Blick bedeutet, dass der Radiologe heute die Ergebnisse der bildgebenden Verfahren sowie auch die möglichen therapeutischen Maßnahmen überblicken muss und dieses Wissen zum Wohle des Patienten einsetzt. In Zukunft werden weitere Parameter, wie Labordaten, genetische Daten usw. hinzukommen, die den Blick des Radiologen weiten, sofern er mit ihnen auch umzugehen versteht.

    „Unser ,Überblick‘ ist immer dann von Vorteil, wenn fachübergreifende Aspekte für Therapieentscheidungen von Bedeutung sind.“
    Werner Jaschke

    Sie haben für Ihren gemeinsamen Kongress mit der onkologischen Bildgebung, der interventionellen Onkologie, neuen Techniken und Big Data interessante Schwerpunktthemen definiert. Was ist das einigende Band zwischen diesen Themen?

    Rummeny Das einigende Band zwischen diesen Themen besteht in unserem Anspruch als Kongresspräsidenten, einen Überblick über die aktuellen Verfahren der onkologischen Bildgebung zu geben und dabei die Bedeutung der krankheitsspezifischen Daten für eine optimale Therapie hervorzuheben, die auch in einer radiologisch gesteuerten minimalinvasiven Therapiemöglichkeit bestehen kann. Ein verbindendes Element ist natürlich immer auch der Patient, der bei allen Themen und Fragestellungen im Mittelpunkt steht.

    Jaschke Gerade in der Onkologie wurden in den letzten Jahren dramatische Fortschritte erzielt. Die personalisierte Onkologie versucht durch die Analyse von patientenspezifischen Daten, also beispielsweise von Labordaten, genetischen Daten oder Biomarkern, Behandlungsstrategien zu optimieren. Bei Patienten mit Resistenzen gegen bestimmte Medikamente können so sinnlose, da unwirksame Therapien mitsamt den Nebenwirkungen vermieden werden. Die interventionelle Onkologie hat sich zudem in den letzten Jahren von einer Außenseiterrolle zu einer versorgungsrelevanten ärztlichen Leistung gewandelt. Eine Entwicklung, die leider in der Laien- und Fachwelt noch zu wenig bekannt ist.

    Wenn Sie einmal auf die letzten Jahre zurückblicken – hat sich die Rolle der Bildgebung und damit die des Radiologen in der Onkologie in Deutschland und Österreich gewandelt?

    Jaschke Der Beitrag der Radiologie in der Onkologie ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Dies ist sicherlich eine Anerkennung unserer Arbeit, stellt aber auch eine Herausforderung dar. Um Schritt zu halten, müssen wir die therapeutischen Fortschritte in der Onkologie auch mit einer fachgerechten Befundung begleiten. Die strukturierte Befundung sowie die Kenntnis von therapieinduzierten Veränderungen bzw. Erkrankungen werden in der Radiologie daher immer mehr an Bedeutung gewinnen.

    Rummeny Die Bildgebung ist nicht nur im klinischen Bereich, sondern auch im Bereich der Medikamentenentwicklung wichtiger geworden. Bilddaten werden hier inzwischen teilweise bereits als Endpunkte angesehen.

    Was leistet die onkologische Bildgebung heute und welche Potenziale gilt es noch auszuschöpfen?

    Jaschke Therapeutische Entscheidungen in der Onkologie basieren in einem sehr großen Ausmaß auf der Bildgebung. Derzeit werden hauptsächlich morphologische Kriterien, z. B. das Tumorwachstum, für die Erhebung und Auswertung von Bilddaten zugrunde gelegt. Die funktionelle Bildgebung, die molekulare Bildgebung und die Verknüpfung von Bilddaten mit histologischen bzw. genetischen Daten werden das Potenzial der onkologischen Bildgebung in den nächsten Jahren sicher weiter vergrößern.

    Rummeny Gerade in der individualisierten Tumortherapie wird die onkologische Bildgebung eine herausragende Rolle einnehmen.

    Krebs ist nicht gleich Krebs. Welche Krebserkrankungen, Indikationen bzw. spezifischen Fragestellungen stehen derzeit im Fokus der onkologischen Bildgebung und werden entsprechend auch auf dem Röntgenkongress besonders behandelt?

    Rummeny Die individualisierte Tumortherapie stellt einen Paradigmenwechsel in der Medizin dar. Während man früher davon ausging, dass gleiche Tumorarten auch gleiche biologische Bausteine haben, hat die Aufklärung des menschlichen Genoms zu einer differenzierteren Sichtweise geführt. Heute weiß man, dass es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Tumoren gibt, die auch die Tumorbiologie mit einschließen. Gleich bezeichnete Tumoren können unterschiedliche Gewebsstrukturen besitzen, man spricht hier von Tumorinhomogenität oder Tumorheterogenität. Über die Darstellung dieses Phänomens werden wir auf dem RöKo 2017 diskutieren und entsprechende Referate hören.

    Jaschke Das Leberzellkarzinom, kurz HCC, ist die fünfthäufigste Tumorerkrankung weltweit. Diesem Tumor wurde im Programm des RöKo 2017 ein großer Raum eingeräumt. Sehr häufige Tumorerkrankungen wie das Mammakarzinom und das Bronchialkarzinom sind ebenfalls Gegenstand des Kongressprogramms, um den Zuhörerinnen und Zuhörern neue Erkenntnisse über die Diagnostik und Therapie dieser Erkrankungen zu vermitteln. Gleichzeitig haben wir auch seltene Tumorentitäten im Programm berücksichtigt wie beispielsweise gastrointestinale Stromatumoren, kurz GIST, oder neuroendokrine Tumoren, kurz NET. Die Kenntnis von selteneren Tumorerkrankungen ist für Diagnostik und Therapie von entscheidender Bedeutung.

    „Gerade in der individualisierten Tumortherapie wird die onkologische Bildgebung eine herausragende Rolle einnehmen.“
    Ernst J. Rummeny

    Wie ist in der Praxis die Kommunikation zwischen Onkologen und Radiologen. Sind Radiologen vollumfänglich in die jeweiligen Therapiekonzepte eingebunden oder wird am Ende doch nur über Befunde miteinander kommuniziert?

    Rummeny Die Kommunikation zwischen Radiologen und Onkologen, aber auch mit anderen Fachrichtungen wie der Chirurgie und der Strahlentherapie erfolgt im Rahmen von Tumorboards. Diese sind häufig auf bestimmte Tumoren, z. B. der Lunge oder des Gastrointestinaltrakts, ausgerichtet und können auch in Kooperation mit niedergelassenen Kollegen durchgeführt werden. Aufgabe dieser Tumorboards ist es, auf Grundlage von radiologischen und anderen Untersuchungsdaten gemeinsam das Therapiekonzept für eine bestimmte Erkrankung zu erarbeiten. Für den RöKo 2017 haben wir übrigens auch eine klinische Fallpräsentation des Tumorboards des Universitätsklinikums Regensburg eingeplant.

    Jaschke Richtig ist schon, dass die Kommunikation zwischen Onkologen und Radiologen immer wieder eine besondere Herausforderung darstellen kann. In vielen Fällen ist jedoch auch die Übermittlung von klinischen Daten in der Zuweisung und der radiologische Befund für die Kommunikation ausreichend, wenn es z. B. lediglich um die Verlaufskontrolle einer bereits eingeleiteten Therapie geht.

    Wie bewerten Sie im Gesamtspektrum der onkologischen Therapie, d. h. neben der klassischen Operation, der Medikamententherapie und der Strahlentherapie, die Relevanz und Akzeptanz der mittlerweile zur Verfügung stehenden minimal-invasiven Verfahren der interventionellen Onkologie?

    Rummeny Minimal-invasive Verfahren der interventionellen Onkologie spielen eine immer bedeutendere Rolle und sind teilweise sogar unverzichtbar geworden. Dabei sind insbesondere die lokal ablativen Verfahren bei Tumoren und Metastasen der Leber, der Nieren und der Lunge auf dem Vormarsch und auch bei Onkologen und Chirurgen akzeptiert. Ähnliches gilt auch für eine Reihe von benignen Tumoren wie z. B. den Uterusmyomen und den oft schmerzhaften Osteoidosteomen. Folgerichtig haben wir der interventionellen Onkologie auch viel Raum auf dem RöKo 2017 eingeräumt.

    Jaschke Die interventionelle Onkologie leistet auch einen wesentlichen Beitrag in der Palliativtherapie von Tumoren und in der Schmerzbehandlung. Eindeutig ist, dass radikale chirurgische Maßnahmen bereits heute immer seltener angewandt werden und zukünftig sicherlich noch weiter an Bedeutung verlieren.

    „Der Beitrag der Radiologie in der Onkologie ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.“
    Werner Jaschke

    Als medizinische Disziplin mit einer ausgeprägten Technikaffinität steht die Radiologie immer auch für neue Ansätze und Verfahren. Die Hybridbildgebung ist nur ein Beispiel. Gibt es aktuelle Entwicklungen, die sie besonders faszinieren und denen Sie künftig eine wichtige Rolle zusprechen würden?

    Jaschke Der Verknüpfung von klinischen, genetischen und bildbasierten Daten wird zukünftig eine wichtige Rolle zukommen. Molekulare Bildgebungsverfahren sind bereits heute für die Diagnostik und Therapie von neuroendokrinen Tumoren sehr wichtig. Diese Verfahren werden zukünftig auch für weitere Tumorentitäten an Bedeutung gewinnen. Ein großes Potenzial für die onkologische Diagnostik steckt sicherlich auch in den neuen optischen und optoakustischen Verfahren. Mein besonderes Interesse gilt der interventionellen Onkologie. Die Fusion von Bilddaten ist ja bereits jetzt mit hoher Präzision möglich. Dadurch kann die Information der verschiedenen Bilder auch für therapeutische Eingriffe in Echtzeit genützt werden. Die 3D-Navigation im virtuellen und tatsächlichen Körper wird die interventionelle Onkologie wesentlich bereichern. Derzeit wird z. B. für die Biopsie von Prostataläsionen die Fusion von Sonografie und MR-Tomografie eingesetzt. Die Realtime-Bildgebung mittels MR und CT wird sich ebenfalls weiter entwickeln und die Steuerung von Instrumenten im menschlichen Körper zusätzlich erleichtern. Durchblutungsmessungen in Tumoren werden dadurch ebenfalls möglich. Die Wirkung von Angiogenese hemmenden Wirkstoffen kann somit mittels Bildgebung verfolgt und ein Nichtansprechen des Tumors auf diese Wirkstoffe schon in einem sehr frühen Stadium sichtbar gemacht werden.

    Rummeny Zu den weiteren Entwicklungen, die derzeit besonders im Fokus stehen, zählen auch die sogenannte Dunkelfeld- oder Phasenkontrast-Bildgebung sowie neue, organspezifische Tracer in der Hybrid-Bildgebung. Ein besonderer Tracer, mit dem das Prostatakarzinom und entsprechende Metastasen besonders gut dargestellt werden können, das PSMA, ist Thema auf dem RöKo 2017.

    „Die einheitliche Qualität der Rohdaten ist die Voraussetzung dafür, Gesundheitsdaten ubiquitär erfassen zu können.“
    Ernst J. Rummeny

    Tumoren in einem Stadium zu entdecken, noch bevor sich Metastasen bilden können, ist eine Hoffnung, die mit dem sogenannten Phasenkontrast-Röntgen verbunden wird. Wie weit ist diese Technologie gediehen?

    Rummeny Das Phasenkontrast-Röntgen, bei dem neben dem normalen Röntgenbild auch sogenannte Dunkelfeld- und Phasenkontrastaufnahmen erstellt werden, wurde bisher nur im Tierversuch evaluiert. Erste klinische Studien mit Mammografie- und Röntgenthorax-Aufnahmemöglichkeiten sind in den kommenden Jahren zu erwarten. Ob und inwieweit mit diesem Verfahren eine frühere Tumordiagnostik möglich ist, bleibt abzuwarten.

    Jaschke Beim Phasenkontrast-Röntgen wird ja nicht nur die Absorption der Röntgenstrahlung im Gewebe gemessen, sondern auch die Brechungseigenschaften des Gewebes. In der Phasenverschiebung sind viele wertvolle Informationen über Gewebseigenschaften enthalten, die derzeit nicht genützt werden können. Um die Phasenverschiebung messen zu können, werden derzeit in verschiedenen Labors und Unternehmen neue Detektoren entwickelt. Man darf in jedem Fall auf die Röntgensysteme der nächsten Generation gespannt sein, da sie weniger Energie verbrauchen, Bilder mit einer geringeren Strahlendosis liefern, einen besseren Weichteilkontrast aufweisen und Blutgefäße zukünftig auch ohne Kontrastmittel sichtbar machen werden. Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass neue Strahlenquellen in deutlich geringerem Ausmaß durch starke Magnetfelder gestört werden. Dadurch ist eine Kombination von Magnetfeld gesteuerten endovaskulären Instrumenten und der Röntgenbildgebung denkbar.

    In der interventionellen Onkologie zählt die thermische Ablation zu den neueren Entwicklungen. Wie Erfolg versprechend ist dieses Verfahren im Vergleich zu einer chirurgischen Resektion?

    Jaschke Die thermische Ablation von Tumoren hat sich zu einem etablierten Verfahren für die Behandlung von fokalen Leberläsionen entwickelt. Zwei Faktoren waren dafür entscheidend: Zum einen wurde die Technik der Gewebsablation in den letzten Jahren wesentlich verbessert und die bildgebende Steuerung des Eingriffes mittels Stereotaxie ermöglichte eine deutliche höhere Rate an vollständigen Ablationen (R0-Ablationen). Die Ablation von fokalen Leberläsionen ist deshalb in vielen Fällen gleichwertig mit der chirurgischen Resektion. Zum anderen hat die verbesserte Detektion von fokalen Leberläsionen dazu geführt, dass sowohl die lokal ablativen Verfahren als auch die chirurgische Resektion effizient im Vorfeld geplant werden können. Die direkte Inspektion und Palpation der Leber hat somit an Bedeutung verloren.

    Rummeny Hier könnten neue Verfahren wie die irreversible Elektroporation (IRE), die insbesondere bei Tumoren angewandt wird, die mit thermischen Verfahren schwierig zu behandeln sind, noch weitere Erfolge bringen.

    Kaum ein Fach produziert so viele Daten wie die Radiologie. Im engeren Sinne kann man sagen, Radiologie ist Big Data bei Bilddaten. Wie können digitale Technologien bei der Sammlung, Analyse und Verwertung von Bilddaten helfen?

    Rummeny Die in der Radiologie produzierten Daten werden zunehmend dafür genutzt, Krankheitsverläufe präziser zu erfassen. In diesem Zusammenhang spielt die Radiologie eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von sogenannten Deep-Learning-Modellen, die zum Teil schon für die frühe Diagnose des Schlaganfalls Anwendung finden. Weitere Lernalgorithmen liegen für Lungenerkrankungen vor und werden derzeit auch für die Mammadiagnostik und die Traumaskelettdiagnostik erarbeitet. Grundlage hierfür sind immer die Daten aus der Radiologie.

    Jaschke In einem typischen Krankenhausbetrieb werden relevante Patientendaten in verschiedenen Informationssystemen abgespeichert. Sie können zwar von den behandelnden Ärzten eingesehen werden, eine systematische, automatisierte Analyse aller Bilddaten und klinischen Daten erfolgt jedoch nicht. Big-Data-Technologien werden zukünftig einen wesentlichen Beitrag für die Diagnostik und Therapie eines Patienten leisten. In vielen Fällen wird es sich dabei um Assistenzsysteme handeln. Typische Befundkonstellationen können dem behandelnden Arzt und dem Radiologen schneller zugänglich gemacht werden, indem diese Assistenzsysteme auf Krankheitsbilder hinweisen, die bei früher behandelten Patienten mit derselben Befundkonstellation bereits beobachtet wurden. In der Radiologie wird die künstliche, maschinenbasierte Intelligenz die Arbeit des Radiologen bei der Bildanalyse unterstützen und für einfachere Bildanalysen, z. B. für die Frakturerkennung und -klassifikation, vielleicht auch komplett ersetzen.

    „Medizinische Entscheidungsprozesse werden sicherlich auch in Zukunft wesentlich von Ärzten und nicht von Maschinen gesteuert.“
    Werner Jaschke

    Eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung und Verarbeitung von Bilddaten ist die einheitliche Qualität der Rohdaten. Stellt das deutsche oder österreichische Kliniken vor besondere Herausforderungen?

    Jaschke Der DICOM-Standard war ein wichtiger Schritt für die Übertragung von Bilddaten. Für aufwändigere Analysen muss jedoch auch die Qualität der Bilddaten hinsichtlich Voxelgröße, Signal-Rausch-Verhältnis etc. standardisiert werden. Der Auswahl von Untersuchungsprotokollen in der Computertomografie und der Magnetresonanztomografie kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Meiner Meinung nach handelt sich jedoch hierbei eher um eine organisatorische als um eine technische Herausforderung.

    Rummeny Die einheitliche Qualität der Rohdaten ist die Voraussetzung dafür, Gesundheitsdaten ubiquitär erfassen zu können. Hier müssen insbesondere noch Fragen des Datenschutzes diskutiert und beantwortet werden. Im neuen „Forum IT“ bringen wir deshalb erstmalig auf einem RöKo alle relevanten Gesprächspartner zusammen, um diese und andere Themen gemeinsam zu bearbeiten.

    Ist die radiologische Übersetzung von Big Data künftig eng mit populationsbasierten Kohortenstudien wie z. B. der NAKO-Studie verbunden, da nur so – neben einer hohen Fallzahl – die notwendige Standardisierung bezüglich Bildqualität und Reproduzierbarkeit gewährleistet werden kann?

    Jaschke Die populationsbasierten Kohortenstudien sind erste Anwendungen der Big-Data-Analyse. Falls sich diese als effizient erweisen, werden Big-Data-Techniken sicherlich auch sehr rasch Eingang in andere medizinische Anwendungen finden.

    Rummeny Großangelegten Studien wie z. B. die NAKO-Studie stellen eine erste standortübergreifende Sammlung von Big Data dar. Hier werden nicht nur technische Probleme in der Umsetzung identifiziert und auch gelöst, sondern hier können auch ethische Fragen aufgenommen und dokumentiert werden, die für die Zukunft beantwortet werden müssen. Der RöKo 2017 bietet auch hierzu ein entsprechendes Diskussionsforum an.

    Bildinformationen in krankheitsrelevante Informationen zu überführen, ist im großen Stil nur mithilfe von Algorithmen bzw. darauf basierenden Softwarelösungen möglich. Gibt es hierzu in Deutschland oder Österreich bereits Praxisbeispiele?

    Rummeny Es gibt bereits erste Anwendungen, die sehr vielversprechend sind. Die automatisierte Erkennung von ischämischen Hirninfarkten und die Klassifizierung nach dem e-ASPECTS-Score ist derzeit schon Realität. Erste Erfahrungen hierzu werden ebenfalls im Rahmen des RöKo 2017 vorgestellt.

    Jaschke Erste Ansätze in der Praxis zeigen, dass medizinische Entscheidungsprozesse beschleunigt und vereinheitlicht werden können. Diese Entwicklungen entbinden uns Ärzte jedoch nicht davor, den individuellen Patienten im Auge zu behalten. Medizinische Entscheidungsprozesse werden sicherlich auch in Zukunft wesentlich von Ärzten und nicht von Maschinen gesteuert.

    „Die IT ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil der gesamten Krankenversorgung.“
    Ernst J. Rummeny

    In vielen Krankenhäusern wird die IT immer noch eher als Kostenfaktor und nicht als Innovations- und Effizienztreiber gesehen. Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen hierzu?

    Jaschke IT-Lösungen in Krankenhäusern haben die Produktivität der Krankenhäuser wesentlich verbessert. Im Fall von PACS konnten die Investitionskosten zumindest teilweise durch die Abschaffung der Film- und Entwicklungstechniken kompensiert werden. Die Einführung von RIS mit Spracherkennungssystemen hat ebenfalls zu Personaleinsparungen geführt und damit zur Kosteneffizienz beigetragen. Manche Versprechungen der IT haben sich jedoch nicht bewahrheitet, u. a. weil viele Daten in medizinischen Informationssystemen nicht effizient genutzt werden können. Sie sind in verschiedenen Einzelsystemen verteilt und der Zugang zu den Daten in den verschiedenen Informationssystemen ist mitunter zu zeitaufwendig. Im österreichischen Gesundheitswesen haben sich neue IT-Lösungen sehr rasch verbreitet. Eine der ersten komplett digital arbeitenden Röntgenabteilungen weltweit war die Radiologie am SMZ-Ost Donauspital. Der Vorstand dieser Abteilung, Prof. Dr. Walter Hruby, gilt als Wegbereiter von PACS. Auch bei der Einführung der elektronischen Patientenakte hat Österreich eine Vorreiterstellung eingenommen.

    Rummeny Die IT ist inzwischen ein wichtiger Bestandteil der gesamten Krankenversorgung. Waren auch die Kosten zunächst relativ hoch, so sind doch heute PACS- und RIS-Anlagen in fast jedem Klinikum vorhanden. Bis zur kompletten Digitalisierung, die auch alle klinischen Bereiche und den Bereich der Pathologie einbezieht, ist es in Deutschland noch ein weiter Weg. Man erkennt jedoch, dass die Entwicklung gerade in der jetzigen Zeit sprunghaft vorangeht, sodass weitere Erfolge in naher Zukunft zu erwarten sind. Hierzu zählt auch die elektronische Patientenakte, die in einigen Krankenhäusern schon fast vollständig implementiert ist. Auch bei der personenbezogenen Patientenversorgung wären entsprechende IT-Lösungen geeignet, die Überwachung des individuellen Gesundheitszustandes zu übernehmen. Insgesamt lässt sich für die IT im Gesundheitsbereich eine deutlich positive Zukunft erwarten.

    VORMERKEN! 25. Mai 2017 – Highlight-Vortrag von Prof. Dr. Otmar D. Wiestler

    Die Krebszentren in Deutschland werden Thema des Highlight-Vortrags sein, den Prof. Dr. Otmar D. Wiestler im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung halten wird. Prof. Wiestler ist seit September 2015 Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

    VORMERKEN! 26. Mai 2017 – Röntgen-Vorlesung von Prof. Dr. Hedvig Hricak

    Die Zukunft der onkologischen Bildgebung steht im Mittelpunkt der Röntgenvorlesung von Prof. Dr. Hedvig Hricak, Chair of the Department of Radiology at Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York. Prof. Hricak ist Expertin für onkologische Bildgebung und Pionierin auf dem Gebiet der MRT Prostata und gynäkologischer Krebserkrankungen.

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