Z Orthop Unfall 2016; 154(06): 557
DOI: 10.1055/s-0042-119084
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Lokalanästhetika – Lidocain bei Läsion der Rotatorenmanschette

Contributor(s):
Ioannis Stratos
Honda H, Gotoh M, Kanazawa T et al.
Effects of Lidocaine on Torn Rotator Cuff Tendons.

J Orthop Res 2016;
34: 1620-1627
Further Information

Korrespondenz

PD Dr. med.habil. Ioannis Stratos
Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsmedizin Rostock

Publication History

Publication Date:
14 December 2016 (online)

 

Lokalanästhetika und besonders Lidocain werden in der täglichen klinischen Praxis zur konservativen Behandlung von Tendinopathien verwendet. Ziel der hier vorgestellten Studie, war es den Einfluss von Lidocain auf die defekte Rotatorenmanschette zu untersuchen.

Honda H, Gotoh M, Kanazawa T et al. Effects of Lidocaine on Torn Rotator Cuff Tendons. J Orthop Res 2016; 34: 1620 – 1627


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Einleitung

Insbesonders subakromiale Injektionen von Lidocain dienen zur Differenzialdiagnose von Schulterschmerzen und zur lokalen Schmerzbehandlung bei Läsionen der Rotatorenmanschette. Es ist seit längerem bekannt, dass andere Lokalanästhetika wie Bupivacain eine toxische Wirkung auf Sehnen und Tenozyten aufweisen, jedoch ist die Wirkung des weit verbreiteten Lokalanästhetikums Lidocain auf die Sehnen und Tenozyten nicht bekannt. In dieser Studie sollte der Einfluss von Lidocain auf die Läsion der Rotatorenmanschette untersucht werden.


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Material und Methoden

Die Analyse für dieses Vorhaben erfolgte mit Hilfe eines In-vitro- und In-vivo-Modells. Beim In-vitro-Modell wurden Tenozyten von 9 Patienten mit einer Rotatorenmanschettenläsion isoliert und kultiviert. Die Biopsie zur Zellpräparation erfolgte im Rahmen einer geplanten arthroskopischen Operation zur Behandlung der Rotatorenmanschettenläsion. Die isolierten und kultivierten Tenozyten wurden mit aufsteigenden Konzentrationen von Lidocain bzw. Kontrolllösung über 24 h behandelt und anschließend wurden zellproliferative Untersuchungen (mittels Fluoreszenz-Intensitätsmessung) bzw. Zellviabilitäts-Untersuchungen (mittels FACS-Analyse) durchgeführt. Für die In-vivo-Untersuchungen wurden 33 Sprague-Dawley-Ratten verwendet und ein Defekt an der Supraspinatussehne in offener chirurgischer Technik gesetzt. Anschließend wurde der Defekt verschlossen und es erfolgte eine Injektion von Lidocain von 0,1 ml (1 % Lidocain)/Körpergewicht (g), Dosis, welche beim Menschen 0,1 ml/1 % Lidocain/Körpergewicht (kg) entspricht bzw. PBS als Kontrolllösung in der Region der Rotatorenmanschettenläsion. Anschließende Untersuchungen erfolgten 24 h, 2, 4 und 8 Wochen nach Induktion der Läsion. Biomechanische Untersuchungen der Rotatorenmanschette sowie histologische und elektronenmikroskopische Untersuchungen wurden ebenfalls ex vivo durchgeführt.


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Ergebnisse

Die Autoren haben festgestellt, dass Lidocain in vitro das Überleben der Tenozyten als auch deren Proliferation signifikant im Vergleich zur Kontrollgruppe bei aufsteigender Lidocain-Konzentration reduziert. In vivo kommt es nach Lidocain-Behandlung bei der lädierten Rotatorenmanschette zu einem signifikanten Ausfall der Gewebebelastung und der Gewebesteifigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe. Histologisch lässt sich schon nach 24 h eine erhöhte Apoptose bei der Lidocain-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe feststellen. Lidocain behandelte Tiere weisen weiterhin eine signifikant geringere Kollagendeposition (2. und 4. Woche nach Induktion der Läsion) im Vergleich zu den Kontrolltieren auf.


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Diskussion

Folgende Arbeit zeigt, dass eine Lidocain-Behandlung zu einer Degradation der Rotatorenmanschette führt im Sinne einer erhöhten Apoptose und reduzierten biomechanischen Gewebeeigenschaften. Die In-vivo-Ergebnisse werden von den In-vitro-Ergebnissen gestärkt. Die Autoren diskutieren Ihre Ergebnisse ausreichend und stellen die Limitationen der Studie im Paper auch gut dar. In der Diskussion wird auf die Toxizität von Lidocain eingegangen und es wird versucht ihre Wirkung auf pathophysiologischer Ebene zu erklären. Zusammenfassend ist diese experimentelle Arbeit sehr interessant, da ein Medikament untersucht wurde, welches alltäglich in der Klinik Gebrauch findet. Die Ergebnisse der Studie sind nicht neu, da bereits ähnliche Ergebnisse für Bupivacain an der Achillessehne publiziert wurden [1]. Ein weiterer Kritikpunkt an der Studie ist das gewählte In-vivo-Modell. Rotatorenmanschettenläsionen treten überwiegend im Rahmen von degenerativen Prozessen auf. Das hier verwendete In-vivo-Modell stellt eher ein akutes Modell der Rotatorenmanschettenläsion und Wiederherstellung dar [2]. Ein chronisches Modell bei welchem z. B. der Defekt zweizeitig nach 2 Wochen versorgt wird, würde die Pathophysiologie der chronischen Läsion bei Menschen mehr ähneln.


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Fazit

Die lokale subakromiale Injektion von Lokalanästhetika zur Differenzialdiagnose eines subakromialen Impigements hat einen wissenschaftlichen und klinischen Stellenwert [3]. Die Indikation allerdings zur lokalen Injektion besonders nach einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion sollte eher restriktiv gestellt werden, da dies eine vermehrte Degeneration des bereits verletzten Gewebes induzieren kann.


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  • Literatur

  • 1 Lehner C, Gehwolf R, Hirzinger C et al. Bupivacaine induces short-term alterations and impairment in rat tendons. Am J Sports Med 2013; 41: 1411-1418
  • 2 Mannava S, Plate JF, Whitlock PW et al. Evaluation of in vivo rotator cuff muscle function after acute and chronic detachment of the supraspinatus tendon: an experimental study in an animal model. J Bone Joint Surg Am 2011; 93: 1702-1711
  • 3 Tallia AF, Cardone DA. Diagnostic and therapeutic injection of the shoulder region. Am Fam Physician 2003; 67: 1271-1278

Korrespondenz

PD Dr. med.habil. Ioannis Stratos
Abteilung für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsmedizin Rostock

  • Literatur

  • 1 Lehner C, Gehwolf R, Hirzinger C et al. Bupivacaine induces short-term alterations and impairment in rat tendons. Am J Sports Med 2013; 41: 1411-1418
  • 2 Mannava S, Plate JF, Whitlock PW et al. Evaluation of in vivo rotator cuff muscle function after acute and chronic detachment of the supraspinatus tendon: an experimental study in an animal model. J Bone Joint Surg Am 2011; 93: 1702-1711
  • 3 Tallia AF, Cardone DA. Diagnostic and therapeutic injection of the shoulder region. Am Fam Physician 2003; 67: 1271-1278